Revolutionär und Diktator: Russische Eishockey-Trainerlegende Viktor Tichonow gestorben

In der Nacht auf Montag ist in Moskau der legendäre sowjetische/russische Eishockeytrainer Viktor Tichonow im Alter von 84 Jahren nach langer Krankheit verstorben. Sein Name steht für die Dominanz und Brillanz des sowjetischen Eishockeys in der Endzeit des Kalten Krieges. Er war berühmt für revolutionäre Neuerungen in dieser Eissportart und berüchtigt für sein diktatorisches Wesen. Sein Enkel setzt die Tradition fort – am Todestag seines Großvaters erzielte er ein Tor gegen dessen Heimatverein.

Unter Viktor Tichonow holte die sowjetische Nationalmannschaft zwischen 1978 und 1992 acht Weltmeistertitel und drei Goldmedaillen bei Olympischen Spielen. Mit ZSKA Moskau gewann er 13 Mal die sowjetische Meisterschaft. Tichonows „Rote Maschine“ dominierte das Welt-Eishockey im letzten Jahrzehnt des Kalten Krieges und war, neben Ballett und Weltraumerfolgen, das ultimative Aushängeschild der Sowjetunion in der Weltarena.

Tichonow, der sich fanatisch dem Eishockey verschrieben hatte und 24 Stunden am Tag an nichts anderes dachte, machte die Sbornaja zum Schrecken für alle Gegner. Seine revolutionärste Neuerung war sicher der Übergang zum Spiel mit vier statt drei Blöcken – dadurch, dass die Spieler kürzere Einsätze hatten, gewann das Eishockey an Tempo und Kraft. Heute ist ein Spiel mit drei Linien schier unvorstellbar.

Der Coach war beliebt, aber wurde auch gefürchtet. Er pochte auf absolute Disziplin und hundertfünfzigprozentigen Einsatz. Als in der Sowjetunion mit Perestroika und Glasnost ein frischerer Wind zu wehen begann, waren Konflikte mit den Spielern vorprogrammiert. Seine berühmten Zöglinge Wjatscheslaw Fetissow und Igor Larionow probten zeitweise den Aufstand und warfen Tichonow einen autoritären Führungsstil und Herrschsucht vor.

Erst im letzen Jahr hatte die Eishockey-Dynastie Tichonow einen schlimmen Verlust erlitten, als Viktor Tichonows Sohn Wassili, ebenfalls Trainer, bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Die Familientradition liegt nun in den Händen des Enkels. Der 26-jährige Viktor Tichonow Junior spielt bei SKA St. Petersburg. Am Todestag seines Großvaters versenkte er beim Spiel gegen dessen Heimatverein ZSKA Moskau einen Puck im Netz. Die Begegnung hatte mit einer Schweigeminute für den großen Trainer begonnen.

[sb/russland.RU]

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