Putins Mann: Phantom-Kandidat kommt bei Umfrage auf 18 Prozent

Der Präsidentschaftsbewerber Andrej Semjonow ist in Russland aus dem Stand deutlich beliebter als alle potentiellen Konkurrenten zusammen – nur weil Demoskopen behaupteten, Wladimir Putin unterstütze ihn. Dabei gibt es gar keinen Politiker dieses Namens.

Eine ungewöhnliche Umfrage des renommierten Demoskopie-Institutes Levada-Center wirft ein bezeichnendes Licht auf die politische Stimmung in Russland. Die Meinungsforscher erlaubten sich nämlich einmal, ihren Befragten einen dicken russischen Bären aufzubinden: Wie die Zeitung „Wedomosti“ berichtet, fragten sie im August, ernst wie immer, ob man davon gehört habe, dass „letzte Woche Wladimir Putin seine Unterstützung für die Kandidatur von Andrej Semjonow bei den nächsten Präsidentenwahlen 2018 ausgedrückt“ habe – und ob man bereit sei, für diesen Kandidaten zu votieren.

Der Witz dabei: Weder gibt es einen Andrej Semjonow im Dunstkreis der russischen Staatsmacht, noch hat Putin gesagt, er stehe hinter irgendjemandem. Mit größter Wahrscheinlichkeit wird er bei den Wahlen im nächsten Jahr auch wieder selbst antreten – definitiv zugesagt hat er das allerdings noch nicht.

Semjonow for President!

15 Prozent der Befragten gestanden ein, dass sie von der Kandidatur Semjonows zwar nichts gehört hätten – aber sie könnten sich vorstellen, diesem Bewerber ihre Stimme zu geben. Allein die Tatsache, dass Putin – angeblich – irgendeinen Unbekannten zu seinem Wunschnachfolger erklärt habe, ist also für jeden achten Russen hinreichend, um diesem das Geschick des Landes unbesehen in die Hände zu legen.

Zu diesen Putin-Getreuen kommen noch von jenen drei Prozent hinzu, die nicht nur erklärten, für Semjonow stimmen zu wollen, sondern auch noch beteuerten, mitbekommen zu haben, dass Putin ihn nominiert habe.

Weitere acht Prozent erklärten, sie hätten zwar von Putins Unterstützung für den fiktiven Politiker mit dem russischen Allerweltsnamen gehört, möchten diesen aber nicht wählen.

Jeder neunte erinnert sich an nie Gesagtes

Elf Prozent der Befragten wollten sich also offenbar gegenüber den Meinungsforschern nicht die Blöße geben, dass sie über einen derart wichtigen politischen Vorgang nicht informiert waren. Dies zeigt recht eindrucksvoll, wie mit Suggestivfragen messbare Meinungen und Überzeugungen erzielt werden können, über die sich die Befragten noch Sekunden vorher überhaupt nicht im Klaren waren – Hauptsache, sie erscheinen ihnen in diesem Moment wichtig und richtig.

Putin bekäme bei Wahl jetzt mindestens 60 Prozent

Bei der von Levada parallel gestellten seriösen „Sonntagsfrage“ zur Präsidentenwahl erklärten 48 Prozent aller Befragten und 60 Prozent derjenigen, die entschlossen sind, zur nächsten Wahl zu gehen, dass sie für Wladimir Putin votieren würden. Der Rückhalt Putins beim russischen Wahlvolk ist also nach wie vor äußerst solide – und wäre jetzt auch ohne jede Manipulationen und Wahlwerbung ausreichend für einen eindeutigen Sieg im ersten Wahlgang.

30 Prozent der zum Wahlgang Entschlossenen gaben an, sich noch nicht entschieden zu haben. Die anderen genannten potentiellen Bewerber erzielten allesamt Resultate im Bereich des statistischen Messfehlers: Die zum Teil schon seit den 1990er Jahren stoisch immer wieder antretenden Parteichefs Gennadi Sjuganow von den Kommunisten kommen auf drei, der rechtspopulistische Wladimir Schirinowski von der LDPR auf zwei und Grigori Jawlinski von der liberalen Partei Jabloko auf einen Prozent.

Verteidigungsminister Sergej Schoigu, dem gegenwärtig noch die besten Chancen eingeräumt werden, eines Tages einmal Putins „offizieller“ Nachfolger zu werden, bekam ebenfalls ein Prozent. Und Alexej Nawalny, Russlands schärfster und aktivster Putin-Opponent fand in der Umfrage zwei Prozent Gefolgsleute.

Der Kreml kann mit den Prozenten spielen  

Putins Pressesprecher Dmitri Peskow zeigte sich von dem Ergebnis des Demoskopie-Experiments sichtlich gebauchpinselt: Es beweise ungeachtet aller Unsicherheiten soziologischer Forschungen vor allem das „dominierende Vertrauen in den Staatschef und seine Personalpolitik“, sagte er laut TASS.

Für die Politstrategen des Kremls ist das Ergebnis der Fangfrage sicher von hohem Interesse: Zeigt es doch das hohe Ausgangsniveau, von dem jeder von Putin selbst auf den Schild gehobene Nachfolger oder Interims-Staatschef in den Wahlkampf starten könnte. Als 2008 Putin nach zwei Amtszeiten in Folge nicht mehr antreten durfte, strahlte sein hohes Rating ja auch prompt auf den bis dato eher wenig beliebten offiziellen Kreml-Bewerber Dmitri Medwedew ab – der dann mit 70 Prozent einen eindeutigen Wahlsieg errang.

[ld/russland.NEWS]

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