„Im Herbst sind in der Ukraine entscheidende Veränderungen zu erwarten“

Der ukrainische Oligarch Vadim Nowinskij, Volksdeputierter des ukrainischen Parlaments für die Partei »Oppositionsblock«, hat in der Zeitung »Обозреватель« (Obozrevatel, Der Kommentator) einen Artikel über die – seiner Meinung nach – zu erwartende Entwicklung der Ukraine in der allernächsten Zeit veröffentlicht.

Die Ukraine stehe am Rande qualitativ neuer Beziehungen und qualitativ neuer Veränderungen in der Gesellschaft. Das Pendel schlage jetzt zur anderen Seite aus. Nicht nur der Krieg im Osten des Landes, sondern auch die Konfrontation in der Gesellschaft, das Klima des Misstrauens und die „Hexenjagd“ und die geopolitische Konfrontation gingen jetzt zu Ende.

Nowinskij  zählt eine Reihe wichtiger Faktoren auf, die die ukrainische Politik vollständig verändern werden.

„Zuallererst werden die nach dem Maidan entstandenen Machtstrukturen vollständig auseinanderbrechen.

Dies ist einer der Faktoren, der die zukünftige politische Landschaft des Landes bestimmen wird. Die aktuelle Konstellation Poroschenko – Groisman – Menschen – Volksfront, die Kraft der Maidanrevolutionäre ist am Ende, die inneren Prozesse werden sie in naher Zukunft zerreißen. Eine neue Runde beginnt, die mehr als zwei Jahre andauern wird. Ein neuer Maidan sei unwahrscheinlich, denn ein Maidan sei keine spontane Reaktion, wie man es gerne sehen will. Aber die Unzufriedenheit der Bürger ist in den Mündern der Populisten aller Couleur und wird zur Verstärkung des Chaos missbraucht.“

Nowinskij meint, dass der weitere Verlauf der Entwicklung maßgebend bestimmt wird durch die Fragen „Krieg oder Frieden, weitere Zerstörung oder Stabilisierung, Vortäuschung von Reformen oder eine neue Verfassung, illusorische Hoffnung auf den Westen oder Besinnung auf die eigene Kraft, ist Russland ein Feind und Aggressor oder ein großer politischer und internationaler Partner, gelten die Interessen der internationalen Oligarchen oder die nationalen?
Das sind die Fragen, mit denen sich die Ukraine im nächsten halben Jahr beschäftigen muss.“

Als einen weiteren Faktor, der die ukrainische Politik ändern wird, sieht er die globalen Veränderungen.
„Für die Idee einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok – als Gegenstück zu dem tot-geborenen Projekt einer transatlantischen Freihandelszone – ist die Ukraine der Hauptstolperstein: Solange das Problem Ukraine nicht gelöst ist, ist eine Annäherung zwischen Europa und Russland nicht möglich.
Der Krieg [Ostukraine] ist nichts als eine Nebelwand, um die Fehler in der Wirtschaft und im sozialen Bereich und den Unwillen, sich von despotischen Behörden und von den großen Gewinnen im Verteidigungsbereich zu lösen, zu vertuschen. Unter diesen Umständen kann Europa sich von Ukraine abwenden – und die USA ist mit dem Präsidentenwahlkampf beschäftigt, der unerwartete Ergebnisse bringen könnte. All das kann die Ukraine veranlassen, ihre Außenpolitik zu überdenken.

Der Minsker Prozess ist in einer Sackgasse, aus der herauszukommen im Augenblick fast unmöglich ist. Wenn die ukrainische Frage diskutiert wird, dann zwischen Nuland und Surkow in Kaliningrad, zwischen Lawrow und Kerry in Ventiane, zwischen Putin und Obama am Telefon – von was für einer Souveränität sprechen wir?

Die Reformen im Land sind nicht nur ins Stocken geraten – sie sind gestoppt. Das Land braucht eine „Revolution von oben“ einen gut organisierten und kontrollierten Prozess, das System zu verändern. Nebenbei, der Oppositionsblock hat den Entwurf für eine Verfassung vorgelegt, die eine maximale Dezentralisierung vorsieht – eine Übergabe der Befugnisse und des Budgets an die Regionen, eine Reduzierung der Zahl der Abgeordneten und die Einführung eines Zwei-Kammer-Parlaments.

Die sozioökonomische Politik zu überprüfen wird im Herbst als Nächstes auf die Ukraine zukommen.

Nach den Ereignissen auf dem Maidan ist eine Regierung an die Macht gekommen, die die Interessen der transatlantischen Unternehmen vertritt. Und im Herbst wird es einen ernsthaften Protest verzweifelter Bürger geben angesichts der Politik des IWF in der Ukraine: steigende Gebühren für Dienstleistungen der Kommunen, steigende Preise, Wegfall von Vergünstigungen und steigende Arbeitslosigkeit. Das alles kann schon in zwei Monaten Realität werden. Und das können „Früchte des Zorns“ sein.

Der politische Herbst 2016 wird eine Zeit sein, in der die postmaidanischen Stereotypen zerbrechen werden, eine Zeit, in der die Gesundung der Gesellschaft beginnen wird.
Schließlich beginnt eine jede Heilung mit dem Erkennen, krank zu sein, und das ist bereits geschehen.“
(hmw/russland.news)

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