Moskauer Patriarch und römischer Papst treffen sich bei sozialistischem Castro auf Kuba

Noch nie hat es ein Treffen zwischen einem römisch-katholischen Papst und einem russisch-orthodoxen Patriarchen gegeben.

„Der Heilige Stuhl und das Patriarchat von Moskau freuen sich, mitteilen zu dürfen, dass durch die Gnade Gottes seine Heiligkeit Papst Franziskus und seine Heiligkeit Patriarch Kyrill von Moskau und der ganzen Rus am 12. Februar als nächstes treffen.“ 

Nach fast 1000jährigem Schweigen hatten sich 1964 ein Papst und ein griechisch-orthodoxer Patriarch getroffen – Papst Paul VI. und Patriarch von Konstantinopel Athenagoras I. –, doch nie trafen ein römisch-katholischer Papst und ein russisch-orthodoxer Patriarch von Moskau zusammen.

Der »Patriarch von Moskau und der ganzen Rus«, wie sein offizieller Titel lautet, ist das Oberhaupt von 150 Millionen Gläubigen und der römische Papst das religiöse Oberhaupt von einer Milliarde Menschen.

Patriarch Kyrill unternimmt vom 11. bis 22. Februar eine Südamerikareise nach Paraguay, Chile, Brasilien und Kuba. Papst Franziskus fliegt am 12. Februar nach Mexiko und macht einen Zwischenstopp auf dem Flughafen in Kubas Hauptstadt Havanna. In präsidialen Räumen des Flughafens werden beide mehrere Stunden miteinander sprechen und eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen.

Aus orthodoxen Kreisen verlautete, dass die Wahl Havannas als Treffpunkt nicht nur den zeitlichen Gegebenheiten geschuldet sei, sondern dass bewusst ein Ort in Lateinamerika gewählt wurde, denn Europa sei die Heimat des Atheismus geworden. Außerdem wurde betont, dass man sich auf sozialistischem Boden treffe.

Patriarch Kyrill folgt einer Einladung des Präsidenten des Staatsrates und Präsidenten des Ministerrates Kubas Raul Castro. Sie kennen sich noch aus der Zeit, als der Patriarch Metropolit für Außenbeziehungen war.

Das Treffen zwischen den Oberhäuptern der römisch-katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche ist besonders wichtig vor dem Hintergrund der schärfer werdenden internationalen Spannungen, sagte Kardinal Walter Kasper, emeritierter Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

„Es ist sehr wichtig, dass dieses Treffen stattfindet, jetzt, wo es so viele Probleme in der Welt gibt. Viel wird bei der Lösung internationaler Probleme in der Zukunft von der Zusammenarbeit zwischen den beiden Kirchen abhängen“, sagte er.

Der Kardinal meint, es sei jedoch noch zu früh, um über einen möglichen Besuch von Papst Franziskus in Russland zu sprechen. „Dies ist ein wichtiger Schritt, aber wir müssen auch einen wichtigen Weg für die Annäherung zwischen den beiden Kirchen finden“, sagte Kardinal Kasper.

Ein großer Stolperstein für Gespräche über ein engeres Zusammengehen sind die sogenannten Unierten in der Ukraine. Sie feiern die Liturgie orthodox, erkennen aber den Papst als Oberhaupt an.
Der Besuch von Johannes Paul II. in Lwiw (Lemberg) in der Westukraine 2001 schloss die Wiedergeburt dieser Kirche ab, die zu sowjetischen Zeiten nur im Untergrund existieren konnte.
Auch die Errichtung von vier katholischen Diözesen mit ausgeprägtem missionarischem Charakter in Russland 2002 wird vom Moskauer Patriarchat als Affront gewertet, denn man ist der Meinung, dass es bei Christen von Christen nichts zu missionieren geben kann.

Das Treffen zwischen dem Patriarchen von Moskau und ganz Russland Kyrill I. und dem Papst von Rom Franziskus I. in Havanna am 12. Februar wird ein historisches Ereignis werden, so Dr. Christopher Bennitto, ein Kirchenhistoriker der Kean University in New Jersey.

„Ein Treffen in 1000 Jahren, das kann man historisch nennen“, sagte er und lobte Franziskus als eine Person,  die „so mutig ist, sich von der Geschichte keine Handschellen anlegen zu lassen. Wie Johannes Paul II, hat Franziskus keine Angst hat, Geschichte zu schreiben.“

„Das Treffen auf neutralem Boden in Kuba ist eine Meisterleistung der Unterhändler“, sagte er und verglich das bevorstehende Ereignis mit dem Treffen zwischen Papst Paul VI und dem Patriarchen von Konstantinopel Athenagoras I. in Jerusalem im Jahr 1964. Nach diesem Treffen hoben die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche die gegenseitigen Bannflüche aus dem Jahr 1054 auf, die die strenge Spaltung in römisch-katholisch und griechisch-orthodox bewirkt hatten.

Es geht bei diesem Treffen nicht um die Diskussion theologischer Grundsatzfragen. „die Lage im Nahen Osten, in Nord- und Zentralafrika und in anderen Gegenden erfordert Sofortmaßnahmen und eine engere Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen“ so der Vorsitzender der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats Metropolit Hilarion. „In der aktuellen tragischen Situation ist es notwendig, abseits interner Meinungsverschiedenheiten, die Bemühungen zu vereinen, die in verschiedenen Regionen auf das Grausamste bedrohte Christenheit zu retten.“

Die Kriege im Nahen Osten, die auch religiös motiviert sind und in denen zielgerichtet auch Christen verfolgt und ermordet werden, haben das Denken pragmatischer werden lassen – in Syrien und im Irak gehen die alten christlichen Gemeinden unter und im wachsenden islamischen Fundamentalismus sind die Christen in Ägypten gefährdet, ebenso in Nigeria und anderen Staaten Afrikas. Es spielt in dieser Situation keine Rolle mehr, zu welchem Zweig des Christentums man gehört.

Die Gemeinschaft der christlichen Kirchen, die Ökumene, ist für Papst Franziskus ein zentrales Anliegen. „Wir sind eins, im Geiste und auch im Blut“, lautet das Credo des argentinischen Papstes.

Nachdem die berüchtigte Trennung der Christenheit im Jahr 1054 geschehen war, hatte auch der Dialog geendet und es fanden keine Treffen und gemeinsame Konzile mehr statt. „Aber heute ist es nötig, sich zu versammeln, um Fleisch- und Kartoffelthemen zu diskutieren, so ein orthodoxer Erzpriester und Rektor der Kirche der Protecting Veil von der Gottesmutter. „Als orthodoxer Gläubiger, heiße ich keine katholische Lehre willkommen, die uns in unserer Religion stört, aber wenn Sie mich zu gemeinsamer Arbeit befragen, bin ich total von ihrer Notwendigkeit überzeugt, weil wir alle Christen sind.“

Der Dominikanerpater Dietmar, designierter Direktor des Ostkircheninstituts des Bistums Regensburg, erläutert auf katholischer Seite. „Die Situation ist nicht unähnlich der vor dem II. Vatikanischen Konzil: es gibt bei einigen Ängste vor Veränderung, es gibt bei vielen Mut, sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen und es gibt bei allen das gläubige Vertrauen in das Wirken des Hl. Geistes, der Wege weist und die Kirche belebt. Das anstehende Gespräch von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill scheint in diesem Kontext wie eine Einladung an die Gläubigen beider Kirchen, daran Anteil zu nehmen.“

Ein Blick zurück

Um das Ereignis „Papst trifft Patriarchen“ verstehen und gewichten zu können, muss man einen Blick zurück in die erwähnten 1000 Jahre werfen.

Im Jahr 988 lässt Großfürst Wladimir I. sich und sein Volk nach byzantinischem Ritus taufen und heiratet die Tochter des Kaisers von Byzanz. Die „Heilige Rus“ entsteht.
Die durch ihren Großfürsten auf recht drastische Art „missionierten“ Russen gehörten dem Patriarchat von Konstantinopel an.

Damals war die christliche Welt in fünf Patriarchate aufgeteilt, die im Kern des Glaubens einig waren, aber nach verschiedenen Riten Gottesdienst feierten: das Patriarchat des Abendlandes mit Zentrum Rom, die lateinisch katholische Kirche mit dem Papst als Oberhaupt, Patriarchat von Konstantinopel, orthodoxe Kirche, Patriarchat von Alexandrien, Koptische und äthiopische Kirche, Patriarchat von Antiochien, armenische und syrische Kirche von Antiochien und das Patriarchat Jerusalem. „Ehrenvorsitzender“ aller Patriarchate war der Papst in Rom. Ihre kirchliche Rechtsprechung und Meinungsunterschiede wurden in Konzilen geklärt und beschlossen. Sie waren die eine christliche Gemeinschaft.

Darüber hinaus waren die Patriarchate – in ihrer Gesamtheit: die Kirche – auch eine weltliche Macht wie alle anderen Herrscher auch, teilweise sogar mächtiger, weil sie es verstanden, ihre Machtansprüche mit geistlichem Inhalt zu untermauern.

So kam es Anfang des 11. Jahrhunderts zu einem vordergründig theologischen Streit, bei dem es in Wirklichkeit um Macht ging: Der Papst von Rom wollte nichtmehr länger nur Primus inter pares (Erster unter Gleichen), sondern Primus sein, was dem (griechisch-)orthodoxen Patriarchen wenig gefiel.
Man war in der Wahl der Waffen nicht zimperlich und griff zur schärfsten: Man exkommunizierte sich gegenseitig, soll heißen, man warf den anderen aus der Kirche. Da sie aber beide Patriarchen, sprich Oberhäupter der Kirche waren, passierte gar nichts weiter, als dass die Beziehung schlechter wurde, weil es den anderen als gleichberechtigten Gesprächspartner ja nicht mehr gab. Das war im Jahr 1054.

Und so blieb es – die vordergründig theologischen Streitpunkte hatten ja weiter Bestand – bis zum Jahr 1965, als Papst Paul VI und der Patriarch von Konstantinopel Athenagoras I am Ende des 2. Vatikanischen Konzils die Exkommunikationen gegenseitig aufhoben und „aus dem Gedächtnis strichen.“

Aber eigentlich ist dieser Akt vollkommen überflüssig gewesen – sozusagen auf Auge. Denn es hatten sich damals nicht die Kirchen gegenseitig exkommuniziert, sondern die Oberhäupter der Kirchen als Personen und eine Exkommunikation über den Tod hinaus ist sowohl nach kirchlichem als auch juristischem Verständnis schlecht möglich.

Doch zurück in die 1000 Jahre:
Mit den theologischen Streitpunkten hätte man ja vielleicht leben können, aber es ging auch in der Folgezeit um Macht.
Zu dieser Zeit waren auch muslimische Truppen dabei, ihren Machtbereich zu vergrößern, das Patriarchat Jerusalem hatten sie schon eingenommen. Papst Urban II rief auf Bitten des Kaisers von Konstantinopel zum Kreuzzug auf, um Jerusalem zu befreien. In der Folgezeit gab es derer vier.
Beim letzten von 1202 bis 1204 sollte es eigentlich mit venezianischen Schiffen nach Ägypten gehen. Die Venezianer änderten kurz entschlossen das Ziel und zogen gegen ihren Handelsrivalen Konstantinopel. Die Kreuzfahrer eroberten die Stadt und plünderten, raubten und massakrierten drei Tage lang. Viele Gebäude wurden bis auf die Grundmauern niedergebrannt darunter die Kaiserliche Bibliothek mit ihren unersetzlichen Schätzen u. a. mit der gesamten antiken griechischen Literatur. In der Hagia Sophia setzten sie eine Prostituierte auf den Patriarchenstuhl. Konstantinopel erlitt das gleiche Schicksal wie Jerusalem im ersten Kreuzzug. Rest-Byzanz wurde zu einem Lateinischen Kaiserreich. Diese Schmach durch ihre christlichen Brüder hat die Orthodoxie nie verwunden. Die Trennung zwischen der Orthodoxie und der römisch-katholischen Kirche war damit fast endgültig.

1453 kam das letzte Kapitel im Kampf Rom gegen Konstantinopel: Die osmanischen Türken standen vor der Tür, der Kaiser von Konstantinopel, der auf dringend benötigte Militärhilfe aus dem Westen gegen die Übermacht der osmanischen Türken hoffte, stimmte in seiner Verzweiflung sogar einer Union der griechisch-orthodoxen mit der römisch-katholischen Kirche zu. Der Patriarch von Konstantinopel musste sich dem päpstlichen Primatsanspruch unterwerfen. Doch die Militärhilfe blieb aus. Nach der Einnahme Konstantinopels durch die Türken 1453 wurde die Union auch offiziell wieder aufgehoben. In der Orthodoxie wird der Fall Konstantinopels als Strafe Gottes für den Abfall von der „Rechtgläubigkeit“ gesehen.
Das Byzantinische Reich war zu Ende, die griechische Orthodoxie ohne jegliche Machtmittel.

Wie schon erwähnt waren die Russen im Jahr 988 auf eine typisch russische Weise christianisiert worden.

1156 setzte der Großfürst von Kiew und Gründer Moskaus Jurij Dolgorukij (* 1090 † 1157) einen Griechen als Metropoliten in Kiew ein. Die griechische Orthodoxie war jetzt endgültig in der Rus etabliert. Alle Großfürsten und Zaren ab diesem Zeitpunkt werden als „rechtgläubig“ bezeichnet.

Schon bald, 1223, begann das „Dunkle Zeitalter“ in Russland. Die tatarisch-mongolischen Reiterheere stießen über die Steppen am Schwarzen Meer nach Norden vor und schlugen das Heer der Rus vernichtend, zogen sich aber wieder zurück. 1227 setzen sich die Mongolen unter Batu († 1255), dem Enkel Dschingis Khans, an der unteren Wolga fest. 1238 zogen sie nach Norden und zerstörten alle Städte u. a. Rjasan, Wladimir, Moskau (nur Nowgorod blieb verschont). 1240 wird Kiew zerstört, die Heilige Rus schein schon zu Ende zu sein. Die einzelnen Fürstentümer leben auf. Die Herrschaft der Mongolen dauerte in Russland bis 1380.

1448, fünf Jahre bevor das byzantinische Reich zu Ende war, wählte die Synode der russischen Bischöfe ohne voriges Einverständnis des Patriarchen von Konstantinopel Bischof Iona von Rjasan zum „Metropoliten von Kiew und der ganzen Rus“, was faktische die Trennung von der byzantinischen Mutterkirche bedeutete.

Jetzt nach dem Untergang von Byzanz beginnt der Aufstieg von Moskau als Beschützer der orthodox-christlichen Welt.

1510 schreibt Starez Filofej an einen hochgestellten Beamten Wassilis III.: „Denn zwei Rome sind gefallen, und das dritte steht. Ein viertes wird es aber nicht geben.“
Soll heißen, das alte Reich (West)Rom ist endgültig untergegangen (und von dem nichtlateinischen Karl dem Großen übernommen worden), Konstantinopel, das (Ost)Rom ist untergegangen, jetzt hat Moskau, die Aufgabe Rom für die Christenheit zu sein, für alle Zukunft übernommen.
Hier beginnt die Argumentation, dass Moskau der Nachfolger Konstantinopels ist, das seinerseits als Vertreter der „Rechtgläubigkeit“ das häretische Rom abgelöst hatte.

1590 bestätigt eine ökumenische Synode in Konstantinopel unter Beteiligung aller Patriarchen der Ostkirche (Rom war schon ausgeschlossen) die Errichtung eines neuen Patriarchats in Moskau und wies ihm – nach Jerusalem – den fünften Rang zu. Die Freude währte nur gute 100 Jahre, bis 1700 Patriarch Adrian I. von Moskau starb, Peter der Große den Patriarchenstuhl unbesetzt ließ und 1721 das Patriarchat abschaffte – er konnte das, denn der Hl. Synod (Gemeinschaft der Bischofe) hatte 1666/67 den Zaren als obersten Herrscher auch über die Kirche anerkannt. Peter der Große setzte als Ersatz den Heiligen Synod ein, eine beamtete Verwaltung, an dessen Spitze der Kaiser selbst stand.

Erst 1917, nach dem bolschewistischen Putsch, genannt Oktoberrevolution, wurde das Patriarchat – paradoxerweise von den Kommunisten – wieder eingeführt, hatte jedoch keine Bedeutung. Erst nach dem Ende der Sowjetunion gewann die russische Orthodoxie unerwartet große Bedeutung und das Patriarchat von Moskau und der ganzen Rus spielt heute in der Weltchristenheit eine bedeutende Rolle und sieht sich als Gralshüter christlicher Werte, die der westlichen Welt fast vollkommen abhandengekommen seien.

Der rationalen Art und Weise zu glauben in der westlichen Welt steht heute mit der russischen Orthodoxie ein emotionales Sich-in-den-Glauben-fallen-lassen, ein Urvertrauen in Gott gegenüber.

Es bleibt zu hoffen, dass mit Papst und Patriarch ein neues Kapitel gelebten Glaubens beginnt und dass sie kraft ihrer Persönlichkeit und der daraus resultierenden Macht ein Umdenken bewirken.
(Hanns-Martin Wietek/russland.ru)

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