Im kleinen Kreis: Putin und Nachbarn vertiefen ihre Zollunion

(Lothar Deeg) Der Termin war wohl Zufall: Genau 25 Jahre und einen Tag nach dem endgültigen Ende der Sowjetunion haben sich auf einem Gipfel in St. Petersburg jene Staatschefs der Nachfolgerstaaten getroffen, die auch weiterhin bereit sind, mit Russland eng zusammenzuarbeiten. Weißrusslands Dauer-Präsident Alexander Lukaschenko glänzte durch Abwesenheit.

Offiziell handelte es sich bei dem Petersburger Treffen um einen inoffiziellen Gipfel der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) und des Verteidigungsbündnisses OVKS. Diese Organisationen stellen heute die Nachfolgeorganisationen der eigentlichen UdSSR-Nachfolgeorganisation, der GUS, dar – die aufgrund der unterschiedlichen Interessen ihrer Mitglieder still entschlafen ist.

Doch zu Wladimir Putin nach St. Petersburg kamen nur die Staatschefs von Kasachstan, Kirgisien und Armenien. Weißrussland, das in beiden Bündnissen Mitglied ist und Tadschikistan, das nur der OVKS angehört, fehlten. Das protokollarische Highlight, die Unterzeichnung eines gemeinsamen Zollkodex, vollführten gar nur drei Präsidenten: Kirgisiens Staatschef Almasbek Atambajew verweigerte seine Unterschrift – um dann im Nachhinein das grundlegende Dokument doch noch abzuzeichnen. Wie Insider berichteten, gehe es hinter den Kulissen eben zu wie auf einem „orientalischen Basar“: Das arme zentralasiatische Land habe auf diese Weise bei den größeren Partnern Finanzhilfen zur Einrichtung eines modern ausgestatten veterinärärztliche Dienstes durchgesetzt.

Lukaschenko schmollt                                  

Die Tatsache, dass Weißrussland den Zollkodex jetzt nicht mit unterschreiben hat, wurde zumindest von russischer Seite heruntergespielt: Die Republik Belarus habe ja schließlich die Dokumente mit ausgearbeitet. Deshalb werde man sie jetzt einfach nach Minsk schicken, damit Alexander Lukaschenko sie ebenfalls abzeichnen kann, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Möglicherweise geschieht das auch so – doch Lukaschenko fehlte nicht aufgrund von Krankheit oder anderen – noch wichtigeren – Verpflichtungen: Er wollte mit seinem Nichterscheinen ein Zeichen setzten, dass er – wieder einmal – mit dem Verhältnis zum großen Nachbarn Russland nicht glücklich ist. Das Hauptproblem: Seit einem halben Jahr können sich Russland und Weißrussland nicht über die zukünftigen Preise für russisches Erdgas einigen.

Für die weißrussische Wirtschaft sind vergünstigte Lieferungen eine über Gedeih und Verderb entscheidende Schlüsselfrage – während Russland schon lange Schluss machen möchte mit den Extrawürsten für nahe Verwandte und Verbündete. Außerdem gibt es, wie auch schon so oft, Streitigkeiten um die umfangreichen weißrussischen Lebensmittelexporte nach Russland: Moskauer Behörden warfen jüngst Minsk vor, im großen Stil eigentlich mit Sanktionen belegtes ukrainisches Fleisch nach Russland verkauft zu haben. Auch in Russland eigentlich verbotenes Sanktions-Obst aus der EU oder Fisch aus Norwegen werde von cleveren Geschäftemachern in Weißrussland en masse umetikettiert, werfen die Russen ihren Nachbarn immer wieder vor.

Eurasische Wirtschaftsunion sucht Zollfrei-Partnerschaften in aller Welt

Auch wenn derartiger interner Knatsch das Gedeihen der Wirtschaftsunion überschattet, bemüht sich die EAWU parallel, ihre ökonomische Reichweite über die eigenen Grenzen hinweg auszudehnen: Wie Tigran Sarkisjan, der Leiter der Wirtschaftskommission der Union mitteilte, hätten die vier anwesenden Präsidenten die Aufnahme von Gesprächen über die Schaffung von Freihandelszonen mit dem Iran, Ägypten, Indien und Singapur gut geheißen. Mit Israel und Serbien liefen derartige Verhandlungen bereits, auf einer separaten Ebene auch mit China.

Kasachstan unternimmt Syrien-Vermittlungsinitiative

Der wichtigste Gesprächspartner Putins während des Petersburger Gipfels war eindeutig Nursultan Nasarbajew, der Langzeit-Präsident Kasachstans. Beide hatten bereits am Sonntag ein umfangreiches Programm in Petersburg gemeinsam absolviert. Dabei ging es offenbar auch um die große internationale Politik: Denn Nasarbajew bekundete in Petersburg seine Bereitschaft, in seiner Hauptstadt Astana einen neuen Anlauf für internationale Friedensgespräche zur Lösung des Syrienkonflikts  zu organisieren: Neben Russland hätten ihm der Iran, das syrische Assad-Regime und die Türkei bereits ihr Interesse daran bekundet, erklärte Nasarbajew. Ob die anderen Player auf dem syrischen Schachbrett, die USA, die Nato oder auch Saudi-Arabien, ebenfalls noch angefragt werden sollen, blieb aber offen.

Der kasachische Staatschef hat in letzter Zeit einige Erfahrung mit derartigen Vermittlungsmissionen gesammelt. Sowohl bei der Beilegung des russisch-türkischen Zerwürfnisses nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets wie auch bei Kontakten zwischen Russland und der Ukraine wegen des Donbass-Konflikts hat er den dezenten Mittelsmann gespielt.

(Lothar Deeg/russland.news)

COMMENTS