Grünes Bauen steht in Russland noch vor dem Durchbruch

Von Ullrich Umann Moskau (GTAI) – Russlands Bauwirtschaft hat in punkto Energieeffizienz im internationalen Vergleich Nachholbedarf. Was „grünes Bauen“ angeht, können Immobilien nach allen gängigen internationalen Standards auf freiwilliger Basis zertifiziert werden. Allerdings ist die Zahl der Vorzeigeprojekte noch klein. Ändern soll sich dies durch die Fußball-WM im Jahr 2018. Unter anderem erarbeitet das Ministerium für Naturressourcen und Umwelt nationale grüne Standards für Sportanlagen.

Grünes Bauen spielt in Russland nur eine untergeordnete Rolle – im internationalen Vergleich hat Russland auf diesem Gebiet aufzuholen. Zwar sind die Anforderungen an ökologische und nachhaltige Aspekte in der Projektierung und Bauausführung recht hoch, unter anderem durch die Regierungsverordnung Nr. 18 vom 25.1.10. Seit 2013 muss zudem auf die Verwendung nicht vollständig verbrauchter Energie und die Einbeziehung erneuerbarer Energiequellen in die Planung und beim Betreiben von Gebäuden geachtet werden. Doch schätzt der 2009 gegründete Russian Green Building Council (RuGBC), dass viele dieser Forderungen das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen.

Der RuGBC geht in seiner Kritik sogar noch weiter. So sei die Bauwirtschaft in Russland weniger energieeffizient, weniger wettbewerbsfähig sowie weniger zuträglich für die Gesundheit und den Umweltschutz als in den entwickelten Industrieländern. Als Gründe dafür werden der Überfluss an Bodenschätzen und Energieträgern vor Ort bei einer gleichzeitig chronischen Nichtbeachtung der eigenen Baunormen und einem durchschnittlich niedrigen Kenntnisstand potenzieller Anwender über relevante Energiesparmöglichkeiten gesehen.

Fußball-WM könnte Trend zum grünen Bauen einleiten

Zumindest laufen Vorbereitungen, um nationale grüne Standards für Sportanlagen auszuarbeiten und einzuführen. Daran beteiligt ist unter anderem das Ministerium für Naturressourcen und Umwelt. Fachleute hoffen in diesem Zusammenhang, dass die WM-Vorbereitungen langfristig nachwirken und zu einem Trend führen. Belastbare Fakten für eine derartige Entwicklung lassen sich über den Bau der Fußballstadien hinaus aber noch nicht finden. Skepsis bleibt geboten.

Um grünes Bauen zu fördern, stellt sich der RuGBC inzwischen schon seit sechs Jahren als Sammelbecken für interessierte Firmen und Personen zur Verfügung. Neben der Lobbyarbeit in Industrie und Politik arbeitet die Organisation an der Ausarbeitung und Durchsetzung von nationalen Standards und stützt sich dabei unter anderem auf den Empfehlungen des U.S. Green Building Council (LEED) und des BRE Building Research Establishment (BREEAM).

Internationale Zertifikate freiwillig anwendbar

Was „grünes Bauen“ angeht, können Immobilien nach allen gängigen internationalen Standards auf freiwilliger Basis zertifiziert werden. Unter den etwa 240 Mitgliedern des RuGBC befinden sich Architekten, Projektanten, Juristen, Wissenschaftler, Studenten und Ingenieure, aber auch Hersteller von Baumaterialien, Baufirmen und Immobilienentwickler. Ausgewiesen werden Energiespareffekte unter anderem in russischen Dokumentationen, etwa im sogenannten Energiepass, den örtliche Kontrollinstanzen ausstellen. De facto ist der Weg für grünes Bauen dadurch geebnet.

Erste Beispiele sind vorhanden, wie das Einkaufszentrum „Belaja Datscha“ vor den Toren Moskaus (BREEAM), das Kugellagerwerk SKF in Twer (LEED) als erste zertifizierte Fabrik in Russland, das Bürogebäude Dukat Place III in Moskau (BREEAM), das Bürogebäude am Obwodny Kanal in Sankt Petersburg (LEED) und das Bürogebäude „Barwicha“ im Moskauer Gebiet (DGNB, LEED und BREEAM).

Bei den deutschen Anbietern von Baustoffen und Baumaterialien, aber auch von Heiz- und Wassertechnik, sind die angebotenen Produkte in der Regel in Europa oder in Drittländern bereits nach DGNB, BREEAM und LEED zertifiziert worden. Dies bringt ihnen einen Wettbewerbsvorteil, wenn Architekten und Bauherren nicht nur nach funktionalen und wirtschaftlichen Kriterien, sondern auch nach ökologischen Gesichtspunkten planen und bauen.

Initiativen setzen sich für grünes Bauen ein

Neben dem RuGBC hat sich auf Initiative der Union der Architekten 2011 eine zweite Organisation, der Russian Sustainable Architecture and Building Council (RSABC) gegründet, der sich der Unterstützung des Parlaments, der Akademie für Architektur- und Bauwissenschaften und einiger Hochschulen sicher ist.

Der RSABC ist nach eigenen Angaben eine Kooperation mit dem World Green Building Council eingegangen und führt Veranstaltungen mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DNGB) durch. Aktuelles Ziel war und ist die weitere Ausarbeitung und Einführung nationaler Umweltnormen im Bauen, analog zu DGNB, LEED und BREAM. Bei der engeren Auswahl der Vorlagen dazu scheint RSABC zum DNGB-Katalog zu tendieren.

In einem jüngsten Schritt trat der Vorstandsvorsitzende der RSABC, Alexander Remizov, im Juni 2015 auf dem „Rubin Innovationsforum“ in Berlin-Adlershof auf. Die Schwerpunkte des Forums lagen auf autonomen Energieversorgungsmodellen, Energieeffizienz in Gebäuden, optimierter Stromversorgung, der energietechnischen Nutzung von Abfällen und auf innovative Lösungen zur Abwasserreinigung.

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