Russland bietet deutschen Firmen dieses Jahr weniger Geschäftschancen

[Von Ullrich Umann Moskau-gtai] – Die Geschäftschancen für deutsche Unternehmen in Russland trüben sich dieses Jahr ein. Zu den Gründen gehören Wachstumsschwächen in einigen Industriezweigen, die nun schon mehr als zwölf Monate anhalten. Aktuell gesellen sich Finanzierungsprobleme, Sanktionsauswirkungen und die Neuausrichtung der staatlichen Industriepolitik hinzu. Wegen des hohen Staatsanteils an der Wirtschaft und der Abhängigkeit privater Großinvestitionen von Subventionen oder Zuschüssen kommen kaum neue Projekte in Gang.

Premierminister Medwedew bereitet Wirtschaft und Öffentlichkeit auf härtere Zeiten vor. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird sich 2014 um maximal 0,5% steigern lassen, betonte er. Höhe Prognosen bezeichnete er als zu optimistisch. Erst 2015 könne mit einem Plus von 2% und 2016 von 2,5% gerechnet werden. Um auf den Wachstumspfad zurückzukehren, sucht die Regierung aktuell geeignete Reformen. Gesucht werden mögliche Wachstumstreiber. Daneben stehen Änderungen der Haushalts-, Geld- und Industriepolitik auf der Agenda. Ziel ist es laut Medwedew, private Investitionen zu stimulieren, die verarbeitende Industrie auszubauen und die Wettbewerbsfähigkeit russischer Exportgüter zu verbessern.

Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung hat zwei Prognoseszenarien gezeichnet. Ein optimistisches Szenario, das zu einem BIP-Wachstum von 1,1% führen würde, und ein konservatives Szenario, das von 0,5% Wachstum ausgeht. Medwedew hat sich offensichtlich für die Basisvariante als die wahrscheinlichere von beiden entschieden. Demnach dürften die Investitionen im Jahresverlauf um 2,4% sinken und die Inflation um 6% ansteigen. Finanzminister Anton Siluanow bezeichnet aber selbst ein BIP-Wachstum von 0,5% als optimistisch. Damit wird deutlich, wie unklar die Wirtschaftsprognosen dieses Jahr ausfallen, wie heterogen die Meinungsbildung selbst innerhalb der Regierung verläuft.

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Preis für Rohöl der Sorte Urals: 2014: 104 US$, 2015-2016: 100 US$

Quellen: Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung der Russischen Föderation (makroökonomische Prognose vom 19.05.20114), Föderaler Statistikdienst Rosstat Internationale Organisationen und ausländische Finanzinstitute sehen die kurzfristige Wirtschaftsentwicklung in Russland pessimistisch. Die Europäische Bank für Wideraufbau und Entwicklung (EBWE) geht von einem Nullwachstum für 2014 aus. Im Folgejahr werden 0,6% Wachstum für möglich gehalten. Wie die EBWE unterstreicht, geht sie bei dieser Prognose von einer Beruhigung der geopolitischen und außenwirtschaftlichen Lage aus, sonst müsse weiter nach unten korrigiert werden.

Als mögliche Wachstumsstützen räumt die EBWE allerdings die Erholung der Weltwirtschaft und die einhergehenden hohen Preise für Energieträger ein. Sollte die Weltwirtschaft tatsächlich um 3% wachsen und der Ölpreis hoch bleiben, könnten die negativen Auswirkungen für Russlands Wirtschaft abgemildert werden.

Die russische Niederlassung der Deutschen Bank schöpft aus der Entwicklung des 1. Quartals 2014 vorsichtigen Optimismus. Zwar sei das Bruttoinlandsprodukt in Russland im genannten Zeitraum nur um 0,9% gewachsen. Doch lag dieses Ergebnis über den ursprünglichen Annahmen. Somit gäbe es eine Chance, dass sich das Wachstum stabilisiert und der exorbitant hohe Kapitalabfluss im zweiten Halbjahr abebbt.

Als eindeutige Negativfaktoren betrachtet die Deutsche Bank die galoppierende Inflation von aktuell fast 7% und die hohen Kreditzinsen (ab 10% und darüber). Dieser Zustand wird wahrscheinlich länger anhalten als ursprünglich vorhergesehen. Unter dem Strich erwartet die Bank eine BIP-Zunahme von 0,6% für 2014. Um das Wachstumstempo der Weltwirtschaft zu erreichen, seien Strukturreformen notwendig. Anzeichen dafür gäbe es aber nur wenige, so die Deutsche Bank.

Bremsend wirkt sich insbesondere die eingeschränkte Bereitschaft ausländischer Kreditgeber aus, neue Industrieprojekte in Russland zu finanzieren. Hinzu kommt das Bestreben, laufende Finanzierungen auf eine Mindestlaufzeit zu verringern, um das Ausfallrisiko zu minimieren. Die Citigroup hat ihr Kreditportfolio in Russland von Januar bis März 2014 um 9% verringert, JP Morgan Chase um 13% und die Bank of America Merril Lynch um 22%.

Russische Banken würden zwar gern einspringen. Doch erhalten auch sie auf den internationalen Finanzmärkten Geld nur noch zu stark verschlechterten Bedingungen, wenn überhaupt. Die russische Zentralbank ist zwar bereit, für steigende Liquidität zu sorgen. Doch ist sie vorrangig der Inflationsbekämpfung verpflichtet und setzte unlängst den Basiszins in zwei Stufen von 5,5 auf 7,5% herauf. Kredite wurden dadurch noch teurer.

Russland – Wirtschaftslage im 1. Quartal 2014

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Russland – Entwicklung der Industrieproduktion

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Quelle: Föderaler Statistikdienst Rosstat

 

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