Investitionen in Russland sinken

Von Ullrich Umann Moskau (gtai) – Der deutsch-russische Außenhandel geht 2015 weiter zurück. Russland kauft weniger Maschinen und Anlagen, aber auch Konsumgüter in Deutschland. Grund ist die eklatante Investitions- und Finanzierungsschwäche, unter der die russische Wirtschaft leidet. Überdies sinkt der private Verbrauch, der viele Jahre eine Wachstumsstütze war. Kredite bleiben vorerst knapp und teuer. Staatskonzerne genießen eine Sonderstellung, wenngleich auch der russische Staat insgesamt weniger investiert.

Deutschlands Ausfuhr von Industrie- und Konsumgütern nach Russland geht zurück. Dies wurde Ende Mai 2015 auf der Werkzeugmaschinenbaumesse „Metaloobrabotka“ deutlich. Zwar haben sich deutsche Maschinenbauunternehmen aktiv an der Messe beteiligt – genau wie im Vorjahr. Aber die Aussteller konnten weniger Geschäfte anbahnen oder abschließen.

Noch 2014 lieferte der deutsche Maschinen- und Anlagenbau Waren im Gesamtwert von 6.484 Mio. Euro (-17,0% ggü. 2013) nach Russland, davon Werkzeugmaschinen für 489 Mio. Euro. Das Jahresergebnis für 2015 wird mit Sicherheit darunter liegen. Allein im 1. Quartal 2015 brachen die Lieferungen von Maschinen und Anlagen um 28,4% auf 1.082 Mio. Euro ein.

Investitionen 2015 nicht angesprungen

In den ersten fünf Monaten 2015 verharrte die Nachfrage nach Industrie- und Konsumgütern in Russland auf einem äußerst niedrigen Niveau. Im Mai mussten insbesondere russische Hersteller von Maschinen und Anlagen sowie von Baumaterialien Absatzeinbußen hinnehmen. Dies lässt auf einen Investitionsstopp seitens großer und mittlerer Unternehmen schließen, wie Experten der Moskauer Hochschule für Ökonomie unterstrichen.

Dabei stützen sich die Wirtschaftswissenschaftler auf eine Umfrage unter 4.000 russischen Unternehmen. Diese ergab, dass insbesondere der Maschinenbau unter sinkenden Eigenkapitalquoten, schwindenden Gewinnen und rückläufiger Rentabilität leidet. Der Automobilindustrie macht zusätzlich die gesunkene Kaufkraft der Bevölkerung zu schaffen. Gleichzeitig bleibt der Zugang zu externen Finanzierungen weitgehend versperrt.

Wirtschaft immer noch im freien Fall

Professor Abel Aganbegjan von der Russischen Wirtschafts- und Verwaltungsakademie beim Präsidialamt äußerte gegenüber der Zeitung „Kommersant“ seine Besorgnis, dass die Wirtschaft ihre Talfahrt immer noch nicht beendet habe. Dabei verwies er auf die jüngsten zur Verfügung stehenden amtlichen Zahlen. Demnach war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im April 2015 um 4,3% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres eingebrochen, die Industrieproduktion um 4,5% und speziell die verarbeitende Industrie um 7,2%. Den Rückgang der Realeinkommen bezifferte der Föderale Statistikdienst (Rosstat) mit 13,2%.

Besondere Sorge bereitet Aganbegjan das sinkende Investitionsniveau in Russland. So brachen die Bruttoanlageninvestitionen im April 2015 um etwa 5% im Vergleich zum Vorjahresmonat ein. Die derzeit ausfallenden oder zeitlich verschobenen Investitionen werden sich spätestens nach vier Jahren – also 2019 – negativ auswirken. Um das zu veranschaulichen, nahm Aganbegjan die Investitionen aus dem Krisenjahr 2009 als Beispiel, die damals um 16% fielen. „In der Folge wurden 2013 katastrophal wenige neue Industriekapazitäten in Betrieb genommen.“

Der vergessene Teil der Mai-Dekrete

Wie Professor Aganbegjan gleichfalls unterstrich, würden zwar die Dekrete von Präsident Putin vom Mai 2012 im Bereich Lohn- und Sozialpolitik akribisch umgesetzt. Doch sei das Mai-Dekret „Über die langfristige Wirtschaftspolitik“ komplett in Vergessenheit geraten. Demnach sollte der Anteil der Investitionen an der Entstehung des Bruttoinlandsproduktes bis 2015 auf 25% angehoben werden. In Wirklichkeit ist diese Quote seither gefallen.

Dass sich daran nicht nur 2015, sondern auch in den Folgejahren wenig bis gar nichts ändern wird, zeigen die Haushaltsplanungen für 2016, 2017 und 2018. Diese werden derzeit von einer Regierungskommission mit Vertretern mehrerer Ressorts aufgestellt. Demnach werden die Haushaltsansätze im Kapitel „staatliche Investitionen“ in den Jahren 2016 und 2017 um ein Drittel auf je 1,79 Billionen Rubel (0,03 Billionen Euro, 1 Euro = 57,7 Rubel, Stand: 2.6.2015) gekürzt und 2018 weiter auf 1,6 Billionen Rubel (0,027 Billionen Euro).

Soziales und Verteidigung ohne Kürzungen

Von der Haushaltskürzung verschont bleiben – laut Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung – die Ausgabentitel Soziales und Verteidigung, weiterhin Projekte mit dem Fertigstellungsziel 2016, Vorhaben zur Vereinigung und Konsolidierung staatlicher Unternehmen verschiedener Branchen, Projekte zur Importsubstitution. Einige Investitionsanträge wurden in eine Warteliste aufgenommen, falls sich die Einnahmensituation im Staatshaushalt besser als erwartet entwickeln sollte. Dies könnte rein hypothetisch bei steigenden Ölpreisen der Fall sein.

Mit der Ausgabensenkung fällt tendenziell die Quote der staatlichen Investitionen an der Entstehung des BIP. Diese Quote lag 2009 bei 3,1%; im Jahr 2015 wird sie sich bei 2,1% einpendeln. Von den Kürzungen im föderalen Haushalt ausgenommen bleiben die Investitionen staatlicher Unternehmen und derjenigen russischen Regionen, die über eigene Budgets verfügen. Doch sind auch die Regionen auf Grund der aktuellen Wirtschaftslage teils zu Kürzungen ihrer Investitionen gezwungen. Bereits heute können mehr als 20 Regionen ohne Transferzahlungen finanziell nicht mehr überleben.

Staatskonzerne zu Investitionen verdammt

Staatskonzerne, die Monopolstellungen in Schlüsselbereichen wie Energie und Transport einnehmen, sind dagegen von der russischen Regierung zu Investitionen verpflichtet worden. Dazu zählen der Bau von Erdgas- und Erdölpipelines in die VR China, die Errichtung von Erdgasverflüssigungsanlagen und der Ausbau der Strom- und Schienennetze. Mit seiner Tarifpolitik und dem Unwillen zur Auflösung der Monopole sorgt der Staat sogar dafür, dass die Einnahmen der betroffenen Konzerne weitgehend gesichert bleiben. Dafür zahlen wird am Ende der Verbraucher, unabhängig ob Privatperson oder Unternehmer.

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