Ostukraine: Oligarch vs. Separatisten [mit Video]

Die südostukrainischen Separatisten haben einen neu aktiven und sehr mächtigen Gegner: Rinat Achmetow –  einen Oligarchen und den mächtigsten Industriellen des Donbass. Heute organisierte er gegen die Separatisten gerichtete Kundgebungen, Kurzstreiks und ein Hupkonzert.

  • Aufgrund der sehr verzerrten Darstellung der heutigen Aktionen gerade in deutschen Mainstream-Medien haben wir uns wieder bemüht, ausschließlich anhand ukrainischer Quellen zu ermitteln, was heute dort geschehen ist; wichtige Quellenartikel sind verlinkt; als einzige nichtukrainische Quelle dient die Tagesschau

Die übrigen ukrainischen Oligarchen hatten sich bereits zum Zeitpunkt des Euromaidan-Umsturzes auf dessen Seite geschlagen und bekleiden heute mächtige Posten als Gouverneur oder Präsidentschaftskandidaten. Achmetow, der viele Jahre Janukowitsch unterstützt hatte, hielt sich zunächst bedeckt und trat sogar einmal vor mehreren Wochen in Donezk als Vermittler auf. Doch das hat sich geändert  – und auch Achmetow wird jetzt massiv gegen die separatistische Volksrepublik Donbass aktiv. „Er hat erkannt, dass die Donbass-Republik sein Geschäft gefährdet“ zitiert die Kiewer Onlinezeitung Politnavigator den russischen Außenhandels-Experten Modest Kohler in einem Artikel. Im Falle einer dauerhaften Abspaltung ohne Anerkennung im Westen ist sein Großkonzern ernsthaft in Gefahr und in der Führung dieses isolierten Staates würde er keine Rolle spielen.

High Noon – Achmetow offensiv, Tagesschau sekundiert

Heute um genau 12 Uhr schritt Achmetow deshalb zur Aktion und startete im Donbass Kundgebungen, einen kurzen Warnstreik und ein Hupkonzert gegen die Donbass-Volksrepublik. Das deutsche Presseorgan der Euromaidan-Regierung, die Tagesschau, war des Lobes voll. Unter der Überschrift „Ukrainer setzen Zeichen gegen die Separatisten“ schreibt sie davon dass „Zehntausende“ im Donbass dem „überraschenden Aufruf (…) zum Widerstand gegen die prorussischen Separatisten“ folgen.

Anderes Bild in ostukrainischen Medien

Vor Ort freilich schauen die Meldungen – wie so oft – etwas anders aus. So fanden sich am Kundgebungsplatz des Stadions in Donezk gerade einmal 400 Leute ein (Fotos). Wie viele Leute sich an einem Hupkonzert beteiligen, ist schwerer zu schätzen und hier gibt es  von örtlichen Journalisten keine verlässlichen Angaben. Aber einen Amateurfilm, den wir nicht vorenthalten wollen und bei dem wirklich viele Leute hupen (auch wenn wir  – anders als hochqualifizierte Tagesschau-Mitarbeiter – hundert Hupen nicht von zehntausend Hupen unterscheiden können):

http://www.youtube.com/watch?v=sgY0BW8n2Hw

Bei den Streiks wird die Beteiligung in der Tat groß gewesen sein, da der größte örtliche Arbeitgeber selbst dazu aufrief, nicht zu arbeiten. In Mariupol sei das Echo auf die Aktion, die mit viel wirtschaftlicher Macht angeleiert wurde, nicht so groß wie erwartet gewesen. Viele Firmen hätten sich geweigert sich zu beteiligen, der geplante Start der Aktion, ein Hupen zahlreicher Fabriksirenen sei deshalb ausgefallen, schreibt unter anderen die Charkower Onlinezeitung Nahnews. Fabrikarbeiter seien von ihren Arbeitgebern, die häufig von Achmetow abhängen, zu den Kundgebungen laut örtlicher Meldungen geschickt worden – wie die Onlinezeitung Politnavigator aus Kiew berichtet, die ansonsten kein Freund der separatistischen Bewegung im Donbass ist.

Mariupol spielt für Achmetow eine besondere Rolle, da er hier quasi eine Art örtliche „Waffenruhe“ zwischen Armee und dortigen Separatisten ausgehandelt hatte, nachdem bei einer dortigen Militäraktion viele Menschen zu Tode gekommen waren. Zeitungen, die dem Euromaidan wohlwollend gegenüber stehen, wie die Mariupolnews, berichten natürlich ausführlich über die Aktionen und anhand ihrer Fotos lässt sich gut abschätzen, wie viele Menschen teil nahmen und ob sie direkt von ihrer Arbeit geschickt wurden. Die Onlinemedien, die dem Euromaidan kritischer gegenüber stehen, wie Mariupolskaja Schisn, schreiben zum heutigen Geschehn eher empörte Kommentare, dass man sich auch von dessen Geld nicht für den Euromaidan kaufen lasse. Achmetowks als „Friedensaktion“ geschilderter Coup sei nur antiseparatistischer Aktionismus angesichts der Tatsache, dass Achmetow erkannt habe, dass die Ostukraine nicht nur durch die Militäraktion zu halten sei.

Scharfe Reaktion von Krim und Antimaidan

Scharfe Reaktionen auf Achmetows Aktion gab es vor allem auf der Krim und von der Führung der „Volksrepublik Donezk“.  Leonid Gratsch, vormaliger Sprecher des Krim-Parlaments bezeichnet den Oligarchen als von den US-Amerikanern gesteuert. Beobachter rechnen damit, dass es auf der Krim zu Requirierungen von Achmetow-Vermögen kommen könnte. Denis Puschilin, ein Führer der Separatisten kündigte an, dass im „Staat“ des Donbass Achmetows Vermögen verstaatlicht werden soll und weitere Verhandlungen mit ihm ausgeschlossen sind. Keinerlei Echo hinterließ Achmetows Aktion in Slawjansk, wo es „nur“ eine Demonstration örtlicher Frauen gab – gegen die Militäraktion der ukrainischen Armee. Ebenso war es in Kramatorsk, wo die Aktion der örtlichen Onlinezeitung kramatorsk.info gar keine Meldung wert war – vor Ort war wohl nichts.  In die Rebellenhochburgen scheint auch der oligarchische Arm nicht zu reichen.

Der Kampf der separatistischen Underdogs gegen den Finanzmagnaten hat also begonnen, die Fronten sind geklärt. Mit Achmetow hat die Oligarchenfront, die den Euromaidan stützt, auf jeden Fall einen wichtigen Trumpf in der Hand – den mächtigsten Industriellen im Kernland der russischsprachigen Ukraine. Hinter wem die Bevölkerung tatsächlich steht – darüber gehen die Meinungen freilich zwischen den Medien je nach Interessenlage auseinander. Vielleicht gibt es dieselbe Bevölkerung ja zweimal.

Foto: Wikimedia Commons

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