Gorbatschow zum 20. Jahrestag des August-Putsches

Zwanzig Jahre nach dem August-Putsch von 1991 bedauert der letzte Präsident der UdSSR den Zerfall des großen Landes und hofft, dass gemeinsame Wirtschaftsinteressen den postsowjetischen Raum mit der Zeit zuverlässig vereinigen werden. Er setzt seine Hoffnung auf die Zollunion, die ab 1. Januar 2012 in Kraft treten soll.

Jedoch findet Michail Gorbatschow, dass ein Bündnis von Russland, Weißrussland und Kasachstan ohne die Ukraine unvollständig sein werde. „Diese vier Staaten verfügen über 80 Prozent des Potenzials der Sowjetunion, deren Zerfall viele Menschen so wie ich bedauern, doch eine Wiederherstellung der Sowjetunion ist unmöglich. … Ich setze mich seit Langem für die Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsraums ein“, sagte er und erinnerte daran, dass er bereits als UdSSR-Präsident genau dieses vorgeschlagen habe. Damals, bei der Vorbereitung des Unionsvertrages, wurden Dutzende Projekte entsprechender Verfügungen ausgearbeitet. „Einheitlicher Wirtschaftsraum ist keine staatliche Struktur, vielmehr eine Vereinigung von Staaten, und es wäre im Grunde eine der EU ähnliche Institution gewesen.

Gorbatschow gibt zu, dass er am 19. August 1991 nicht gleich verstand, dass es „der Anfang vom Ende“ der UdSSR war. Besonders deshalb nicht, weil am nächsten Tag, dem 20. August, der Unionsvertrag unterzeichnet werden sollte. Er erinnert sich: „Ich hatte für den 19. August das Flugzeug bestellt. Ich hatte an die Unterzeichnung geglaubt.“ Während seines Urlaubs auf der Krim behaupteten die Alt-Kommunisten dann, der Staatschef sei schwer krank und müsse sein Amt niederlegen. Der Putsch scheiterte jedoch am Widerstand der Bevölkerung. Angeführt wurde der Widerstand gegen die Putschisten vom damaligen Präsidenten der russischen Republik und späteren Staatschef Boris Jelzin. Der Putsch besiegelte jedoch das Ende der Sowjetunion.

Gorbatschow vertritt jedoch die Auffassung, dass seine politischen Opponenten ihn weder im Sitzungssaal des Kongresses der Volksdeputierten noch in den Tagen des „Putsches“ zu besiegen vermocht hätten. „Es war so, dass sie es politisch nicht schafften. Das Volk hatte bereits vieles verstanden. Die Militärs sagten: Nein, stürmen werden sie nicht. Und Jasow entfernte sofort alles Militär aus der Stadt. Aber sie hatten die Situation dadurch noch komplizierter gemacht und meine Autorität unterminiert“.

Gorbatschow, damals Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, bedauert, sich mit der Reform der Partei verspätet zu haben, obwohl bereits die Frage nach einem neuen Parteiprogramm erörtert und der Beschluss gefasst worden war, einen außerordentlichen Kongress einzuberufen. „Als Ablösung war ein anderes System im Kommen. Wir wählten den Kongress der Volksdeputierten, den Obersten Sowjet bereits aus den Reihen neuer Leute. Und die kämpften verbissen für den neuen Vertrag“, erinnert er sich. „Im August lag bereits ein Antikrisenprogramm vor. Wir schafften Strukturen, die das Land hochgezogen hätten“, davon ist Gorbatschow überzeugt.

Mit der Entwicklung Russlands sei er nicht zufrieden, sagte der Friedensnobelpreisträger, „unterstütze“ aber den früheren russischen Präsidenten und heutigen Regierungschef Wladimir Putin – trotz „autoritärer Tendenzen“. Er kritisierte jedoch dessen Partei Einiges Russland, weil sie der Kommunistischen Partei der Sowjetunion ähnele. Es dürfe aber kein „Monopol“ geben. „Wir dürfen die Sowjetunion nicht in ihrer schlimmsten Form wiederholen“.

Zur neuen Partei Prawoje Delo (Die Rechte Sache) befragt, war er der Meinung, dass sie bei den bevorstehenden Wahlen durchaus Chancen hätte, Vertreter in die Staatsduma (Unterhaus des russischen Parlaments) zu entsenden.

Russland zeige leider auch rückwärtsgewandte Tendenzen. Nach den Maßstäben von Ländern wie Österreich lebten 96 Prozent der Russen unter der Armutsgrenze, die Sterblichkeit sei so hoch wie in afrikanischen Ländern und an den Hochschulen würden nur halb so viele Diplome gemacht wie nach dem Zweiten Weltkrieg.

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