Liebe ohne (Visa-) Grenzen: Liberalere Reiseregeln der EU beflügeln deutsch-ukrainisches Datinggeschäft

Anfang April stimmte das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit für ein Abkommen mit der Ukraine, das es Ukrainern mit biometrischen Pässen gestattet, sich bis zu drei Monate ohne Visum in Ländern des EU-Schengenraums aufzuhalten.

In der ukrainischen Bevölkerung ist der Wunsch nach freiem Reiseverkehr in die EU schon immer stark gewesen. Nach dem Umsturz 2014 und der stärkeren EU-Anbindung wurden die Hoffnungen auf eine Realisierung größer denn je. Umso größer die Freude darüber, dass es nun schon im Juni diesen Jahres die erhoffte Reisefreiheit geben wird. Im Mai wird allerdings noch der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs zustimmen müssen. Da die Verhandlungen darüber bereits auf diplomatischer Ebene erfolgreich beendet wurden, dürfte die Zustimmung als sicher gelten. Die endgültige Entscheidung hat man klugerweise auf die Zeit nach der französischen Präsidentschaftswahl gelegt, um dem Front National und Marine Le Pen nicht noch zusätzliche Wahlkampfmunition für deren Anti-EU Kurs zu liefern.

Wer profitiert nun von der neuen Reisefreiheit? Zuerst einmal nur Inhaber von biometrischen Reisepässen, denn ohne Visum werden nur Inhaber dieser besonders fälschungssicheren Pässe in die EU einreisen dürfen. Dann aber auch nur in EU-Länder des Schengenraums. Großbritannien und Irland gehören beispielsweise nicht dazu. Aktuell besitzen nur ca. zehn Prozent der Ukrainer diese neuen Reisepässe, was sich ab Sommer jedoch schlagartig ändern dürfte. Der Starttermin ab Sommer 2017 war der ukrainischen Regierung besonders wichtig. So können Ukrainer ihren Sommerurlaub in EU-Länder ohne die lästige Visabeschaffung antreten, was Zeit und Geld spart sowie Raum für spontane Reisen und Last-Minute-Angebote lässt.

Das Recht zur Arbeitsaufnahme ist mit der Visafreiheit nicht verbunden, so dass der Job-Tourismus davon weniger profitieren dürfte. Dagegen werden Freundschafts- und Verwandtenbesuche einfacher und auch Ukrainer, die gezielt einen Lebenspartner in Westeuropa suchen, dürften die neue Regelung begrüßen. Dass Letztere keine Randgruppe sind, zeigt sich unter anderem im Internet. Die internationale Partnersuche boomt. Internationale Partnervermittlungen, die einsame ukrainische Frauen an ebenso einsame deutsche Männer vermitteln, stehen in Google-Ergebnislisten für einschlägige Suchbegriffe regelmäßig weit oben.

Wollten Ukrainerinnen ihrer neuen Bekanntschaft nach dem ersten Treffen in der Ukraine einen Gegenbesuch in Deutschland abstatten, war die Visa-Hürde oftmals ein nicht geringes Problem. Das bestätigt auch Wolfgang Barth, Geschäftsführer der Ostdamen Partnervermittlung, die speziell Ukrainer und Deutsche zusammenbringt. „Besonders alleinstehende jüngere ukrainische Frauen unter 30 Jahren haben oft kein Visum bekommen, weil die Rückkehrbereitschaft nicht ausreichend nachgewiesen wurde“, erläutert er.

Eine Einladung mit Verpflichtungserklärung des deutschen Mannes reicht oft nicht aus, um ein Schengen-Visum zu bekommen. Oft wollte die deutsche Botschaft in Kiew noch zusätzliche Dokumente wie Telefongesprächslisten oder gemeinsame Fotos haben, die belegen, dass sich der deutsche Mann und die ukrainische Antragstellerin auch wirklich kennen. Konnte oder wollte man diese Papiere nicht vorlegen, wurde das Visum oft nicht erteilt und dem Mann blieb nichts anderes übrig, das Kennenlernen in der Ukraine fortzusetzen. Ein Umstand, „der eine frische Beziehung auf eine harte Probe stellen kann“, gibt Barth zu bedenken.

Ferner war eine Visa-Ablehnung mit weiteren Problemen verbunden, denn die Ablehnung wurde in das Visa-Informationssystem der EU eingespeist, was eine erneute Antragstellung für ein anderes Schengenland enorm erschwerte. Oft wurde im Fall der Ablehnung ein entsprechender Vermerk in den ukrainischen Pass gestempelt, was  die Aussichten bei zukünftigen Antragstellungen noch mehr verringerte.

Diese bürokratischen Hindernisse wird es aller Voraussicht ab Juni 2017 nicht mehr geben, wodurch es dieser besonderen Art der Völkerverständigung leichter fallen wird, im Dating  erfolgreich zu sein. „Wir erwarten eine enorme Verkürzung der durchschnittlichen Vermittlungszeit, denn im besten Falle wird der deutsche Mann die neue ukrainische Bekanntschaft gleich zu einem Gegenbesuch in Deutschland einladen und beide werden gemeinsam den Rückflug nach Deutschland antreten können. Das war früher praktisch ausgeschlossen“, freut sich der deutsche Partnervermittler.

Für russische Frauen dagegen ändert sich leider nichts. Die EU hat die Verhandlungen über eine Visa-Liberalisierung mit Russland im Zuge der Ukraine-Krise 2014 abgebrochen. Schade, dass die Visafrage immer noch als politisches Faustpfand verwendet wird – bekanntermaßen wirkt das freie Reisen zwischen den Völkern friedensstiftend.

 

 

 

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