Putins Tochter heiratet Prinz Harry – Rückkehr zur Monarchie?

Das Petersburger Stadtportal stellt sich vor, was wäre, wenn der englische Prinz Harry Putins Tochter Jekaterina heiraten würde. Oder anders gesagt: Ist in Russland eine Rückkehr zur Monarchie möglich?

„Prinz Harry, der jüngste Enkel von Königin Elisabeth II., heiratet Wladimir Putins Tochter Jekaterina Tichonowna, und da haben wir es – die Monarchie ist wiederhergestellt.

Im Jahr 2017 gibt es in 14 Ländern Asiens, zwölf Staaten Europas, in drei afrikanischen Ländern und in Ozeanien Könige und Kaiser. In den Medien tauchen regelmäßig Bemerkungen auf, in Russland sei die Monarchie nach wie vor nicht weit entfernt. Krim-Chef Sergej Aksjonow erklärte in diesem Frühjahr, Russland brauche eine „neue Regierungsform“. Die LDPR hat vorgeschlagen, die Hymne „Gott schütze den Zaren“ zurückzuholen. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte dem Regisseur Oliver Stone, dass die Monarchie die Geschichte Russlands ist.

Und nun tritt Metropolit Ilarion, die rechte Hand von Patriarch Kirill, am 1. Juni im Fernsehsender Rossija auf und spricht von den Vorteilen der Monarchie gegenüber anderen Regierungsformen. Der Wunsch der Kirche, darüber zu sprechen, wurde erhört (s. Fontanka Office) und fand die Unterstützung von Schriftstellern, Politologen, Historikern, Kulturologen und sogar der Leser.

„Womit erinnert unser Land nicht an eine Monarchie?“, antwortet der Historiker (…) Sergej Wiwatenko mit einer Frage. „Nennen kann es sich wie auch immer, aber eine parlamentarische Republik ist bei uns unmöglich. Sowieso hat nur ein Mensch die Rechte.“ „Wir leben heute im Modus einer Monarchie, weil der Präsident praktisch die Vollmachten der drei Gewalten in sich vereint und damit faktisch ein absoluter Herrscher ist“, stimmt ihm der Politologe Stanislaw Belkowski zu. „Unter Stalin hatten wir eine Republik“, fährt Sergej Wiwatenko fort. „So viele verschiedene Pluspunkte, aber das wurde alles nicht erfüllt. Die Menschen sind es gewohnt, dass ein Mensch regiert. Deshalb ist die Wiederherstellung der Monarchie wohl möglich. Ich denke, für unser Land ist die Idee der Monarchie vorteilhafter.“

„Es gibt sowieso keine andere Regierungsform“ – Anton Bakow, Leiter der Monarchistischen Partei Russlands und ehemaliger Duma-Abgeordneter vom Einigen Russland, ist noch geradliniger in seiner Meinung. „Das, was als „repräsentative Demokratie“ bezeichnet wird, ist ein trügerisches System, das kommt vom Teufel. Wenn sich alte, arme Omas versammeln, um junge, schöne und reiche Männer zu ihren Vertretern zu wählen – was ist das für eine Demokratie? Das ist Betrug. Die Kirche ist gegen Betrug. Dass die in Russland existierende Regierungsform im Widerspruch zum Christentum steht, ist eine allgemein bekannte Tatsache. Den ideologischen Konflikt zwischen Liberalismus und Christentum hat noch keiner aufgehoben.“ Nach Ansicht von Anton Bakow würde mit der Monarchie auch der Betrug verschwinden – man müsse nicht mehr mit den Wählern liebäugeln.

„Man braucht kein Geld für Wahlen auszugeben, der Nachfolger ist von vornherein bekannt; Leute, die für vier Jahre kommen, müssen nicht stehlen. Der Mensch weiß, was ihm gehört, und er ist ruhig. In Weißrussland nimmt Lukaschenkos Sohn Kolja Paraden ab, seit er vier ist“, zählt Sergej Wiwatenko die Vorteile auf

Wer hat die „Diskussion“ begonnen?

„Metropolit Ilarion, de facto der zweite Mann in der Russisch-orthodoxen Kirche, der nächste Vertraute von Patriarch Kirill“, erklärt Stanislaw Belkowski. „Obwohl er von Monarchie spricht, bedeutet das nicht, dass seine Äußerungen vollständig der offiziellen Position des Patriarchen entsprechen. So ist Ilarion ein bekennender Antistalinist, Kirill ist da zurückhaltender. Hauptsächlich, um das vielfältige Kirchenvolk nicht abzuschrecken. Obwohl ich nicht glaube, dass Ilarion irgendetwas sagen würde, dass den Boss starb verärgern könnte. Er kennt die Geisteshaltung des Patriarchen gut und gilt heute als wichtigster potentieller Nachfolger von Kirill Gundjajew auf dem Patriarchenthron; er wird nichts riskieren.“

Auch wird sich der Patriarch nach Meinung von Belkowski zu diesem Thema erst einmal nicht äußern. „Ich denke, dass er dafür Metropolit Ilarion vorgeschickt hat, um den Boden zu sondieren. Seine eigene Position wird er etwas später formulieren“, meint der Politologe.

Wofür braucht die Kirche jetzt den Monarchismus?

„Durchaus möglich, dass die Kirche innere Probleme hat und auf diese Weise Anhänger sucht. Sie haben beschlossen, der heutigen Staatsmacht eine Andeutung zu unterbreiten“, meint Sergej Wiwatenko. „Amüsant, besonders wenn das Repräsentanten der Russisch-orthodoxen Kirche betrifft“ – so bewertet Iwan Arzischewski, der Vertreter der Vereinigung des Romanow-Geschlechts in Russland, die Gespräche über die Rückkehr der Monarchie im Jahr 2017. „Weil sich die Kirche bereits 1917 praktisch als erste – noch vor der Erschießung des Zaren – von der Monarchie abgewandt hatte. Dafür gibt es untermauernde historische Fakten. Es gibt Dutzende Dokumente, die von Historikern der Russisch-orthodoxen Kirche sorgfältig zurückgehalten werden.“

„Die Kirche ist jetzt derart erstarkt, hat so viel Energie gesammelt und solche Wurzeln in der Politik geschlagen, dass sie sich entschlossen hat, damit an die Öffentlichkeit zu gehen“, meint indes der Schriftsteller Alexander Prochanow. „Mir scheint, die Kirche schaut in diesem Kontext mit riesigem Interesse auf Putin. Denn die Wiederherstellung der Monarchie in Russland erfordert komplizierte dynastische Bedingungen. Es ist wichtig, dass in unserer nächsten Monarchie die Rurikiden und die Romanows vertreten sind. Solch einen Menschen gibt es heute nicht in Russland. Aber meine monarchistischen Freunde bedienen sich der biblischen Formel „Wählt einen König aus eurem Volke“. Soll heißen: Eine Wahl aus dem Volk heraus ist möglich, aber auch das erfordert bestimmte Bedingungen. Der Zar muss ein Erwählter sein, aber das ist keine Frage eines Referendums, das muss ein von einem göttlichen Zeichen Auserwählter sein.“

Wer ist der Gesalbte?

Im Zusammenhang mit dem neuen Monarchen erinnert Alexander Prochanow an Putins Ansprache bei der Föderalen Versammlung, wo er sagte, mit der Rückkehr der Krim sei das sakrale Zentrum der russischen Staatlichkeit zurückgekehrt. „Er meinte die Taufe der Rus in Chersones“, erklärt Prochanow. „Und diese Ewige Lampe brennt wieder innerhalb des Staates. Und Putin selbst trägt den Nimbus der sakralen Verbindung. In gewissem Sinne ist er ein Gesalbter. Ihn hat nicht der Patriarch gesalbt, sondern die Geschichte. Dafür, dass er das Ewige Licht zurückgebracht hat, hat ihm der Herr diese Mission auferlegt. In irgendeinem Sinne, nicht direkt, natürlich. Er hat die Aussicht, im Purpurmantel in den Kreml zurückzukehren.“

Anton Bakow nimmt seinerseits an, dass Russland sowieso schon einen Monarchen hat, das sei Nikolai Kirillowitsch, der Thronfolger der Romanows, der Neffe von Maria Wladimirowna, die sich übrigens auch einmal als Kaiserin bezeichnet hatte. Sergej Wiwatenko ist der Ansicht, dass dieser Mensch kategorisch nicht auf dem russischen Thron sitzen dürfe. Doch die Entscheidung bezüglich der Rückkehr des Monarchen nach Hause, meint Bakow, der Leiter der Monarchistischen Partei Russlands, wird von nur wenigen Menschen getroffen werden, vor allem von Wladimir Putin und seinem Umfeld. „Wenn wir schon wieder alle Rentnerinnen fragen, werden sie sich schon wieder an Stalin erinnern und denken, was das für Folgen haben könnte“, erklärt Bakow. „Aber wenn die oberste Umgebung reif dafür ist, dann kommt die Monarchie nach Russland zurück.“

„Heute entfaltet sich die parlamentarische Demokratie im modernen Europa am Besten im Format der konstitutionellen Monarchie – von Schweden bis Spanien. Dieses Schicksal wünsche ich auch Russland“, präzisiert Stanislaw Belkowski und merkt an, er sei selbst Monarchist. „Die konstitutionelle Demokratie ist die einzige Alternative zur absoluten Monarchie. Sie vereint den Parlamentarismus und die Möglichkeit, die Exekutive mit einem Parlament mit einem schönen Ritual, das für den russischen Menschen sehr wichtig ist, und mit dem sakralen Status des ersten Mannes im Staate auszustatten.“

Belkowski sieht die Restauration der Monarchie ebenfalls durch Appellationen an das Haus Romanow. Dabei findet der Politologe einen Kompromiss. „Mein Kandidat für den russischen Thron ist Prinz Harry, der jüngste Bruder von Prinz William, der Sohn von Prinz Charles und der jüngste Enkel von Elisabeth II.“, führt er eine unerwartete Kandidatur an. „Um ihn mit dem heutigen Machtsystem Russlands zu verflechten, könnte man ihn mit Jekaterina Tichonows verheiraten, der Tochter des russischen Präsidenten. Das wäre dann die erste monarchische Allianz auf dem russischen Thron nach dem Abgang des absoluten Monarchen Wladimir Putin von der Bühne der Geschichte. Wir brauchen einen ausländischen Monarchen, der keinen Minderwertigkeitskomplex hat; das ist vom Standpunkt der Nationalpsychologie aus sehr wichtig.“

Alexander Prochanow merkt ebenfalls an, dass Putin Töchter hat, die den „Thron“ erben könnten. Er präzisiert aber, dass das alles noch sehr abstrakt sei.

„Kein vernünftiger Politiker würde auf den Status des Monarchen Anspruch erheben“, zeigt sich Erzpriester Georgi Mitrofanow, Professor der Sankt Petersburger Geistigen Akademie, überzeugt. „Jene Monarchie, die in Russland vor hundert Jahren existierte, ist nicht mehr wiederherzustellen. Quasimonarchistische Formen der Monarchie wie etwa die Stalin-Diktatur – ja, ich fürchte, solche Rückfälle sind möglich. Das wäre sehr unerwünscht. Und vernichtend für das Land.“

Und was ist mit dem Volk und seinem „Recht zu wählen“?

„Unsere russische Gesellschaft ist zu nichts bereit“, erklärt Alexander Prochanow kategorisch. „Weder zur Monarchie noch zu Sozialismus, Faschismus, Buddhismus oder dem „Kommen Mohammeds“. Unsere Gesellschaft ist ein Kissel. Putin hatte diesen Kissel am Anfang seiner Bemühungen ein wenig eingefroren und versucht, ihm eine Kristallform zu verleihen. Aber in den letzten Jahren ist er wieder geleeartig geworden und könnte sich in Gasform verwandeln und verflüchtigen. Es ist aber schlecht für die Gesellschaft, in ihrem Innern im Kissel-Zustand zu sein, und in gewissem Sinne ist die Gesellschaft dazu herangereift (zur Monarchie – Anm. d. Red.).“

Ein Jahr oder anderthalb Jahre Agitation, und die Russen werden zu überzeugten Monarchisten. Davon ist Stanislaw Belkowski überzeugt. Die Frage sei, zu was für welchen: absoluten oder konstitutionellen. „Das hängt davon ab, was für eine Botschaft sie von der jetzigen Staatsmacht bekommen“, sagt der Politologe. „Sollte Wladimir Putin zum Beispiel plötzlich eine Agitation zur Legalisierung der Gay-Ehe starten, wäre die Hälfte der Russen in ein paar Jahren bereits loyal gestimmt in dieser Frage. Die Monarchie ist doch keine so radikale Variante, wie die Gay-Ehe. In unserer Seele lebt die Monarchie historisch romantisch.“

Nach der Abstimmung in der offiziellen VK-Gruppe (Fontanka Office) zu schließen, ist schon heute jeder vierte Umfrageteilnehmer „nicht gegen eine Monarchie“. 73 Prozent wählten auf die Frage „Ist die Monarchie in Russland im 21. Jahrhundert real?“ die Variante „Nein. Man steigt nicht zweimal in denselben Fluss. Ich habe gelesen, wie das früher ausgegangen ist.“ Zwölf Prozent sind aktive Anhänger, die die Monarchie als „einzig mögliche Regierungsform“ bezeichnen. Weitere 15 Prozent sind bereit, „darüber nachzudenken, denn in der Welt sind heute Dutzende Monarchen an der Macht“.

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