Medwedew: „Russland ist nicht glücklich mit dem britischen EU-Austritt“

[Hanns-Martin Wietek] Entgegen der Meinung westlicher Medien und politischer Kreise, dass nämlich Putin an allem Schuld sei und er subversiv und politisch auf den britischen Brexit hingearbeitet hat – siehe auch die Aussage des ehemaligen US-Botschafters McFaul, der den Brexit als einen Erfolg Putins bezeichnet hat – ist der russische Premier Medwedew, führende Finanziers und Wirtschaftler vom Brexit und seinen Auswirkungen auf Russland gar nicht begeistert.

„Das Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der EU hat stattgefunden. Natürlich muss ich bedenken, dass dies eine innere Angelegenheit Britanniens ist. Aber es ist auch ganz klar, dass diese Entscheidung nicht nur für die Bürger des Vereinigten Königreiches, sondern auch für die EU und die globale Wirtschaft insgesamt Folgen hat“, so Medwedew.

So sei der Ölpreis gesunken und das englische Pfund unter Druck geraten.
Es gelte jetzt die Folgen zu analysieren und die russische Regierung müsse dann Maßnahmen zum Schutz der russischen Wirtschaft ergreifen.

Der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Beziehungen im Föderationsrat, dem Oberhaus des russischen Parlamentes, Konstantin Kossatschow erwartet nach dem Brexit Reformen in der EU, in deren Ergebnis die Europäische Gemeinschaft „weniger politisiert, flexibler und offener gegenüber einer Zusammenarbeit mit Partnern von außen, einschließlich Russlands“ wird. In diesem Fall könne Russland in der Zusammenarbeit mit der EU weiter vorankommen. Dennoch werde das Ausscheiden eines Schlüssel-Partnerlandes aus der EU auch für Russland negative Folgen haben, befürchtete er.

„Wir sind daran interessiert, dass die EU ein stabiles Integrationsprojekt bleibt, da es nach wie vor einer unserer wichtigsten Handels-und Wirtschaftspartner ist“, betonte er. Immerhin entfallen 49 % des russischen Warenumsatzes auf den Handel mit der EU, sogar sind unter den Bedingungen der Sanktionen diese Zahlen sehr bedeutend. „Jegliche Erschütterungen innerhalb eines solch wichtigen Partners, wie der EU werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf unsere Handels- und Wirtschaftsbeziehungen negativ auswirken. Schon wird davon gesprochen, dass der Ölpreis drastisch sinkt, die Börsen in China und Europa sind ins Schwanken geraten, das alles wird auch für die russische Wirtschaft zusätzlichen Bedrohungen schaffen“, schätzt Kossatschow ein.

Jedoch vermutet er, dass nach den Sanktionen eine neue, lebendigere Diskussion über die Zusammenarbeit beginnen wird.

Der Unterhausabgeordnete der britischen Konservativen, Geoffrey Clifton-Brown, meint, dass der EU-Austritt Großbritanniens die gegenseitigen Beziehungen zwischen London und Moskau verbessern wird. „Unabhängig von Brüssel können wir dann die Zusammenarbeit mit anderen Staaten entwickeln und Russland ist dabei für uns ein äußerst wichtiger Wirtschaftspartner. Bis jetzt hat uns die EU ihre Regeln diktiert, vorgeschrieben, wie wir uns zu verhalten haben. Mit dem Austritt aus der EU können wir selbst wichtige Entscheidungen treffen. Russland und Großbritannien  werden einander näher kommen“, ist er überzeugt.

Der Austritt Großbritanniens aus der EU könnte das Interesse der Investoren für die sich entwickelnden Märkte, einschließlich Russlands, zurückbringen, meint der der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der WneschEkonomBank (WTB), Andrej Klepatsch. „Ihr Ausscheiden könnte  sowohl den Euro als auch den europäische Fondsmarkt destabilisieren sowie die Rohstoffmärkte in Aufregung versetzen, aber ich denke, in der Perspektive, könnten diese Unruhe und die Konflikte auf dem europäischen Finanzmarkt das Interesse auch an den russischen Rohstoffpapieren zurückbringen“, erklärte Klepatsch. Seiner Ansicht nach hat Russland vor diesem Hintergrund ein großes Wertsteigerungspotential für die Papiere unter Berücksichtigung des Preisanstieges für Erdöl und der Tatsache, dass im kommenden Jahr die Wirtschaft Russlands, wenn auch langsam, wieder zu wachsen beginnt.“ Nach der anfänglichen Unsicherheit wird das Interesse an unseren Papieren zunehmen“, ist der Banker zuversichtlich.

Mittelfristig werde der Austritt Großbritanniens die EU schwächen und das Königreich stärken, so Klepatsch weiter.

„die Europäische Union wird als Wirtschafts- und politische Vereinigung geschwächt – die europäischen Fonds sind bereits eingebrochen, der Euro hat nachgegeben. Angesichts der Risiken und Unsicherheiten wandert das Business in amerikanische Bonds und Papiere ab“, glaubt Klepatsch. Nach seiner Einschätzung ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass in Großbritannien eine  Regierung an die Macht kommt, die russlandfreundlicher gestimmt ist. „Direkt wird der Brexit die Sanktionen nicht beeinflussen, Großbritannien wird die Sanktionen fortsetzen“, ist er überzeugt.

Die russische Zentralbank müsse derzeit den Anteil des englischen Pfunds an den Reserven nicht steigern, ist Klepatsch sicher. „Das Pfund war ein immer Teil der Reserven Russlands. Hat es jetzt Sinn, ihn zu erhöhen? Wahrscheinlich nicht – das Pfund ist schon schwächer geworden und wird weiter fallen“, sagte er.
(Hanns-Martin Wietek/russland.news)

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