Leben mit der Krise – das Glücksgefühl der Russen kann nichts trüben

Wenn man sich die jüngste Geschichte Russlands anschaut, kann man die Russen für ihre Standhaftigkeit und sprichwörtliche Geduld nur bewundern. Zerfall der Sowjetunion, Beschuss des Parlaments, zwei Kriege in Tschetschenien, diverse Terrorattacken, Absturz des Rubelkurses, Wirtschafts- und Finanzkrisen, erneute Rubelabwertung, jetzt Sanktionen des Westens… Wie überstehen sie das alles bloß?

Die Wirtschafts- und Rubelkrise von 1998 war besonders schmerzhaft. Und vor allem liegt sie erst 20 Jahre zurück, so dass sich sowohl ältere Menschen als auch Menschen um die 40 Jahre alt gut daran erinnern können. Einige Experten bezeichnen diese Krise als erste marktwirtschaftliche Krise im kapitalistischen Russland.

Das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum wollte wissen, wie russische Bürger die Folgen der 98er-Krise für sich und ihre Familien im Nachhinein einschätzen. Jeder Zehnte gab an, sich finanziell immer noch nicht davon erholt zu haben. Nur neun Prozent der über 40-Jährigen sagten, dass sie sich gar nicht daran erinnern können, welche Folgen für sie die Rubelabwertung und der Zusammenbruch des Bankenwesens von 1998 hatten. Die meisten Russen erlebten diese Zeit jedoch als schlimme Belastung. 42 Prozent der Befragten meinten, dass sich ihre persönliche wirtschaftliche Situation nach dem „Default“ (Rubelabsturz) dramatisch verschlechterte und sie und ihre Familien noch längst nicht das Niveau vor der Krise erreichen konnten.

Aber wie lange dauerte diese Phase der Agonie genau? Wann war die Krise überhaupt zu Ende? Und gab es seitdem in Russland ähnliche Krisen? Das wollten Soziologen vom Lewada-Zentrum ebenfalls wissen. Die Antworten fielen teilweise schockierend aus. So meinten ganze 41 Prozent der Befragten, Russland befinde sich in einer ständigen Krise! Elf Prozent sagten aus, so eine heftige Krise gab es in ihrem Land noch nie, während andere elf Prozent der Meinung waren, die Wirtschaftskrisen von 2008 und 2014 waren vergleichbar schlimm.

Unter diesen Umständen sollte man meinen, die Russen seien ziemlich unglückliche Menschen. Aber, was bedeutet schon Glück? Eine ewige und philosophische Frage… Doch die Statistiker wollten auch diese Frage genau beantwortet haben. Laut der aktuellen Umfrage des Lewada-Zentrums vom August dieses Jahres fühlen sich 48 Prozent der Russen „eher glücklich“.  22 Prozent konnten sogar die Frage nach ihrem Glück mit einem ganz klaren „Ja“ beantworten. Als „eher unglücklich“ sehen sich 19 Prozent der Befragten. Kinder, Familie und persönliches Wohlbefinden machen ganze 74 Prozent der russischen Bürger glücklich. Das Leben als solches, gute Beziehungen zu anderen Menschen – das bedeutet für 19 Prozent der Russen Glück.

Interessant, dass auf die Frage, was sie daran hindert, glücklich zu sein, 17 Prozent der Befragten meinten, es sei „die Unzufriedenheit mit der Macht und mit der Lage im Land“ und nur vier Prozent, es seien Ängste um die Zukunft Russlands.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

 

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