Russland in Deutschland: Fataler Verbündetenwechsel

Traditionelle Verbündete in Deutschland für eine Russland-freundliche Politik waren über Jahrzehnte hauptsächlich auf der politischen Linken zu finden. Von der neuen Ostpolitik bis zu den Schröder-Jahren stammen die engeren Kooperationspartner, die sich auch „trauten“, für eine Zusammenarbeit mit Russland einzustehen, stets aus diesem Spektrum – auch nach dem Ende der Sowjetunion. Das hat sich in den letzten Jahren gehörig gewandelt und gerade die Mehrheit der offenen Russlandfans in der Politik stammt heute aus einem ganz anderen Millieu. Was ist passiert?

Linksliberale werden zu Russland-„Hatern“

Zum einen ist festzustellen, dass sich auf der „gemäßigten“ Linken in Deutschland die Einstellungen Russland gegenüber geändert haben. Zunächst bei liberalen Journalisten und Grünen, die heute eher Teil des Establishments sind, als wie in den 90ern der „Alternativen“, setzte sich seit dem Millennium mehr und mehr ein Russlandbild durch, das von Klischees und einer Ablehnung der Herrschaft des „Systems Putin“ bestimmt war. Nicht, dass es da bei den Demokratiedefiziten nichts zu kritisieren gäbe – aber ein Merkmal der Kehrtwende dieses „halblinksbürgerlichen“ Spektrums war es, komplett nur die Kehrseiten der Entwicklung in Russland heraus zu stellen und positive Veränderungen, wie den erheblich gestiegenen Wohlstand der Durchschnittsbürger, komplett unter den Tisch fallen zu lassen.

Diese Einstellung Russlands gegenüber hat sich auf der gemäßigten Linken bis in die 2010er Jahre so weit durchgesetzt, dass sie Teil des Grundkonsens linksliberaler Politik wurde. Dazu maßgeblich beigetragen hat die journalistische Berichterstattung im neuen Mainstream, die sich im eigenen „Heldenpathos“ („wir im feindlichen Osten“) komplett auf die Defizite der russischen Gesellschaft fokusierte. Immer mit der Attitüde des moralischen Zeigefingers und des „Helden im Reich des Bösen“, dessen Lächerlichkeit nur echten Russlandkennern bewusst war.  Auch in der SPD in der Generation, die nach dem Ende der Ära Schröder in die Politik wuchs, wurde sie immer mehr zur Mehrheitsmeinung. Die wenigen verbliebenen Freunde Russlands in der Partei, sofern sie nicht wie Helmut Schmidt und Egon Bahr über 90 Jahre alt und damit unangreifbar sind, stehen hier intern unter heftigem Beschuss. Verblieben ist auf der politischen Linken damit als traditioneller „Freund“ Russlands nur noch die Linkspartei, wobei das gute Verhältnis gen Osten auch hier einigen „modernen“ Reformern ein Groll ist.  In grünen und grün bewegten Teilen des Polit-Establishments ist der Antirussismus seit dem Euromaidan dermaßen „en vogue“, dass es sich Meinungsführer sogar erlauben können, komplett den Dialog mit der russischen Regierung oder ihnen (nach grüner Meinung, denn nur die ist richtig) nahe stehenden Organisationen zu verweigern, wie sich erst jüngst beim vorläufigen Ende des Petersburger Dialogs zeigte. Obwohl ja „von früher“ grün bewegte Zeitgenossen eher im Ruf stehen, Probleme umfangreich „ausdiskutieren“ zu wollen. Bei Russland wird nicht mehr diskutiert und notfalls werden auch ukrainische Nazis unter den Teppich gekehrt oder klein geredet, damit man in grünen Kreisen offen gegen Russland auftreten kann.

Rechtspopulisten werden zu Russland-„Fans“

Gleichzeitig bot sich den russischen Beobachtern Deutschlands überraschend ein neuer Verbündeter an: Die Rechtspopulisten. Mit ihrer Betonung des Nationalen, ihrer Ablehnung der EU, deren Verhältnis zu Russland sich ebenso verschlechterte, gab es eine große Menge Übereinstimmungen mit der russischen Regierungspolitik, die auch angesichts des ständigen Vordringens der NATO gerade die Geduld mit dem Gesäusel von der internationalen Kooperation verlor. Das lag nicht nur am Wahlspruch „der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Denn die Regierung Putin ist von ihrer Innenpolitik eindeutig ein konservativer und eher national ausgerichteter Haufen, auf Bestand und Stabilität erpicht. Somit steht sie ideologisch einem bürgerlichen Rechten eigentlich näher, als einem Linkssozialisten.

Irgendwann begannen Russlands Offizielle, die neue bürgerliche Rechte auch ganz offiziell als ihre „Leute vor Ort“ zu akzeptieren, nur noch auf Abgrenzung bedacht zu offenen Neonazis, die in Russland nirgends gerne gesehen sind. Am deutlichsten zeigt sich das bei den russischen Staatsmedien, die ebenso wie auf der Gegenseite der deutsche Mainstream die „Avantgarde“ der negativen politischen Entwicklung sind. Tagesschau-Rechtausscheiderin Eva Hermann arbeitet heute für die „Stimme Russlands“, „Russia Today deutsch“ (RT) kooperiert beim Aufbau eines Programms hierzulande eng mit dem Umfeld der rechtsgerichtete Querfront-Clique eines Jürgen Elsässer. Deutsche Experten, die bei RIA Novosti und RT im Programm auftauchen, speisen sich mehr und mehr aus dem rechtspopulistischen Sumpf, notfalls bis hin zu offenen Verschwörungstheoretikern.

Verlierer-viele – Gewinner-keine

Bei dieser Entwicklung gibt es zahlreiche Verlierer. Zum einen die besagten gemäßigten Linken, die sich mit ihrem Abschied von einer verständigungsorientierten Russlandpolitik auch einmal mehr vom linken Ideal des Internationalismus verabschiedet haben – zugunsten einer strafferen Westausrichtung und der unseligen Oberlehrer-Mentalität, die in Griechenland ebenso gut ankommt wie in Russland. Gerade die wird dafür sorgen, dass es zu einer erneuten Annäherung an Russland nicht mehr kommen wird, denn nichts ist dort aus Jahrhunderten traditionell so negativ aus Deutschland bekannt, wie Leute, die von dort kommen und alles angeblich besser wissen. Ernst nehmen wird man diese selbst ernannten „Sonderpädagogen“ nicht.

Leidtragende werden aber auch die Russen sein. Denn die „neuen Verbündeten“ aus national-rechten Kreisen sind eben deutsche Nationalisten – und sobald deutsche und russische Interessen einmal wirklich nicht kompatibel sind, werden aus diesen Verbündeten ganz schnell wieder Gegner werden. Denn anders als der traditionelle, linke Ostpolitiker setzen sie mitnichten auf Verständigung bei einem Konflikt. Manch neuer russischer Rechtspopulisten-Fan in russischen Funktionärskreisen sollte darüber nachdenken, aus welchem Spektrum eigentlich in der Ukraine die radikalsten Gegner des eigenen Landes kommen und so kann es auch in Deutschland wieder ganz schnell kommen – die dreißiger Jahre lassen grüßen. Denn bevor man sich dem neuen „Lebensraum im Osten“ zu wandte, waren auch die deutschen Rechten Unterstützer der heimlichen Zusammenarbeit mit der Sowjetunion.

Mit der Glaubwürdigkeit bei der Mehrheit der deutschen Bevölkerung schaut es daneben aber auch heute bei einheimischen Verschwörungstheoretikern nicht so gut aus und so wird sich auch das Bild der Russland-Staatsmedien im Westen – nicht ohne Mithilfe des US-orientierten Mainstreams – weiter verfinstern.

Roland Bathon – russland.RU

COMMENTS