Neues Altes vom Lexikus-Verlag – Deutsch-russische Wechselwirkungen oder die Deutschen in Russland und die Russen in Deutschland

Autor: Stricker, Wilhelm (1816-1891) deutscher Arzt, Historiker und Publizist, Erscheinungsjahr: 1849

„Wann in der Tat hat sich denn Deutschland über uns zu beklagen gehabt?“

„Wann haben wir Pläne gegen seine Unabhängigkeit geschmiedet?“

„Wann haben wir es nur mit einer Invasion bedroht?“

„Welchen Teil seines Gebiets haben wir genommen oder begehrt?“

„Während der Zeit, als auf dem Kontinent die unterdrückende Herrschaft eines Eroberers dauerte, hat Russland sein Blut vergossen, um Deutschland in der Erhaltung seiner Integrität und Unabhängigkeit zu unterstützen.

Das russische Gebiet war längst befreit, als Russland noch fortfuhr, seinen deutschen Verbündeten auf alle Schlachtfelder Europas zu folgen und ihnen beizustehen. Noch jüngst, im Jahre 1846, als es einen Augenblick schien, dass der Krieg am Rhein ausbrechen wolle, hatten wir ihm unsre moralische*) und militärische Macht zur Verfügung gestellt. Während jenes langen, 33järigen Friedens, dessen Wohltaten wegzuleugnen der auflegende Geist der heutigen Generation so gern geneigt ist, haben wir uns unablässig angelegen sein lassen, Eintracht und Einheit in Deutschland zu empfehlen und zu erhalten — freilich nicht jene materielle Einheit, von welcher heute eine nivellierungs- und vergrößerungssüchtige Demokratie träumt, sondern die moralische*) Einheit, die aufrichtige Übereinstimmung der Ansichten und Absichten aller politischen Fragen, „welche der deutsche Bund nach außen zu verhandeln hatte.

Diese Einheit zu erhalten, die Bande, welche die deutschen Regierungen mit einander verbinden, enger zu schließen, nur das ist es, was unsre Politik erstrebte, weil wir den europäischen Frieden wollten und weil in unsern Augen die sicherste Bürgschaft dieses Friedens stets in strenger Verbündung aller Regierungen geruht hat, welche den deutschen Bund bilden.“

*) Ich sing‘ ihr ein moralisch Lied, Um sie gewisser zu betören.        Faust.

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Deutsch-russische-Wechselwirkungen

COMMENTS