Russland findet trotz Sanktionen aus der Krise – Deutscher Osthandel legt eine Schippe drauf

Trendwende geschafft: Erstmals seit vier Jahren stiegen die deutschen Ausfuhren nach Osteuropa wieder deutlich stärker an, als der deutsche Export insgesamt. Während das Statistische Bundesamt für das Gesamtjahr 2016 ein deutsches Exportwachstum von rund einem Prozent vermeldete, kletterten die deutschen Lieferungen in die 21 vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft betreuten Länder um fast vier Prozent auf 53,9 Milliarden Euro. Das sind zwei Milliarden Euro mehr als 2015. Die Importe aus der Region sanken hingegen um 1,5 Milliarden auf 55,2 Milliarden Euro (minus 2,6 Prozent). „Entscheidend für den Aufschwung der deutschen Ost-Exporte sind zwei Faktoren: Die Nachfrage aus Südosteuropa ist ungebrochen stark und Russland findet langsam den Weg aus der tiefen Wirtschaftskrise“, sagte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Büchele.

Entscheidend für die positive Jahresbilanz sei zudem, dass der deutsche Export nach Russland, der 2014 und 2015 noch stark rückläufig war, in der zweiten Jahreshälfte 2016 die Kehrtwende geschafft habe: „Unsere Lieferungen nach Russland lagen im Gesamtjahr bei 21,6 Milliarden Euro und damit nur noch 0,3 Prozent unter dem Vorjahreswert. Setzt sich der positive Trend der vergangenen Monate fort, wird 2017 ein Zuwachs von fünf Prozent erreichbar sein“, schätzt Büchele.

Deutliche Zuwächse seien dann auch wieder für die Importe aus Russland zu erwarten, die 2016 wertmäßig noch einmal um 3,5 Milliarden Euro auf 26,5 Milliarden Euro nachgaben (-zwölf Prozent). „Dieser Rückgang ist allein auf die im Jahresschnitt niedrigeren Rohstoffpreise zurückzuführen“, sagte Büchele. „Ein Blick auf die Mengen zeigt dagegen, dass wir gegenwärtig russisches Erdöl und Erdgas auf Rekordniveau importieren.“ 2016 habe Russland einen Anteil von 40 Prozent an den deutschen Rohölimporten erreicht.

„Die gegenseitigen Wirtschaftssanktionen sind weiterhin eine spürbare Bremse für den deutschen Export nach Russland“, kommentierte Büchele. Betroffen seien nicht nur die sanktionierten Wirtschaftsbranchen. Es gebe immer noch Vorbehalte bei russischen Kunden, westliche Lieferanten zu wählen. Außerdem verringere die durch die Sanktionen verstärkte russische Politik der Importsubstitution mit protektionistischen Tendenzen die Nachfrage aus Russland. Daher sei mit einer Erholung der deutschen Russland-Exporte auf alte Bestmarken in den nächsten Jahren nicht zu rechnen. Allerdings erziele Russland seit Sommer 2016 wieder moderat höhere Erlöse aus dem Erdöl- und Erdgashandel, was auch die Nachfrage nach deutschen Gütern stärken werde.

Nach dem starken Rückgang des Rubel-Kurses im Jahr 2015 sei Russland als Produktionsstandort für ausländische Investoren attraktiver geworden. „Im Jahr 2016 haben die 5.300 Firmen mit deutscher Beteiligung in Russland fast zwei Milliarden Euro direkt investiert. Das ist der höchste Wert seit 2008“, sagte Büchele. „2017 wird die russische Wirtschaft nach zwei Rezessionsjahren in Folge voraussichtlich wieder um 1,5 Prozent wachsen.“ Dies unterstrichen auch die Ergebnisse der aktuellen Geschäftsklima-Umfrage zu Russland die der Ost-Ausschuss zusammen mit der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer jährlich durchführt. „63 Prozent der befragten Unternehmen rechnen 2017 mit steigenden Umsätzen.“

Noch schwierig sei dagegen die Lage in einigen Nachbarländern Russlands, insbesondere in Belarus, Kasachstan und Aserbaidschan. Für alle drei genannten Länder meldet das Statistische Bundesamt für 2016 zweistellige Einbrüche der deutschen Exporte. So sanken die Ausfuhren nach Belarus um zehn Prozent (-130 Millionen Euro), nach Kasachstan um zwölf Prozent (-150 Millionen Euro) und nach Aserbaidschan um 52 Prozent (-350 Millionen Euro). „Gemessen an der Entwicklung bis zum Sommer 2016 sind aber auch hier Hoffnungsschimmer zu erkennen“, sagte Büchele. Im Falle Kasachstans und Belarus` habe sich in den vergangenen Monaten der Handel etwas belebt.

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft wurde 1952 als erste Regionalinitiative der deutschen Wirtschaft gegründet. Der Ost-Ausschuss vertritt die deutsche Wirtschaft in bilateralen Gremien und führt jährlich eine Vielzahl von Informationsveranstaltungen, Unternehmerreisen und Konferenzen in und über 21 Länder durch. Die Organisation mit Sitz in Berlin versteht sich als Kompetenzcenter der deutschen Wirtschaft für die osteuropäischen und zentralasiatischen Zukunftsmärkte. Der Ost-Ausschuss wird von fünf großen Wirtschaftsverbänden sowie über 200 Mitgliedsunternehmen getragen.

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