Moskauer kämpfen um ihre Platte – Navalny kämpft mit

Es regt sich Widerstand gegen den geplanten Abriss Moskauer Plattenbausiedlungen. Während dem Bürgermeister zusammen mit dem Stadtarchitekten ein zeitgenössisches Stadtbild vorschwebt, bangen die Bewohner um ihren vergleichsweise günstigen Wohnraum. Nun prallen die Fronten aufeinander.

Auch wenn sie nicht unbedingt hübsch anzusehen sind, die in der Nachkriegszeit gebauten Plattenbauten erfüllen auch heute noch ihren Zweck. Gebaut weil der Wohnraum nach dem Krieg knapp war, bezogen weil die Wohnungen günstig waren und es immer noch sind. Nicht wenige sind inzwischen in privates Wohneigentum übergegangen. Die Bewohner dieser, nach ihrem Initiator „Chruschtschowkas“ genannten, Wohneinheiten hängen an ihnen.

Den Abrissplänen der Stadtverwaltung von nahezu 5.000 dieser ‚Serienimmobilien‘ stehen sie skeptisch gegenüber. Die einen befürchten eine ‚Zwangsumsiedlung‘ an den äußersten Stadtrand Moskaus, die anderen die Enteignung durch Immobilienspekulanten. Die Stadt Moskau hingegen argumentiert mit größeren, komfortableren Wohnungen. Zudem würde dadurch die Moskauer Bauwirtschaft angekurbelt. Immerhin ist das Programm etliche Milliarden schwer. 57 Milliarden Euro sind vorerst veranschlagt worden.

Korruption wird befürchtet, Mauscheleien unterstellt. Deshalb gingen jüngst die Menschen auf die Straße. Wie viel genau das weiß man nicht so recht. 30.000 Demonstrierende zählen die Veranstalter, eine unabhängige Organisation spricht von 20.000 und nach den Angaben der Polizei seien es nicht mehr als 5.000 Demonstranten gewesen. Wie so üblich, dürfte die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen. Aber es waren nicht nur die Betroffenen die demonstrierten. Etliche, die befürchten schon bald das gleiche Schicksal teilen zu müssen, schlossen sich ihnen an. Und wenn schon mal was los ist, darf natürlich einer nicht fehlen – Alexej Nawalny.

Der, wie könnte es anders sein, ließ sich einmal mehr von den Sicherheitskräften abführen und sonnte sich in den ihm dargebrachten „Wir sind bei dir“-Rufen. Doch eigentlich ging es den Demonstranten um etwas anderes. „Hände weg von unseren Häusern!“ stand auf den Plakaten. Zwei Monate haben sie noch Zeit, um freiwillig ihre Sachen zu packen. Danach würden sie „deportiert“, wie eine Rentnerin sagt.

„Geschäftemacherei“ vermutet ein weiterer Demonstrant gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, denn viele der alten Häuser stünden auf den wertvollsten Grundstücken der Stadt. Seit über 40 Jahren lebt er mit seiner Frau in einem 1963 errichteten Plattenbau. „Natürlich hätten wir gern eine bessere Wohnung, eine größere Küche“, meint der aufgebrachte Bürger, findet den geplanten Abriss jedoch völlig unnötig. „In Ostdeutschland hat man doch gezeigt, wie man Plattenbauten sanieren kann.“

Noch sei die gesetzliche Lage in dieser Angelegenheit ungeklärt, heißt es. Noch hofft man auf Seiten der Protestierenden darauf, dass der Beschluss zurückgenommen werde. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin hingegen will seine Stadt säubern, ordentlich machen um jeden Preis. Schließlich steht nächstes Jahr im Herbst die Bürgermeisterwahl ins Haus. Dass ausgerechnet jetzt so viele Leute wegen seines Prestigeobjekts ihren Unmut bekunden, dürfte Sobjanin schwer aufstoßen.

[mb/russland.NEWS]

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