Russische Bergbaukonzerne investieren in Kohleveredelung

[Von Ullrich Umann Moskau-gtai] – Der russische Kohlebergbau ist 2015 in einer besseren finanziellen Situation. Durch die starke Rubelabwertung kann die Branche günstiger auf dem Weltmarkt anbieten. Investiert wird vorrangig in Brikettfabriken und Kokereien. Eine Ausnahme bildet der Tagebau Elginskij, wo Kapazitäten zugebaut werden. Bergbautechnik aus Deutschland wurde allerdings durch den Rubelverfall teurer. Deutsche Hersteller können nur noch mit technischen Alleinstellungsmerkmalen und Service punkten.

Für deutsche Hersteller von Bergbau- und Abräumtechnik wird es schwerer, Lieferaufträge in Russland zu erhalten. Die drastische Rubelabwertung Ende 2014 führte zum Anstieg der Preise auf Importtechnik. Dadurch hat sich der Abwärtstrend in den deutschen Lieferungen, der schon seit drei Jahren zu beobachten ist, verstetigt. Eine Trendwende ist angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation in Russland für deutsche Hersteller auch 2015 nicht in Sicht.

Aus preislichen Gründen steigen dagegen die Absatzchancen russischer und belarussischer Hersteller von Bergbautechnik sowie derjenigen ausländischen Hersteller, die in Russland über eigene Montagewerke verfügen. Die Fachmesse „MiningWorld Russia“, die im April 2014 in Moskau abgehalten wird, wird aus den genannten Gründen eine äußerst interessanteste Veranstaltung für den Industriezweig.

Kohleexporteure genießen erhebliche finanzielle Vorteile durch Rubelabwertung Dem russischen Kohlebergbau kam die Rubelabwertung sehr gelegen. Ein Vertreter des Mischkonzerns Mechel (Kohle, Eisenerz, Gusserzeugnisse und Stahl) bezeichnete sie sogar als Geschenk des Himmels, sind doch dadurch die Selbstkosten der Branche 2014 auf US-DollarBasis um 50% gesunken. Gleichzeitig stiegen die Einnahmen aus den Kohleexporten in Rubel um 30%. Nach einer Studie der Citibank fallen die Selbstkosten im Kohlebergbau derzeit nur noch in Indonesien günstiger aus. Analysten gehen davon aus, dass der Kostenvorteil aus der Rubelabwertung für russische Kohlekonzerne etwa ein Jahr lang anhalten wird. Dieses Zeitfenster sollten die Unternehmen nutzen, um die Selbstkosten auch auf Rubel-Basis zu senken, etwa durch Rationalisierungen und Modernisierungen. Vorrangig sollte die nachgelagerte Wertschöpfungskette ausgebaut werden. Dazu gehören Brikettfabriken und Kokereien.

Gesamtwirtschaftlich ist und bleibt der Kohlebergbau ein ernstzunehmender Faktor in Russland. Ein knappes Dutzend Konzerne fördern Kohle. Dazu gehören die OAO Sibirskaja Ugolnaja Energetitscheskaja Kompanija (OAO SUEK ), OAO UK Kusbassrazrezugol, OAO Mechel, OOO Evrazholding, ZAO HK Sibirski Delovoj Sojus (SDS Ugol), Holding Sibuglemet, ZAO UK Russki Ugol, OAO Severstal-Resurs, Gruppe En+ (Wostokosibugol, Bogatyr Ugol) und OAO Belon. Kuzbass setzt auf Kohleveredelung.

Im kohlereichen Kuzbass, wo aktuell 57% der landesweiten Förderung realisiert wird, sind eine Reihe von Gruben technisch veraltet. Dies verursacht hohe Kosten. Allein im Gebiet Kemerowo sollen aus diesem Grund bis 2018 acht Gruben geschlossen werden. Vorerst arbeiten im gesamten Kuzbass aber noch 63 Gruben.

Der Schwerpunkt der Investitionen liegt im Kuzbass eher auf Kohleveredelung. In den kommenden zehn Jahren sollen 20 Brikettfabriken und 13 Kokereien entstehen. Die Menge an veredelter Kohle würde dadurch von derzeit 200 Mio. auf 260 Mio. jato bis 2025 steigen.

Weltweit größter Kohletagebau entsteht in Elga

Der Mischkonzern Mechel mit Aktiva in Russland, Litauen, der Ukraine und den USA muss 2,5 Mrd. US$ in den Ausbau und die vollständige Fertigstellung des Kohletagebaus Elginskij (Standort: Elga) investieren. Im Ergebnis würde die Fördermenge von 1 Mio. jato (2014) über 11,7 Mio. (2017), 20,7 Mio. (2021) auf 29,7 Mio. jato (2023) steigen.

In Elga entstünde eine der größten Kohlegruben weltweit. Die nachgewiesenen Reserven liegen dort bei 2,2 Mrd. t. Die nahe gelegene Kokerei ist in der Lage, pro Jahr 2,7 Mio. t Kohle anzureichern. Zwei weitere Kokereien sollen perspektivisch hinzukommen. Für den Abtransport der Kohle hat der Konzern einen 321 km langen Schienenstrang Richtung Süden verlegt und damit einen Anschluss an die Baikal-Amur-Magistrale geschaffen. Kohle aus Elga kann damit wesentlich schneller in Häfen und zu Großabnehmern im Fernen Osten gelangen als konkurrierende Kohle aus dem Kuzbass oder der Republik Tywa.

Doch Mechel geriet 2014 in finanzielle Schieflage. Neben den gigantischen Ausgaben für die Erschließung des Vorkommens Elga trug eine Reihe von Firmenaufkäufen in der Stahl- und Eisenbranche zur Verschuldung bei. Der Schuldenstand gegenüber staatlichen, teilweise auch ausländischen Banken lag im Januar 2015 bei 6,44 Mrd. US$. Allerdings stand Mechel im Juni 2014 noch mit 8,6 Mrd. $ in der Kreide. Zwischenzeitlich wurde selbst ein Konkurs oder eine Verstaatlichung (im Gegenzug für staatliche Finanzhilfen) nicht ausgeschlossen.

Zur Linderung der Finanznot bei Mechel trug vor allem die Rubelabwertung bei, was zu einer Verdoppelung der Exporteinnahmen aus Kohle und Stahl auf Rubel-Basis führte. Der Konzern erreichte dadurch eine höhere Rentabilität im Kerngeschäft und ist in der Zwischenzeit sogar in der Lage, selbstbewusst mit seinen Gläubigern neue Varianten zur Schuldentilgung auszuhandeln.

Mechel stellte in der jüngsten Vergangenheit zwar auch Gesuche um Staatshilfen an die Regierung. Der zuständige Industrieminister Denis Manturow schloss Stützungszahlungen auch nicht völlig aus. Zudem wurde der Konzern in die Liste der systemrelevanten Unternehmen aufgenommen, denen in Krisenzeiten Staatshilfen zugesichert sind.

Russland wünscht sich Beteiligung Chinas an Kohleindustrie

Doch bevorzugt Minister Manturow vorerst eine andere Option. Die Regierung sucht aktiv nach finanzstarken Kooperationspartnern für Mechel im Ausland, insbesondere in der VR China. Bei Regierungskonsultationen wurde der chinesischen Seite eine Beteiligung von 25% an der Erschließung des Kohletagebaus Elga im Wert von 1 Mrd. $ angeboten.

Eine offizielle Antwort aus Peking steht dem Vernehmen nach noch aus. Aus strategischer Sicht gehörte diese Einladung aber zu den Gesten, dass es Russland mit einer engeren Zusammenarbeit mit China bei der Erschließung von Vorkommen an Rohstoffen und Energieträgern im Fernen Osten durchaus ernst meint.

Exportsteigerung stößt auf Transportprobleme

Die Ausfuhrmenge von Kohle kann seitens der russischen Bergbaukonzerne aber nicht endlos gesteigert werden. Es treten schlicht und einfach Kapazitätsengpässe im Abtransport auf. Insbesondere im Fernen Osten Russlands bleiben Schienenwege und Häfen vorerst nur unzulänglich ausgebaut. Daher empfehlen die Experten der Kohleindustrie, erst dann in die weitere Exportsteigerung zu investieren, wenn dafür Schiene und Häfen im notwendigen Maß vorhanden sind.

Als potenzieller Wachstumsmarkt für russische Kohle wird nicht nur die VR China betrachtet. Auch Korea (Rep.) und Japan stehen im Fokus. Zwar wird das Reich der Mitte Kohle in wachsenden Mengen aufnehmen können. Doch gibt es auch Bedenken gegen dieses Vorhaben: Zu den erwähnten Transportproblemen kommt hinzu, dass die VR China den Anteil von Kohle am Energiemix zugunsten von Erdgas senken möchte, allein schon aus ökologischen Gründen. Somit geraten Russlands Kohlekonzerne auf dem chinesischen Markt in direkten Wettbewerb zu den russischen Gaskonzernen Gazprom und Novatek. Derzeit verlegt Gazprom die Pipeline „Sila Sibirii“ nach China, die 2018 in Betrieb gehen soll. Der für den zusätzlichen Kohleexport nach China notwendige Ausbau der Schienenwege Baikal-Amur-Magistrale (BAM) und Transsibirische Eisenbahn wäre aber frühestens 2020 fertig. Somit gerät Kohle nicht nur wegen Umweltschutzaspekten, sondern auch aus zeitlichen Gründen ins Hintertreffen.

Ausbau der Kohleverstromung im eigenen Land

Alternative Abnehmer in Russland könnten künftig Kraftwerke in Sibirien und im Fernen Osten sein, die zurzeit modernisiert oder gebaut werden. Dazu gehören die Kraftwerke Sachalinskaja-2, Sowjetskaja Gawan und Blagoweschtschensk. Der dort generierte Strom könnte teilweise in die VR China geleitet werden, womit das Exportproblem der Kohleindustrie indirekt abgemildert wäre. Energieminister setzt auf staatliches und privates Engagement.

Auf einem Treffen zwischen dem Energieministerium in Moskau und Vertretern der Kohleindustrie teilte Energieminister Novak mit, dass sein Ressort die Kohlebranche in den derzeit wirtschaftlich schwierigen Zeiten unterstützen werde. Zumal am Fortbestand von Bergwerken das Schicksal ganzer Städte hängt. Regionale Schwerpunkte bleiben Jakutien, die Republik Tywa und Ostsibirien.

Als ersten Schritt ordnete Novak ein permanentes Finanzmonitoring der Kohlekonzerne an. Damit sollen hohe Verschuldungen künftig schon im Ansatz aufgedeckt und verhindert werden. Strategisch möchte das Ministerium das Fördervolumen in Russland von derzeit 357 Mio. jato bis 2030 auf 480 Mio. jato anheben. Dafür sollen Investitionen von 5 Billionen Rubel fließen, jedoch zu einem großen Teil auch aus privaten Quellen. Im Unterschied zur Öl- und Gasindustrie ist die Kohleindustrie weitgehend privatwirtschaftlich organisiert.

Importbeschränkungen bleiben in der Kohleindustrie wirkungslos

Bei Bergbautechnik will die Regierung die Abhängigkeit Russlands von Einfuhren weiter senken. Dazu dient unter anderem eine Verordnung vom Januar 2015, wonach das Ministerium für Industrie und Handel künftig Einfuhrgenehmigungen für Baumaschinen und Ausrüstungen zur Exploration von Rohstoffen bei öffentlichen Ausschreibungen verweigert. Dies geschieht allerdings nur bei öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen. Gleichzeitig muss es mindestens zwei Anbieter analoger Technik aus der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) geben, damit ein Importstopp aus Ländern außerhalb der EAWU überhaupt erlassen werden kann.

Öffentliche Beschaffungen gibt es jedoch in der Kohlebranche so gut wie keine, da die Eigentumsverhältnisse eindeutig im privatwirtschaftlichen Bereich liegen. Private Unternehmen sind in ihrer Lieferantenauswahl wiederum komplett frei. Doch sind zumindest freiwillige Selbstbeschränkungen der Kohleunternehmen bei Investitionsgüterimporten denkbar. Wenn zum Beispiel ein in Finanznot geratener Kohlekonzern öffentliche Zuschüsse oder zinssubventionierte Kredite vom Staat erhält, könnte ein gewisser politischer Druck auf den Verantwortlichen in den Unternehmen lasten und sie dazu verleiten, eben doch Technologielieferanten aus der EAWU den Vorzug zu geben.

 

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