Minsk schlemmt nun wie Gott in Frankreich

Minsk – Weißrussland weiß aus den gegenseitigen Sanktionen des Westens und Russlands das Beste zu machen. Profitabler könnte der Deal nicht sein, die win-win Situation ist perfekt. Belarus beliefert Russland mit seinen Erzeugnissen und die EU verschachert ihre Produkte ihrerseits nun in das zumeist gescholtene osteuropäische Land zwischen Litauen und der Russischen Föderation.

Während ein Rentner beklagt, dass seine favorisierte Milchsorte aus den Regalen Weißrusslands verschwunden sei, hat sich der Universitätsdozent Alexander mit der neuen Situation im heimischen Lebensmittelsektor prächtig arrangiert. Er schmiere sich halt jetzt jeden Morgen Mascarpone auf sein Frühstücksbrot, meint er verschmitzt. Auslöser dieser skurrilen Werteverschiebung in den Geschäften des GUS-Staates sind die Sanktionen, die sich die Europäische Union und Russland als trotziges Gebaren auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Wer bei diesem Kasperltheater den Kürzeren zieht wird sich noch zeigen. Vorerst sitzen die Russen wohl am längeren Hebel. Hier setzt man seit neuestem wieder verstärkt auf einheimische Erzeugnisse und in Lizenz hergestellte Lebensmittel sind von vornherein schon einmal von den Sanktionen ausgenommen. Zudem lässt sich jederzeit auf die Produkte der benachbarten Länder der GUS zurückgreifen. Die West- und Mitteleuropäischen Lebensmittel Exporteure bleiben indes auf ihrer Ware sitzen und suchen jetzt händeringend nach neuen Absatzmärkten.

Somit hält die EU die vermeintlich schlechteren Karten in der Hand. Des einen Freud, des anderen Leid möchte man sagen. Denn mittlerweile profitiert Weißrussland von den gegenseitigen Embargos, indem es seine eigenen Erzeugnisse nach Russland verkauft und sich im direkten Gegenzug die Geschäfte mit europäischen Delikatessen füllen. Und das zu inzwischen recht moderaten Preisen. Während Minsk das Volkswohl ankurbelt schaut die EU dabei ziemlich dumm aus der Wäsche und Brüssel wird mit 165 Millionen Euro Hilfe gerade stehen müssen.

Des einen Freud, des anderen Leid…

Umgerechnet weniger als zwei Euro bezahlt man in einem Minsker Supermarkt für eine Packung italienisches Gebäck. Vor den Sanktionen hätte man in einem elitären Feinkostladen, weil woanders nicht erhältlich, das drei- bis vierfache dafür berappen müssen. Die Maßnahmen lassen die Preise purzeln. Man dankt Wladimir Putin angesichts der gut gefüllten und sortierten Supermarktregale. Die Weißrussen wissen die Angebote durchaus zu schätzen. Schweizer Schokolade, Konfekt aus Belgien importiert, Brie und Camembert aus Frankreich, Parmesan und Parmaschinken aus Italien.

Inzwischen wird schon gemunkelt, Weißrussland könnte Lieferungen aus der EU illegal an Russland weiterleiten. Nur, wer will sich wirklich ereifern, wenn europäisches Fleisch in weißrussischen Betrieben weiterverarbeitet wird, um dann als weißrussische Wurstwaren oder Konserven auf dem russischen Markt zu landen? Das ist eine übliche und weitverbreitete Praxis – quasi „business as usual“. Brüssel hingegen ist „not amused“, ja gar erzürnt über dieses Eigentor. Moskau beklagt derweil, dass offenbar einfach umdeklarierte Waren, wie zum Beispiel Salat aus Polen, in Russland aufgetaucht seien. Das Chaos scheint perfekt.

Fjodor Priwalow, der Chef des Zentrums für Agrarindustrie an der nationalen Akademie der Wissenschaften Weißrusslands, wähnt sich dagegen in aller Bescheidenheit bereits in einem Goldrausch. Lediglich alle 20 bis 30 Jahre würde sich eine solche Gelegenheit ergeben, sagt er. Und in der Tat, die Lebensmittelexporte Weißrusslands in die Russische Föderation betrugen alleine im August schon sieben Prozent mehr als vor dem europäisch-russischen Embargogeplänkel. Zu den Vorwürfen des Lebensmittelschmuggels über Weißrussland indes schweigt er sich vorsichtshalber aus.

Aber es gibt, wie immer, auch eine Kehrseite der Medaille. Für den Verbraucher haben sich durch das Spielchen die Preise für einheimische Produkte merklich verteuert oder sind gleich ganz überflüssig geworden, so dass sie letztendlich aus den Supermarktregalen verschwinden. Zudem monieren immer mehr Kunden, dass es bei den angebotenen lokalen Waren zunehmend an Qualität mangeln würde. Wie dem auch sei, Weißrussland scheint seine Nische in der Lebensmittelwirtschaft gefunden zu haben.

[mb/russland.RU]

 

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