Neues Altes vom Lexikus-Verlag – Russische Köpfe

Kerenski – Plechanow Martow – Tschernow – Sawinkow-Ropschin – Lenin – Trotzki – Radek – Lunatscharsky – Dzerschinsky – Tschitscherin – Sinowjew – Kamenew

Autor: Blum, Oskar (1886 – †unbekannt) (eigentlich: Nikolai Rachmetow), russischer Schriftsteller, Philosoph,, Erscheinungsjahr: 1923

Jedes Vorwort ist immer eine Nachrede. So habe ich denn den folgenden Blättern nur eine kurze Bemerkung auf den Weg mitzugeben. Die russische Revolution ist sicherlich das großartigste Ereignis unseres Zeitalters. Und eben darum hat jedermann das Recht, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Sie greift in unser aller Leben ein — und so möge jeder Zusehen, wie, auf welche Weise er mit ihr fertig wird, damit sein Leben nicht in Trümmer gehe.

Meine Auseinandersetzung mit der russischen Revolution wird die berufsmäßigen Politiker kaum befriedigen. Sie wird es weder dem einen Lager, noch dem anderen recht gemacht haben. Die gegenwärtigen Machthaber, die bereits ein sehr aus geprägtes Gefühl für Majestätsbeleidigungen ihr eigen nennen, werden ebenso gekränkt und empört sein, wie die abgewirtschafteten Größen von gestern. Aber wenn es etwas gibt, was mich die russische Revolution gering zu schätzen gelehrt hat, so sind es berufsmäßige Politiker! Wahrlich, ich hätte diese Blätter niemals niedergeschrieben, wenn ich mir nicht ein anderes Publikum vorgestellt hätte, dem die Wahrheit zumindest ein ebenso lieber Freund ist, wie Plato. — (Mehr sollte man ja billiger Weise in Ansehung einer Revolution nicht verlangen!)

Die russische Revolution ist — vielleicht in noch größerem Maße wie jede andere — ein kulturphilosophisches Problem weit eher als eine einfache Machtverschiebung oder Klassenumwälzung. Sie in dieser ihrer Eigenschaft erfassen, heißt erst ihrem vollen Umfang gerecht werden. Blinde und Charlatane spielen nunmehr mit ihrem Tand — und wer selbst nicht ein Spielzeug in Händen dieser Blinden und Charlatane werden will, der sorge dafür, dass er das wahre Wesen — das Geheimnis, wie Ludwig Feuerbach sagen würde, — der Revolution beizeiten erkenne! Verstehen lerne, dass hinter ihren staatlichen Einrichtungen, volkswirtschaftlichen Programmen, klassenpolitischen Zielen allgemeine Gesetze der Epoche, ihres Geistes lebenswirken, auf die es ankommt!

Dass die Revolution den ureigentlichen Zustand und Stand unserer Kultur offenbart hat! Dass in ihrem Menschenmaterial die verborgensten Quellen der Weltgeschichte plötzlich wahrnehmbar wurden! Ich habe in dem vorliegenden Band die Menschen darzustellen versucht, die die Revolution „gemacht“ haben — die die Revolution gemacht hat. So wie ich sie sehe — und so, — dessen bin ich überzeugt, — wie sie ohne Schminke und Perücke sind.

Der nachfolgende — zweite — Band wird den Volksmassen gewidmet sein, die die Revolution durchgemacht haben. Mögen dann andere den objektiven Sachverhalt in ihre Geschichtsbücher und Nachschlagewerke aufnehmen. Ich glaube nicht, dass das Verständnis der Revolution sich auf einem anderen Wege wird gewinnen lassen können, als auf demjenigen, der auf diesen Blättern gangbar gemacht wird. Und wenn man dann am Ende ist, wird man, glaube ich, die Worte wiederholen können, die Thomas Carlyle in Ansehung der französischen Revolution gesprochen hat ( — und er war vielleicht der einzige, der sie richtig erkannte, obschon gleich andere sie besser — d. h. genauer, ausführlicher — zu beschreiben wussten): „Wir begrüßen die französische Revolution, wie Schiffbrüchige den unwirtlichsten Felsen begrüßen würden — inmitten einer Welt, die sonst nichts dem Auge darbietet als Meer und Wellen ohne Ende, wo immer man hinblickt“. Stuttgart, am Ostersonntag 1923 Oscar Blum

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Russische-Koepfe-Kerenski–Plechanow-Martow–Tschernow–Sawinkow-Ropschin–Lenin–Trotzki–Radek

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