Russische Premier-Liga-Vereine international nur schlechtes Mittelmaß

Moskau. In der russischen Fußball-Meisterschaft rollt im WM-Jahr endlich wieder das Leder. Am letzten Samstag erwachte Russlands Premier Liga aus dem viermonatigen Winterschlaf und setzte die Saison mit dem 20. von 30 Spieltagen fort. Gestern feuerte der russische Fußball-Erstligist Zenit St. Petersburg seinen Trainer Luciano Spalletti. Dieses beweist mal wieder: Geld allein bringt keinen sportlichen Erfolg.

Der aktuelle Tabellenzweite Zenit St. Petersburg hatte nur eine der vergangenen sechs Ligapartien gewonnen und zudem das Hinspiel des Champions-League-Achtelfinales mit 2:4 gegen Bundesligist Borussia Dortmund zuhause verloren. Logische Folge: Der Trainer muss gehen. Aber bringt das die Wende für Zenit?

Fußball ist ein Millionengeschäft. Dass Geld aber nicht zwangsläufig in die europäische Spitze führt, ist ganz deutlich am russischen Vereinsfußball zu beobachten.

Seit Jahren wird der russischen Liga eine große Zukunft prophezeit. Kauflustige Oligarchen aus unterschiedlichsten Branchen stehen nahezu hinter jeder der Spitzenmannschaften aus der Premier Liga. Zenit St. Petersburg sicherte sich für 95 Millionen Euro die in ganz Europa begehrten Hulk und Axel Witsel und Anschi Machatschkala gab als Aufsteiger von 2010 innerhalb von nur drei Jahren fast 250 Millionen Euro für allerlei Stars aus und installierte Persönlichkeiten wie Roberto Carlos und Guus Hiddink in den Trainerstab.

Viel Geld, keine Ergebnisse

Doch welche Ergebnisse stehen seither zu Buche? Der letzte internationale Triumph einer russischen Mannschaft datiert von 2008, als Zenit die vorletzte Ausgabe des UEFA-Cups gewann – zu einer Zeit also, als die ganz großen Investitionen noch ausblieben und man mit einheimischen Stars wie Arschawin oder Pawljuschenko zum Erfolg kam.

Dieses Jahr hingegen gibt der russische Fußball auf der europäischen Bühne (wie bereits seit Jahren) erneut ein klägliches Bild ab. Meister Zenit kam trotz seiner Millionentruppe nur mit Müh und Not in seiner Champions League-Gruppe als schlechtester aller Gruppenzweiten weiter und hatte im Achtelfinal-Heimspiel gegen eine angeschlagene Borussia aus Dortmund keine Chance. Der vergleichsweise seriös wirtschaftende Armeeklub von ZSKA Moskau schied in der Bayern-Gruppe sang- und klanglos als Letzter aus – noch hinter eine Mannschaft wie Viktoria Pilsen.

Anschi: Ohne Stars im Europa-League-Achtelfinale

Erwies sich die Champions League als zu groß, war in der Vergangenheit meist der kleine europäische Wettbewerb, die Europa League, das erfolgreiche Pflaster für aufstrebende Vereine aus Russland. Doch auch dort kommen die russischen Vereine auf keinen grünen Zweig: Kuban Krasnodar scheiterte in der Gruppenphase und Ex-Meister Rubin Kasan ließ sich durch eine 0:2-Heimniederlage gegen den spanischen Tabellenletzten Real Betis aus dem Wettbewerb schmeißen.

Ironie der Geschichte: Rechnet man Zenit St. Petersburg im Rückspiel gegen Dortmund keine allzu großen Chancen aus, ist ausgerechnet Anschi Machatschkala der letzte international vertretene Klub der Premier Liga.

Dabei hatte der Verein aus der Teilrepublik Dagestan im August letzten Jahres durch eine drastische Etatsenkung des Milliardärs Kerimov in einem beispiellosen Ausverkauf alle seine Stars verkauft. So war man zumindest vom Spielermaterial her wieder auf altes Zweitliganiveau zurückgekehrt, steht folglich in der Liga auf dem letzten Tabellenplatz und hat im Abstiegskampf inzwischen andere Sorgen als ein Weiterkommen in der Europa League.

Lokomotive endlich eine Alternative?

Nicht nur der Tabellenletzte überrascht derzeit in Russland – auch den aktuellen Tabellenführer hätte man vor der Saison nicht ganz oben auf dem Favoritenzettel stehen gehabt. Ausgerechnet Lokomotive Moskau, das seit zwei Jahren nicht mehr international vertreten war und zuletzt 2004 in der Champions League spielte, grüßt noch vor Zenit vom Platz an der Sonne. Leistungsträger sind neben den im Sommer für 27 Millionen von Anschi geholten Lass Diarra und Mark Boussoufa insbesondere der Ex-Leverkusener Vedran Corluka und Torjäger Dame N’Doye.

Bezeichnend und vielleicht gar richtungsweisend könnte es sein, dass letzterer mit zehn Treffern in der ligainternen Torjägerliste hinter Artem Dzyuba steht. Mit zwölf Toren steht der Stürmer vom kleinen FC Rostow symbolisch dafür, dass der Erfolg in Russland ohne die große Geldschleuder womöglich größer wäre.

Schließlich hat es der designierte Meister Lok Anfang des Jahrtausends selbst bewiesen, als mit einheimischen Spielern wie Loskow, Izmailow oder Khokhlow Real Madrid (2:0 2001/2002) oder Inter (3:0 2003/2004) in der Königsklasse geschlagen wurden. Stattdessen befindet sich das Land im Zwiespalt zwischen Investitionsflut in St. Petersburg und finanziellem Rückzug in Machatschkala. Ob dieser Zwiespalt irgendwann zu einem gesunden Mittelweg ausgebaut werden kann und das Land endlich sein fußballerisches Potenzial ausschöpfen kann, steht derzeit nur in den Sternen.

Quelle: weltfussball.de

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