Russische Regierung fördert Automobilabsatz

[Von Ulrich Umann Moskau-gtai] – Die russische Kfz-Industrie befindet sich in der Krise. Absatz- und Produktionszahlen schrumpfen 2014 das zweite Jahr in Folge. Besonders stark fallen die Importe von Neufahrzeugen. Um die örtliche Montage anzukurbeln, gewährt der Staat vom 1.9. bis 31.12.2014 Rabatte beim Kauf eines Neufahrzeugs aus Produktion in Russland, wenn im Gegenzug ein Gebrauchtfahrzeug abgegeben wird. Das Programm gilt für alle Arten von Kraftfahrzeugen – Pkw, leichte Nutzfahrzeuge, Lastkraftwagen und Autobusse.

Russlands Kfz-Markt schrumpft. Damit setzt sich die Absatzkrise aus dem Vorjahr fort. Von Januar bis Juli 2014 fielen die Verkaufszahlen für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge (LCV) um 9,9% auf 1,4 Mio. Stück. Es wurden 154.864 Fahrzeuge weniger verkauft als im gleichen Vorjahreszeitraum, berichtet die Association of European Businesses. Im zweiten Quartal beschleunigte sich der Abwärtstrend am Markt. Besonders alarmierend war das Ergebnis für Juli 2014. Im gesamten Monat konnten nur 180.767 Pkw und LCV verkauft werden. Der Absatz brach um 22,9% oder 53.598 Stück ein.

Für das Gesamtjahr 2014 prognostizieren die Experten von PricewaterhouseCoopers (PwC) einen Rückgang des Absatzes von leichten Automobilen (ohne LCV) um 12% auf 2,3 Mio. Einheiten. Am besten kommen noch die Montagewerke in Russland weg, in denen Fahrzeuge ausländischer Marken gefertigt werden. Deren Absatz fällt laut PwC um 5% auf 1,24 Mio. Einheiten. Der Verkauf von Fahrzeugen klassischer russischer Marken wird dagegen stärker abnehmen – um 16% auf 410.000 Einheiten.

Vor allem die Importe sinken. In den ersten sieben Monaten 2014 verringerte sich der Verkauf von importierten neuen Pkw und LCV um 19,2% auf 374.800 Stück. Der Marktanteil schrumpfte laut ASM-Holding von zuvor 30,7% auf 26,8%. PwC erwartet für das 2. Halbjahr 2014 keine signifikante Besserung in diesem Marktsegment. Der Absatz von Importfahrzeugen wird im gesamten Jahr 2014 voraussichtlich um ein Fünftel auf 650.000 Einheiten fallen. Einer der wichtigsten Gründe für den Nachfragerückgang ist der Mangel an erschwinglichen Finanzierungsmöglichkeiten für Privatpersonen und Unternehmen.

Russland – Entwicklung des Absatzes von Pkw und LCV (in 1.000 Stück)

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Quellen: Association of European Businesses (AEB), ASM-Holding

Russland – meistverkaufte Automarken von Januar bis Juli 2014 (in Stück)

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Quelle: Association of European Businesses

Russland – meistverkaufte Automodelle von Januar bis Juli 2014 (in Stück)

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Quelle: Association of European Businesses

Im Gegensatz zur Krise am Neuwagenmarkt werden immer mehr Gebrauchtwagen verkauft. Allein im 1. Halbjahr 2014 legten die Stückzahlen um 12% zu, in einigen Regionen wie im Fernen Osten sogar um 94%. Dies meldeten Autostat und Avito Avto. Inzwischen bevorzugen traditionelle Käufer von Neufahrzeugen aus dem unteren und mittleren Preissegment bei Anschaffungen drei bis fünf Jahre alte Gebrauchtfahrzeuge aus der Oberklasse. Etwa 54% ist dabei eine Automatikschaltung wichtig. Im Jahr 2013 wurden 5,7 Mio. Gebrauchtfahrzeuge verkauft (+3,6%). Diese Zahl dürfte 2014 weiter steigen.

Russland – Absatz von Kraftfahrzeugen (Großhandel) von Januar bis Juli 2014

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Quelle: ASM-Holding

Der Absatzrückgang bei Neufahrzeugen hinterlässt bereits Bremsspuren in der Kfz-Industrie. Die Montagewerke in Russland drosselten ihre Produktion im Zeitraum Januar bis Juli 2014 um 0,7% auf 1,1 Mio. Pkw und LCV. Teils wurden die Sommerferien verlängert. Teils wird wegen der schlechten Auslastung im Herbst eine Zwangspause eingelegt, wie bei Volkswagen in Kaluga.

Auch General Motors fährt die Fertigung im Werk Sankt Petersburg (Opel Astra, Chevrolet Cruze, TrailBlazer) von August bis Oktober drastisch zurück auf vier bis acht Arbeitstage pro Monat.

Neben dem Nachfrageinbruch macht den Herstellern auch der Wertverlust des Rubel zu schaffen, da viele Kfz-Teile aus dem Ausland bezogen werden. Erst 2015 werden sich die Absatz- und Montagezahlen wieder verbessern, prognostiziert die russische Regierung.

Russland – Produktion von Kraftfahrzeugen (Prognose 2014 bis 2017)

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Quelle: Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, Moskau, 2014

Russland – Produktion von Kraftfahrzeugen (Januar bis Juli 2014)

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Quelle: Föderaler Statistikdienst (Rosstat)

Russland – Produktion von Kraftfahrzeugen (Januar bis Juli 2014)

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Die Abweichungen gegenüber den statistischen Abgaben von Rosstat ergeben sich durch eine etwas andere Systematik bei der Erfassung. Quelle: ASM-Holding

Um die Kfz-Montage in Russland wieder anzukurbeln, gewährt die Regierung seit 1. September bis 31. Dezember 2014 Preisrabatte beim Kauf eines Neufahrzeugs aus lokaler Produktion, wenn dafür ein Gebrauchtfahrzeug zurückgegeben wird. Für das „Programm zur Erneuerung des Kraftfahrzeugparks“ stellt der russische Staat 2014 rund 10 Mrd. Rubel (200 Mio. Euro; 1 Euro = 48,6315 Rubel, Stand: 30.8.3014, Zentralbank Russlands) bereit. „Wir erwarten, dass im Rahmen dieses Programms bis zum Ende des Jahres mehr als 170.000 Fahrzeuge abgesetzt werden“, sagte Denis Manturow, Minister für Industrie und Handel.

Das Programm gilt für alle Arten von Straßenfahrzeugen – Pkw, SUV/Geländewagen, leichte Nutzfahrzeuge, Lastkraftwagen und Autobusse. Anrecht auf einen Rabatt haben sowohl private als auch juristische Personen. Beim letzten Abwrackprogramm, das von März 2010 bis Juni 2011 in Kraft war, konnten nur Privatpersonen von der staatlichen Förderprämie profitieren.

Um in den Genuss des Preisrabatts zu kommen, muss der potenzielle Neuwagenkäufer ein gebrauchtes Kraftfahrzeug zurückgeben. Hierbei gibt es zwei Varianten: (1) Der Kunde legt das Fahrzeug selbst still und weist dem Autohändler die Abwrackurkunde vor (höherer Rabatt, da die Stilllegung 3.000 Rubel kostet, die der Halter zu entrichten hat). Hierbei spielt das Alter des Kfz keine Rolle; (2) Der Kunde überlässt dem Neuwagenhändler seinen Gebrauchtwagen (Trade-in) und der Händler kümmert sich um dessen Verbleib. Weil dann der Händler die Kosten der Stilllegung zu tragen hat, fällt der Rabatt geringer aus. Um beim Trade-in in den Genuss des Preisrabatts für den Neuwagenkauf zu kommen, muss das beim Autohändler abgegebene Gebrauchtfahrzeug mindestens sechs Jahre oder älter sein. Wobei kein Unterschied gemacht werden soll: es sei möglich, einen Lkw abzugeben und einen Pkw zu kaufen, oder umgekehrt, einen Pkw abzugeben und einen Lkw zu kaufen.

Der Preisnachlass beim selbstständigen Stilllegen eines Kraftfahrzeugs beträgt 50.000 Rubel (1.028 Euro) für einen Pkw und bis zu 350.000 Rubel (7.200 Euro) für ein SUV/Geländewagen, leichtes Nutzfahrzeug oder Lkw mit einem Gewicht von 2,91 bis 8,20 Tonnen und mehr. Der Preisnachlass beim Trade-in beträgt 40.000 Rubel (822 Euro) für einen Pkw und bis zu 300.000 Rubel (6.170 Euro) für ein SUV/Geländewagen, leichtes Nutzfahrzeug oder Lkw mit einem Gewicht von 2,91 bis 8,20 Tonnen und mehr.

Russland – Preisrabatte beim Kauf eines neuen Kraftfahrzeugs (1.9. bis 31.12.2014)

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Quelle: Ministerium für Industrie und Handel, Moskau, 2014

Die russischen Regionen, die am Programm teilnehmen, erhalten Budgetmittel aus dem föderalen Staatshaushalt. Autohändler oder -hersteller rechnen die gewährten Rabatte gegen Vorlage der Verkaufsnachweise am Jahresende mit den zuständigen Stellen der Regionalverwaltungen ab. Ein Importstopp auf Fahrzeuge mit einem Verkaufswert unter 800.000 Rubel (16.450 Euro) wurde laut Pressemitteilungen zwar im August 2014 ernsthaft erwogen, am Ende aber doch wieder fallen gelassen. Bei einem weiteren Drehen an der Sanktionsspirale könnte das Thema jedoch erneut aktuell werden, wie betont wurde. Vom Einfuhrstopp betroffen wären ausschließlich westliche Lieferländer.

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