Gas aus den USA statt aus Russland?

[von Dr. Christian Wipperfürth] Die USA werden vom Gasimporteur zum Exporteur. Dies wird Auswirkungen auf den europäischen Markt haben, aber andere als erwartet wird.

Halten wir fest:

  1. Die über Jahrzehnte sehr ergiebige Förderung aus den Feldern in den Niederlanden und der Nordsee sinkt rasch. Norwegen wird den Rückgang nur zum kleineren Teil ausgleichen können. Beides ist unstrittig. Zudem wird der Gasverbrauch nach Ansicht der meisten Beobachter in absehbarer Zeit weiter ansteigen. Kritiker bezweifeln diese Angaben und verweisen auf alternative Energien, die rasch an Konkurrenzfähigkeit gewinnen. Unternehmen sind jedoch bereit, Milliarden in die Erschließung von Ressourcen oder in den Pipelinebau zu investieren. Wäre es vernünftig sie daran hindern zu wollen? – Aber vielleicht sollte und könnte ein beträchtlicher Teil des wachsenden Importvolumens nicht aus russischen Gasfeldern, sondern aus den USA kommen?
  2. Die USA waren noch vor zehn Jahren einer der größten Gasimporteure weltweit. Die „Schiefergasrevolution“ hat dies geändert. 2017 werden sich die Gaseinfuhr und Gasausfuhr etwa die Waage halten. In wenigen Jahren werden die USA nennenswerte Gasmengen exportieren können. Bereits abgeschlossene Verträge machen zum einen aber deutlich, dass sie nur zu einem kleineren Teil nach Europa geliefert werden. Zum anderen werden sie in absehbarer Zeit auch unter günstigen Voraussetzungen nur einen niedrigen Prozentsatz des Importbedarfs der EU-Länder decken können. US-Lieferungen können die russischen nicht ersetzen, sie werden aber einen erheblichen Einfluss auf den europäischen Markt ausüben:
  3. Gazprom steht unter Druck und wird in Zukunft noch flexibler agieren müssen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf den Preis. Gazprom ist in dieser Hinsicht nicht nur bereit zu handeln, sondern auch in der Lage. Darum war der Anteil russischen Gases am EU-Gasimport 2016 so hoch wie nie. Es ist somit nicht Gazprom, das sinkende Marktanteile zu befürchten hat, sondern es sind die Gaslieferanten des Mittleren Ostens. Diese sind nur eingeschränkt in der Lage Zugeständnisse zu machen, denn der Transport des Flüssiggases über tausende Kilometer ist sehr kostspielig – und übrigens umweltschädlicher als die Lieferung über Pipelines. Die US-Konkurrenz betrifft Russland somit nur indirekt, es werden die Emirate sein, die ebenso wie die USA ihr Gas als LNG liefern, deren Marktanteil sinken wird.
  4. Die EU-Kommission und einige Mitgliedsländer haben jahrelang darauf beharrt, dass „Nord Stream“ den Anforderungen des „Dritten Energiepakets“ genügen müsse, was z.B. die Bundesregierung bestritt. Brüssel wollte den Bau verhindern. Aber nicht einmal die Rechtskommission der EU-Kommission teilt die Auffassung ihrer Chefs. Die Kommission schloss sich in diesem Frühjahr der Position ihrer Juristen an. Die EU-Kommission will nunmehr das Recht umgehen und ein politisches Verhandlungsmandat erhalten, um die Realisierung der Pipelineerweiterung zu torpedieren. Dieses Recht werden ihr Deutschland und einige andere Staaten vermutlich nicht erteilen. Es wird lautstarken Streit geben, die geplante Erweiterung der Ostseepipeline ist gleichwohl aus den oben aufgeführten Gründen sehr wahrscheinlich.

Durch die USA tritt ein weiterer Lieferant auf den Plan, was tendenziell einen Druck auf die Preise ausübt. Dies ist im Interesse der hiesigen Verbraucher. Anders wäre es, noch dazu ohne Rechtsgrundlage, einen bestimmten Anbieter, nämlich Russland, am Marktzugang zu hindern. Dies triebe die Preise nach oben.

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