Pressekonferenz von Chodorkowski – mit Fremdschämen

In der Vorbereitung zur Pressekonferenz von Michail Chodorkowski, die ab 13 Uhr Ortszeit im Berliner Mauermuseum stattfinden sollte, konnte man sich schon einmal im sonntäglichen Presseklub warmlaufen.

Ina Ruck, die Leiterin des Moskauer ARD-Studios, stilisierte Chodorkowski als Dissidenten hoch und stellte ihn damit auf eine Stufe wie Andrei Dmitrijewitsch Sacharow. Nicht so gesellschaftlich verändernd wie Sacharow, aber Dissident findet sie schon richtig.

Was sollte danach noch kommen, der Vergleich mit Mandela oder gleich – weil es sich zwei Tage vor Weihnachten doch anbietet – mit dem Erlöser? Es kam schon fast dem Letzteren gleich als man die ersten Blicke der Pressekonferenz erhaschen konnte.

Nichts gegen die Hysterie der Fotografen, die sind immer so drauf im Kampf um das beste Bild. Auch zu entschuldigen, dass die Leiterin des Mauermuseums, Alexandra Hildebrandt, fast schon mit Tränen erstickender Stimme sprach.

Schlimm wurde es erst, als die anwesenden Journalisten schon fast Speichel leckend und kaum das Wasser haltend ihre Fragen stellten. Immer in der Hoffnung etwas gegen Putin oder wenigstens boulevardmäßiges zu erhaschen. Fremdschämen war angesagt ob der unprofessionellen Fragerei der fragenden Journalisten. Ob die nicht Fragenden bessere Fragen hatten wird uns leider verschlossen bleiben. Kritische Fragen an Chodorkowski zu seiner Vergangenheit waren anscheinend ein no go.

Gerettet hat ausgerechnet Chodorkowski die Pressekonferenz, der es professionell vermied in irgendein Fettnäpfchen zu treten, unnötige Hasstiraden gegen Putin loszutreten oder sich sonst wie zu profilieren.

Bildberichterstatter und Kameraleute drängen sich vor dem Beginn einer Pressekonferenz von Michail Chodorkowski, die im Mauermuseum in Berlin stattfindet.

Der Moderator und die Sicherheitskräfte des Museums brauchten mindestens 30 Minuten, um den Durchgang im Saal für die Pressekonferenz freizumachen. Im Museum versammelten sich mindestens 100 Medienvertreter.

Chodorkowski dankt Merkel

Michail Chodorkowski dankte in seiner Eingangsrede Medienvertretern, seinen Mitkämpfern und Geschäftspartnern, dem ehemaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

„Ich danke sehr Angela Merkel, über deren Rolle ich schon hier, in der Freiheit, erfahren habe“, sagte Chodorkowski.

„Geschäft, das keine soziale Verantwortung spürt, hat kein Recht auf Existenz“

Das Geschäft, das keine soziale Verantwortung spürt, hat kein Recht auf Existenz in der modernen Gesellschaft, sagte Michail Chodorkowski, als er auf die Frage über mögliche „linke Biegung“ in Russland antwortete.

„Was eine „linke Biegung“ und die Privatisierung angeht, glaube ich, dass privates Geschäft immer effizienter als staatliches Geschäft ist“, sagte er.

„Aber in der modernen Gesellschaft, hat das Geschäft, das keine soziale Verantwortung spürt, kein Recht auf Existenz. Das ist auch wahr“, fügte Chodorkowski hinzu.

Janukowitsch soll sich an Putin ein Beispiel nehmen

Michail Chodorkowski hat den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch aufgerufen, die ehemalige Premierministerin Julia Timoschenko freizulassen.

Er äußerte die Hoffnung, dass sich der ukrainische Präsident in dieser Frage an Wladimir Putin ein Beispiel nehmen wird.

 „Kampf um die Macht ist nicht meine Sache“

Chodorkowski will nicht ins Geschäft zurückkehren, weil er glaubt, im Laufe seiner Geschäftskarriere alles erreicht zu haben, was er erreichen wollte. Außerdem sagte er, dass er glücklicherweise finanziell in der Lage ist, nicht mehr für seinen Broterwerb arbeiten zu müssen.

Er bestätigte erneut, dass er sich mit Politik nicht beschäftigen will. „Der Kampf um die Macht ist nicht meine Sache“, sagte Chodorkowski und fügte hinzu, dass er sich sozial engagieren möchte.

Chodorkowski ruft auf, Olympiade in Sotschi nicht zu politisieren

Michail Chodorkowski hat in seiner Pressekonferenz in Berlin aufgerufen, die Olympiade in Sotschi nicht zu politisieren.

„Das ist ein Fest des Sportes, ein Fest für Millionen Menschen und man müsste es nicht verderben. Millionen Menschen ein Fest zu verderben, wäre meiner Meinung nach falsch“, sagte Chodorkowski, als er Fragen von Journalisten beantwortete.

Chodorkowski will russische Opposition nicht finanzieren

Michail Chodorkowski will einer Tätigkeit nachgehen, die auf die Freilassung politischer Häftlinge in Russland ausgerichtet ist. Dies sagte er in einem engen Kreis von Journalisten, die ihn unterstützten.

„Ich werde nicht Politik treiben, um um die Macht zu kämpfen. Ich werde einer Tätigkeit nachgehen, die insbesondere auf die Freilassung politischer Häftlinge ausgerichtet ist“, sagte Chodorkowski. Dies bezog er ausdrücklich nicht nur auf Russland sondern auf die Welt.

Michail Chodorkowski sagte auch, dass er die russische Opposition nicht finanzieren will.

„Das wäre in erster Linie für die Opposition gefährlich“, erklärte er.

Gunnar Jütte mit Material von der Stimme Russlands

 

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