Russen von Paralympics ausgeschlossen – „Mutige Entscheidung“ oder „Verbrechen“?

Das Internationale Paralympische Komitee (IPC) hat die gesamte russische Mannschaft von den Wettbewerben im September in Rio suspendiert. Dabei stützt es sich auf den von Richard McLaren erstellten Doping-Report des WADA-Komitees. Unter anderem sei massiver Dopingbetrug bei den Spielen 2014 in Sotschi aufgedeckt worden, erklärte IPC-Präsident Sir Philip Craven am Sonntag. Russland hat bereits beim Sportgerichtshof (CAS) eine Klage eingereicht. Russland.NEWS liefert an dieser Stelle einen Überblick über die Reaktionen auf die IPC-Entscheidung.

Mindestens elf der im McLaren-Bericht erwähnten Doping-Proben von russischen Behindertensportlern seien positiv gewesen und auf Anweisung des Sportministeriums in Moskau vernichtet worden, so Craven. 18 von 19 Sotschi-Proben wiesen „Manipulationsspuren“ auf. Man habe abgewogen zwischen „individueller Gerechtigkeit und kollektiver Verantwortung“, zitiert die FAZ den IPC-Chef. Und weiter: „Tragischerweise geht es in dieser Situation nicht um Athleten, die ein System betrogen haben, sondern um ein vom Staat betriebenes System, das die Athleten betrügt.“

Eine konsequente Ohrfeige

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) interpretiert den Beschluss als „paralympische Antwort“ auf die zuvor getroffene Entscheidung des IOC, Russland in Rio an den Start zu lassen. Das Blatt lässt Friedhelm Julius Beucher, den Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, zu Wort kommen. Für ihn ist das Verdikt „eine klare und unmissverständliche Botschaft und auch eine mutige Entscheidung“.

Der Spiegel“ frohlockt: „Bemerkenswert konsequent“ sei die Entscheidung des IPC und zudem „eine Ohrfeige für die Zeitspieler vom IOC“. Das deutsche Blatt hat offensichtlich Freude an Metaphern hinsichtlich der Kopfpartie, denn es legt noch nach und spricht von einem „Schlag ins Gesicht des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach“. Er gehörte nämlich zu denen, die den Komplettausschluss der Russen von den Sommerspielen in Rio verhindert hatte.

Niederträchtig und unmenschlich“

Die russischen Reaktionen auf das Teilnahmeverbot sehen naturgemäß ganz anders aus. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa schreibt am Montag in ihrem Twitter-Account, die Entscheidung sei „niederträchtig und unmenschlich“ und zudem ein Verrat an den Menschenrechten.

Sportminister Vitali Mutko kündigte sofort nach Bekanntgabe des IPC an, Russland werde beim CAS in Berufung gehen. „Wenn wir dort nichts erreichen, gehen wir vor ein Zivilgericht“, meldete TASS Sonntagabend.

Wladimir Lukin, der Leiter des Paralympischen Komitees Russlands, sagte gegenüber der Zeitung „Sport-Express“: „Menschlich gesehen grenzt diese Entscheidung an ein Verbrechen!“ Rechtlich sei sie „mehr als zweifelhaft“. Das IPC verhalte sich „inhuman und unmenschlich gegenüber Hunderten Paralympikern, die völlig sauber sind und keinerlei Doping-Machenschaften verdächtigt werden“. Es habe bisher keinerlei Beweise für ein staatliches Doping-Programm gegeben, in das Behindertensportler verwickelt wären.

Wir bereiten uns weiter vor“

Für Sportanwalt Artjom Pazew ist noch nicht aller Tage Abend. Es sei schwer einzuschätzen, wie das Urteil des Sportgerichthofs aussehen wird, aber: „Unsere Paralympiker haben ein gutes Zeitpolster, um die Entscheidung anzufechten.“

Maria Bogatschowa, Welt- und Europameisterin im Kugelstoßen und Speerwerfen, spricht die Meinung vieler betroffener Athleten aus: „Wir setzen unsere Vorbereitung fort.“

[sb/russland.NEWS]

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