Neues Altes vom Lexikus-Verlag – Russisches Leben – 20. Einige Züge aus dem Leben Iwan des Schrecklichen

Neues Altes vom Lexikus-Verlag – Russisches Leben – 20. Einige Züge aus dem Leben Iwan des Schrecklichen

Aus: Russisches Leben in geschichtlicher, kirchlicher, gesellschaftlicher und staatlicher Beziehung. Nebst Reisebildern aus Russland während des ersten Erscheinens der Cholera.

Autor: Simon, Johann Philipp (?-?),

Erscheinungsjahr: 1855

Themenbereiche Mittelalter  Mecklenburg-Vorpommern  Reformationszeit  Biographie  Russland Enthaltene Themen: Russland, Russen, Deutschland, Deutsche, Mecklenburg, Hansezeit, Hanse, Hansa, Iwan der Schreckliche, Iwan IV. Wassiliewitsch, erster Zar von Russland,

Karamsin, ein gelehrter Russe, schrieb auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers Alexander seine berühmte russische Geschichte. Alle Mittel, die sich bieten ließen, standen ihm dabei zu Gebote. Er war auch ein eben so freisinniger als religiöser Mann.

„Aber, Kaiserliche Majestät“, sagte er einmal zu Alexander, „die Geschichte ist keine Lobrede.“ – „Da hast du ganz recht, mein lieber Nikolai Michailowitsch“, antwortete Alexander lächelnd, „denn sie darf keine, noch kann sie eine Lobrede sein!“ –

Karamsin rügt in seiner Geschichte das schändliche Treiben des Großfürsten Johann Kalita, gegen den armen Fürsten von Twer, indem er sagt: „Er zeigte zwar seinen Nachkommen den Weg zur Alleinherrschaft Russlands und seiner Größe, aber er war schuld an dem schauderhaften Tode des unglücklichen Fürsten. Ob er, denn er starb plötzlich als Mönch, den Mord an Alexander bereut hat, wissen wir nicht.“ Dann fährt er fort. „Die Gesetze der Moral und Tugend müssen den Fürsten heilig sein, denn sie sind die Grundlage der wahren Politik. Das Tribunal der Geschichte, das einzige, dem die Fürsten nächst dem Himmlischen unterworfen sind, entschuldigt auch das glücklichste Verbrechen nicht: denn vom Menschen hängt nur die Tat ab, nicht die Folgen, die von Gott kommen.“ Das Gemälde, welches Karamsin von Johann dem Schrecklichen entwirft, ist Schauder erregend. Der berühmte russische Historiograph konnte hier nicht anders schreiben, als er eben schrieb, denn da er sonst alles Andere mit einer für den Leser peinlichen Genauigkeit und Breite vortrug, würde ein Werk lückenhaft erscheinen; und wollte er, dem Auslande gegenüber, denn die Taten dieses Zaren sind historisch erwiesen, kein parteiischer Geschichtsschreiber sein, so musste er auch Alles in den Konturen dieses Gemäldes so scharf bilden. Der Gegenstand hätte eine noch schärfere Zeichnung ertragen können. Wie schrecklich dieser Mensch gehaust und welche Eigenschaften er gehabt haben muss, beweist schon ein Beinamen, den ihm die Russen gaben, nämlich: grósnüj, welches im Deutschen streng, hart, scharf, schrecklich, furchtbar, trotzig bedeutet. Wir würden das Gefühl der meisten unserer Leser allzu sehr beleidigen, wenn wir ihnen die Grausamkeiten dieses Menschen, und gäben wir sie auch mit den gelindesten Farben, vortragen würden. Nur einige Züge aus seinem Leben, die wir dem Karamsin entlehnt, wollen wir nach unserer Art zu erzählen, hier mitteilen, weil sie scharf bezeichnend sind für Vieles, das den meisten unserer Leser nicht recht begreiflich ist und, ohne dieselben auch durch eine ausführliche Beschreibung, nicht leicht begreiflich gemacht werden kann.

Wir haben jenes Krieges ohne Blutvergießen, in Folge dessen Russland frei wurde von dem schmählichen Joche der Zwingherrschaft, Erwähnung getan, aber wir unterließen dabei zu bemerken, dass Johann III. auch schon früher die Tataren in manchen blutigen Schlachten besiegte, wodurch er eben so kühn wurde, dem Groß-Chan Huldigung und Tribut zu verweigern. Er schlug auch die Litauer und eroberte mehrere Gebiete wieder, welche diese seinen Vorfahren entrissen hatten. Dass er überhaupt große Taten getan haben musste, beweisen eine Beinamen, die man ihm gab, nämlich: der Siegreiche, der Stolze, der Große. Als er Schwiegersohn des byzantinischen Kaisers Emanuel wurde, dessen Tochter Helene er heiratete, hatte er sogar gerechte Hoffnungen, auf den griechischen Kaiserthron zu gelangen. Dieses Alles machte ihn aber auch über die Maßen stolz. Er gab sich die Titel: Zar und Selbstherrscher aller Reußen, nahm das kaiserliche Wappen, den zweiköpfigen Adler an und erhob die Unteilbarkeit des Landes zum Reichsgesetze. Hochmütig und zornig, wie er von Natur war, beherrschte er nunmehr sein durch die langjährige Mongolenherrschaft ohnehin an Knechtschaft gewohntes Volk mit der rohesten Willkür.

Wie er mit den höchsten Würdenträgern seines Reiches verfuhr, das sahen wir schon auf Seite 37. Er ließ sich wie einen Gott verehren und seine Höflinge, früher Souveräne, und deren Söhne sanken vor ihm in den Staub. Jeder dieser niedrigen Seelen trachtete, mit Hintansetzung aller menschlichen Würde, nach seiner Gnade; sie hassten und verleumdeten sich einander, um in des Zaren Gunst der Größte zu werden. Diese Elenden, die sich früher als regierende Herren in Zwistigkeiten, Bruderkriegen und in der Verwüstung des eigenen Vaterlandes so wohl gefielen, setzten jetzt, als untertänige Knechte Johanns, ihre Rangstreitigkeiten an dessen Hofe fort und übten sich in der Hinterlist, Verleumdung und in den abscheulichsten Ränken. Wer in diesem erbärmlichen Treiben den Sieg davon trug, hatte die Gnade, dem Zaren die Hand zu küssen, wer unterlag, wurde gefoltert, geblendet, verbannt! Wie es mit der Sitte und Gerechtigkeit Johanns III. beschaffen war, sahen wir schon an dem Tode jener unglücklichen Ärzte. Diese grässliche Bojarenwirtschaft fand auch am Hofe Wassilij Wassilijowitschs, des Nachfolgers Johanns, Statt. Zar Wassilij brachte die zwei letzten Teilfürstentümer, Rjäsan und Sewerien, wie auch den Freistaat Pskow, welche sein Vorfahre ich nicht unterworfen hatte, unter seine Herrschaft.

Mit Neid und Verdruss hatten die Höflinge seit lange auf die Herren jener zwei Gebiete gesehen, die sich noch als Souveräne zu behaupten gewusst hatten. Beide wurden der Verräterei beschuldigt und jämmerlich umgebracht. Zar Wassilij ließ sich nach einer zwanzigjährigen Ehe von seiner Gemahlin scheiden und heiratete eine Litauerin, Helene mit Namen, aus dem Geschlechte der Glinsky, die sich in der russischen Geschichte sehr berüchtigt gemacht hat. Ein paar Jahr nach dieser ehelichen Verbindung reiste der Zar mit seiner Gemahlin nach den verschiedenen Wallfahrtsorten, nach Perjeslawl, Rostow, Jaroslaw, Wologda und bis an den weißen See. Helene wallfahrte auch allein und der frömmsten Pilgerin gleich, zu Fuße nach andern heiligen Stätten, gab reichlich Almosen, ließ Gebete halten, tat Gelübde usw., damit Gott sie Mutterfreuden erleben lassen möchte. Endlich schien ihr Gebet erhört worden zu sein, denn der Himmel schenkte ihr im Jahre 1530 am 25. August Abends 7 Uhr einen Sohn. Das verursachte einen Jubel in der Zarenstadt, eine allgemeine Freude im ganzen Lande, als ob der zweite Weltheiland geboren worden sei. Der Zar Wassilij ließ, im Übermaße seines Glückes, die Gefängnisse öffnen und schenkte Allen, die darin geschmachtet hatten, den Schuldigen und Unschuldigen, die Freiheit; er überschüttete alle Kirchen mit reichen Geschenken, füllte die Armenkassen mit Geld an und tat dgl. m.

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Russisches-Leben–20-Einige-Zuege-aus-dem-Leben-Iwan-des-Schrecklichen

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