Matthias Warnig konnte Putin kein Staatsgeheimnis entlockenMatthias Warnig - Wikipedia

Matthias Warnig konnte Putin kein Staatsgeheimnis entlocken

Matthias Warnig, Deutschlands Top-Manager in Sachen Russlandgeschäften, hat sich von der deutschen Wochenzeitung DIE ZEIT beobachten und so ausführliches Portrait entstehen lassen beantwortet. Sein erstes großes Interview, es dauerte Monate bis zu seiner Einwilligung, gab Warnig in seinem Haus auf den Kanarischen Inseln. Es gibt sehr wenige öffentliche Informationen über ihn.

Der Noch-Geschäftsführer der Pipeline-Firma Nord Stream 2 bezeichnet sich als „toxisch“: Seine Konten sind eingefroren, und nur wenige Menschen in Deutschland wollen mit ihm sprechen. Er habe den russischen Präsidenten persönlich getroffen und mit ihm über Moskaus Ziele in der Ukraine gesprochen. Niemand im Westen soll Wladimir Putin näherstehen als Matthias Warnig. Darüber, wie sie sich kennengelernt haben, gibt es mindestens drei Versionen, schrieb Forbes 2012.

„Was sind Ihre Ziele?“, habe er Wladimir Putin unter vier Augen auf Deutsch gefragt. „Sie sprechen von Donezk und Luhansk, gleichzeitig wollen Ihre Truppen Kiew einnehmen? Wie passt das zusammen? Wollen Sie Odessa oder Charkiw oder die ganze Ukraine? Oder noch mehr?“ „Das ist ein Staatsgeheimnis“, antwortete Putin knapp. Warnig sagt, er habe versucht, Putin klar zu machen, dass er die Militäraktion in der Ukraine beenden müsse. Doch nach der Antwort des russischen Präsidenten sei ihm klar geworden, dass sie sich als zwei alte Bekannte nichts mehr zu sagen hätten.

Der 67-jährige Warnig, von der DW im Jahr 2021 zum „einflussreichsten deutschen Manager im Russlandgeschäft“ erklärt, ist der einzige Deutsche, der deswegen auf der Sanktionsliste der Amerikaner steht. Wohl auch deswegen, dass niemand im Westen eine engere Beziehung zu Wladimir Putin hat als Matthias Warnig. Die beiden verbindet viel. Im Jahr 1993 holt Warnig Putins Töchter auf dessen Bitte hin nach Deutschland, nachdem die Mutter der beiden Kinder bei einem Autounfall schwer verunglückt war. „Hunderte Male haben sie sich seit den Neunzigerjahren getroffen. Sie haben gemeinsam gejagt, gefischt und gezecht. Vor gut 20 Jahren, als beide in einer tiefen Ehekrise steckten, gingen sie eine Zeit lang in Russland jeden Morgen gemeinsam frühstücken und weinten sich aus. Auch das verbindet“, schreibt DIE ZEIT.

Obwohl Warnig nach dem Einmarsch das Vorgehen Russlands in der Ukraine als „unbeschreiblichen Irrtum“ bezeichnet hatte, habe Putin ihm angeboten, mit seiner Familie nach Moskau zu ziehen: „Kommen Sie mit Ihrer Familie nach Moskau, wir finden hier etwas für Sie. Warnig sagte, er habe abgelehnt. „Soll ich hinter hohen Mauern leben? In Russland würde er sich „verloren“ fühlen.

Über Putin, „der sich sehr bemüht, den Kontakt zu mir zu halten“, sagt Warnig, er schotte sich vor der Außenwelt ab und seine Angst, sich mit Corona zu infizieren, sei unvorstellbar groß. Zum Gerücht, dass Putin krank sei, antwortet er: „Dafür habe ich keine Anzeichen.“ Und ob hinter den Kulissen gegen Putin gemeutert werde: „Das sehe ich nicht.“

Warnig selbst bezeichnet sich inzwischen als „toxisch“. In Deutschland will kaum noch jemand etwas mit ihm zu tun haben, seine Konten sind eingefroren, seine Kreditkarten gesperrt. An Bargeld müsse er sich erst gewöhnen. Sein ganzes Leben sei „eingefroren“.

Früher sei er im Auswärtigen Amt, im Kanzleramt und im Wirtschaftsministerium ein und aus gegangen. Die wollen keinen Kontakt mehr zu mir.“ Das zuständige Finanzamt ziehe seit Oktober bei Matthias Warnig alle Register – große Steuerprüfung. Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Kapitalertragsteuer. Er verließ den Aufsichtsrat des Fußballclubs Schalke 04, sein Bürgermeister schrieb ihm einen Brief mit der Forderung, er solle sich von Putin distanzieren, und kündigte Warnig an, ihm eine 5000-Euro-Spende für ein Kulturprojekt zurückzugeben.

Auch der ehemalige Kanzler Gerhard Schröder sprach in dem Portrait über Warnig: „Seine Kindheit war nicht einfach, genau wie meine. Er musste sich behaupten. Und er hat, wie ich, diese Chance ergriffen.“ Mit Disziplin, Zuverlässigkeit und stets guter Vorbereitung. „Und da sei noch etwas, etwas Entscheidendes“, so Schröder. „Ich habe Verständnis dafür, in einem System überleben zu wollen – gut überleben. Das System kann falsch sein, aber das Leben darin muss nicht falsch sein.“

Warnig wird 1955 wird im südlichen Brandenburg geboren und wächst in einer kleinen Gemeinde in der Lausitz auf. Bereits in der Schule lässt er sich vom Ministerium für Staatssicherheit als Spitzel anwerben. 1974 gibt er zu Protokoll, er wolle den „Kampf gegen die Feinde unseres Staates“ antreten, „auftragsgemäß oder aus eigener Initiative“. Er sucht sich den Decknamen „Hans-Detlef“ aus. Später, als die Spionage sein Beruf wird, nennt er sich „Ökonom“. „Ich habe es mit einer gewissen Leidenschaft gemacht“, so Warnig heute.

Als 1991 auch die Sowjetunion kollabiert heuert die Dresdner Bank Warnig an, um für sie in Russland Geschäfte einzufädeln. Er kennt den Osten und verfügt über Kontakte in der westdeutschen Wirtschaft. Später wurde er Vorstandsmitglied mehrerer russischer Unternehmen, darunter Rosneft. Seinen Sitz im Aufsichtsrat verließ Warnig im Mai. Sein Vertrag als Firmenchef der Nord Stream 2 AG endet am 31. März. Nord Stream 2 wird immerhin im Jahr 2023 am Leben bleiben. Gazprom hat Garantien ausgesprochen, der Konzern wird für alle Kosten aufkommen.

Bereut Matthias Warnig etwas, will DIE ZEIT abschließend wissen? Er möge solche Fragen nicht und erwidert mürrisch: „Damit muss ich mich noch auseinandersetzen.“

Der russische Präsidentensprecher Dmitri Peskow bestätigte inzwischen, dass Putin Matthias Warnig kenne, wollte aber die Frage nicht beantworten, ob Putin ihn in Zukunft treffen wolle. „Putin und Warnig kennen sich in der Tat, und sie haben auch miteinander kommuniziert“, sagte Peskow auf die Frage, was er zu Warnigs Äußerungen sagen wolle, er habe nach Kriegsbeginn mit Putin kommuniziert.

[hrsg/russland.NEWS]

 

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