Ostukraine: „Euromaidaner“ schalten auf stur [mit Videos]

Aus der Ostukraine wurden auch gestern mehrere prorussische, aber friedliche Demonstrationen und Mahnwachen gemeldet, wie hier in Charkow, der größten dortigen Stadt, wo sich auch der Regionalsender atn.ua mit dem Thema beschäftigt hat.

  • Hinweis: Dieser Artikel beruht ausschließlich auf Recherchen in zahlreichen Onlinezeitungen in der Süd- und Ostukraine selbst, die dort bereits vor Beginn der aktuellen Ereignisse aktiv waren, um ein möglichst genaues Bild der Stimmung vor Ort zu geben, umabhängig von westlicher oder russischer Propaganda

Der Sender zitiert im Begleitartikel junge Demonstranten, die nicht unbedingt auf einer Änderung der Zugehörigkeit Charkows zur Ukraine bestehen wollen. Sie verlangen jedoch mehr Autonomie der russischsprachigen Gebiete und wollen sich mit ihrer Teilnahme an der Demo dagegen aussprechen, dass die neue von Westukrainern dominierte Regierung einen Keil zwischen sie und dem direkt benachbarten Russland treibt.

Während es also bei der prorussischen Seite Gesprächsbereitschaft gibt, schalten die häufig neuen Inhaber der Hebel an der Macht auf stur. Viele der leitenden Funktionäre der Ostukraine wurden in den letzten Tagen gegen Euromaidan-treue Politiker ausgetauscht, die als gemeinsame Mission den russischsprachigen Teil des Landes mit hartern Hand an die Westukraine binden sollen. Gesprächsbereitschaft mit prorussischen Vertretern ist dabei offenbar nicht vorgesehen. In Charkow lehnt die Gebietsregierung Gespräche laut örtlichen Pressemeldungen ab und versuchte auch, Gerüchte über die Nichtzahlung von Renten und Pensionen in diesem Monat per Pressestatement zu zerstreuen, um die Situation zu beruhigen.

Die Demonstranten wehren sich laut der örtlichen Onlinezeitung ATN auch gegen den Vorwurf, sie wären von Agitatoren aus Russland selbst unterwandert und legen Wert darauf, dass sie vor Ort ihren freien Willen als russischsprachige Einheimische kund tun. In Charkow hatte es Schlagzeilen gegeben, dass zu einer früheren prorussischen Demo provozierende Demonstranten per Bus aus Russland angereist seien. Die Sachlage blieb ungeklärt, wobei jedoch unzweifelhaft ist, dass die friedlichen Teilnehmer der damaligen Demonstration komplett aus Charkow und Umgebung stammen und nur die Herkunft einer Minderheit von Gewalttätern gegen Euromaidan-Vertreter ungeklärt ist.

In Donezk gab es nach gestrigen weiteren prorussischen Demonstrationen Gerüchte um eine Verhaftung des Führers der prorussischen Fraktion Paul Gubarew. Dieser soll sich jedoch gemäß einer Meldung der dortigen Online-News „Nowosti Donbassa“ noch auf freiem Fuß befinden, rechnet jedoch wirklich mit einer Inhaftierung, da die örtliche Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen der zweimaligen zeitweiligen Besetzung der Gebietsverwaltung durch prorussische Demonstranten ermittelt. Bei ihm befinden sich mehrere Journalisten, um eine eventuelle Verhaftung zu dokumentieren. Von der gestrigen weitere prorussischen Demo kursieren im Internet zahlreiche Amateurvideos:

In Odessa wurde eine für heute eigentlich anberaumte Sondersitzung des Gebietsparlaments, wo es unter anderem um die Zukunft der Region in oder außerhab der Ukraine gehen sollte, wieder abgesagt. Eine solche Sitzung war prorussischen Demonstranten vor einigen Tagen auf deren Druck widerwillig zugesagt worden. Damals hatte sich der Zorn der prorussischen Fraktion daran entzündet, dass das Gebietsparlament ein Referendum über eine Unabhängigkeit der Region Odessa mehrheitlich abgelehnt hatte. Im Parlament sitzen noch zahlreiche Abgeordnete von Janukowitschs „Partei der Regionen“, die, ebenso wie die Euromaidan-Befürworter, eine Abspaltung russischsprachiger Gebiete verhindern wollen. Bei den Demonstrationen danach war es fast zu einer bewaffneten Konfrontation zwischen prorussischen Demonstranten und radikalen Euromaidan-Anhängern des neonazistischen „Rechten Sektors“ (vor Ort „Euromaidaner“ genannt) gekommen.

Auch für heute haben die Euromaidaner für den Fall von Beratungen über die Zukunft der Region in der Ukraine heftige Proteste angekündigt. So sieht es aktuell danach aus, dass von Seiten der prorussischen Fraktion auch in dieser Stadt Gesprächsbedarf besteht, die Offiziellen und Nationalisten jedoch jedes Gespräch unterbinden wollen. Hier besteht natürlich die Gefahr der Aufstauung weiter Aggressionen, die sich dann beim nächsten Anlass entzünden. In Odessa ist die Lage besonders prekär, da die Stadt noch im mehrheitlich russischsprachigen Gebiet, jedoch unweit der national gesinnten Westkraine liegt.

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