Fluchtversuch: Mitglieder der GTA-Bande im Gericht erschossen

Am Dienstagnachmittag wurden in Moskau drei Angehörige der sogenannten GTA-Bande bei einem Fluchtversuch von der Polizei erschossen. Die Getöteten hätten sich wegen bandenmäßigen Überfällen auf Straßen im Moskauer Gebiet, bei denen ihre Opfer ermordet wurden, verantworten müssen. Mindestens sieben weitere Personen sollen verletzt worden sein.

Wie Tatjana Petrowa, die Pressesprecherin des russischen Innenministeriums bekannt gab, hätten fünf der neun Angeklagten im Fahrstuhl des Gerichtsgebäudes zu fliehen versucht. Ein Angreifer habe demnach versucht einen der zwei Sicherheitsbeamten zu würgen. Die anderen konnten anschließend offenbar dessen Waffen in ihren Besitz bringen und wollten durch einen Notausstieg flüchten. Bei einer anschließenden Schießerei seien drei von ihnen erschossen worden, zwei wurden verletzt. Verletzungen sollen laut der Nachrichtenagentur Tass auch ein Beamter der russischen Nationalgarde sowie zwei Polizisten bei dem Schusswechsel davon getragen haben.

Den Angaben der Behörden handele es sich hierbei um einen Begleitpolizisten sowie einen Beamten der Spezialeinheit OMON. Eine lokale Zweigstelle des Gesundheitsministeriums berichtet außerdem von zwei weiteren verletzten Personen, einer 40-jährigen Frau und einem Mann im Alter von 45 Jahren. Sie hätten laut dem Ministerium allerdings keine Schussverletzungen erlitten und ihr Zustand sei weitgehend stabil. Natalija Osipowa, die Pressesprecherin des verhandelnden Gerichts hob hervor, dass das Gebäude unverzüglich evakuiert worden wäre und sämtliche Anhörungen und Verhandlungen ausgesetzt wurden.

Die Rechtsanwältin Sofia Rubasskaja sprach zunächst von vier Toten und mindestens zwanzig Schüssen, die in dem Gebäude gefallen seien. Auch sie bestätigte, dass das Leben der Gerichtsangestellten nicht in Gefahr gewesen sei. Die neun Angeklagten aus Zentralasien, gegen die ursprünglich verhandelt werden sollte, sollen alle Mitglieder der „GTA-Bande“ gewesen sein. Sie trieb ihr Unwesen in den Jahren zwischen 2013 und 2014 auf Moskaus Straßen und im südwestlichen Umland.

Islamisten oder nur einfache Kriminelle?

Die kriminelle Vereinigung wurde im Jahr 2012 von einem 32-jährigen Kirgisen mit usbekischen Wurzeln, Ibaydullo Subkhanow, unter dem Pseudonym Rustam Usmanow gegründet. Russische Medien gaben der Bande den Namen mit Anspielung auf das Videospiel „Grand-Theft-Auto“. GTA hatte sich darauf spezialisiert, Autofahrer zu töten und auszurauben. Insgesamt 17 Morde sollen auf ihr Konto gehen. Bei ihren Raubzügen stoppte die Bande mit selbst hergestellten Metallkrallen, sogenannten Krähenfüße, Fahrzeuge auf der Straße, deren Insassen sie dann töteten. Erst 2014 konnten die Behörden dem mörderischen Treiben der Bande ein Ende setzen.

Sogar der russische Präsident Wladimir Putin gratulierte seinem Innenminister Wladimir Kolokoltsew zu den erfolgreichen Untersuchungen gegen die Bande. Putin bezeichnete die Taten als terroristisches Verbrechen. Die Behörden hatten einige Kilogramm hochexplosiven Plastiksprengstoff in Verstecken gefunden, die auch zu Terrorangriffen hätten benutzt werden können. Der Gruppe wurde daraufhin die Zugehörigkeit zu islamistischen Kreisen unterstellt. Die Bande selbst nannte sich „Jaamat“, was im Arabischen zwar auch nur „Gruppe“ bedeutet, jedoch wesentlich besser zum Dschihad passt. Ihr Ziel sei gewesen „Ungläubige zur Strecke zu bringen“, wie ein Regierungssprecher damals sagte.

Diese Theorie wurde von den russischen Behörden jedoch nicht bestätigt. Die Täter hätten ausschließlich aus persönlichen gewinnträchtigen Motiven gehandelt und ihre Opfer beraubt, hieß es stattdessen in russischen Gazetten. Die Mordserie hatte in den Medien zu diversen Spekulationen geführt, die daraufhin wild ins Kraut schossen. Satanisten sollen es gewesen sein – immerhin erinnerten die schwarzen Krähenfüße an Kruzifixe.

Wladimir Schirinowski, Chef der Liberaldemokratischen Partei sah wiederum nationalistische Gangster aus der Ukraine am Werk. GTA sei daher eine subversive Taktik gegen den russischen Staat. Einige hielten die Morde sogar für „Aufwärmübungen“ einer großen Mafia-Organisation.

GTA als Aufnahmeprüfung für Nachwuchskiller?

Im Oktober 2015 trat der Chefermittler im TV-Sender “Rossija 24” allen Gerüchten entgegen und wiederholte die offizielle Version: Das Motiv sei „die Inbesitznahme von persönlichem Eigentum und Geld.“ Was, wieviel, wann und wo? Darüber gab es nie Angaben. Das löste erneute Spekulationen aus: Will der Kreml etwas verbergen? Oder ging es nur darum, ethnische Zusammenstöße zu verhindern. Innerhalb der zuständigen Behörden hatte der Fall für Wirbel gesorgt, Ermittler und Strafverfolger waren sich in die Quere gekommen.

Bereits im November 2014 kam mit Alexej Starowerow, dem Generalstaatsanwalt der staatlichen Anklage, weitere Bewegung ins Spiel. Im Zuge interner Ermittlungen musste sich Starowerow wegen dem illegalen Besitz von Waffen und Munition, die in seiner Villa gefunden wurden, verantworten. Am Vortag war er bereits seines Amts enthoben worden. Insgesamt belief sich sein sichergestellte Vermögen mit dem seiner Frau auf fast fünfzig Millionen Rubel, rund 800 Millionen Euro. Offiziell befand sich das Geld sowie die Villa mit Grund im Besitz ihres minderjährigen Sohnes, einem typischen Vorgehen, um Kapital vor der Öffentlichkeit zu verbergen.

Der stellvertretende Staatsanwalt Viktor Grin schritt unverzüglich ein und erteilte persönlich den Auftrag, den Fall Starowerow wegen unangemessener Härte in einem lange währenden Konflikt zwischen dem Untersuchungsausschuss und der Generalstaatsanwaltschaft beizulegen. Alexej Starowerow kam kurz danach wegen Herzproblemen in ein Krankenhaus. Dr. Konstantin Ljadow, der ebenfalls auf der Liste der Zeugen stand, die zu der GTA-Bande befragt wurden, war sein behandelnder Kardiologe.

Ljadows Villa im Gebiet Krasnogorsk diente offensichtlich Fazalitdin Khasanov, einem weiteren Mitglied der GTA-Bande, um Waffen umzuarbeiten und zu modifizieren. Am 28. Juni 2016 kam die Angelegenheit schließlich an das Oberste Gericht des Oblast Moskau. Korruption lag in der Luft und so hat es sich Alexej Nawalny nicht nehmen lassen, die GTA-Bande in sein Anti-Korruptionsvideo Tschaika zu hieven. Der Oppositionsführer benutzte dabei die Verbindungen Starowerows, um die abtrünnigen Ankläger der Tarnung von Terroristen des sogenannten Islamischen Staats zu bezichtigen.

Der mysteriöse Fluchtversuch nährt nun erneut Spekulationen. Weshalb waren lediglich zwei Beamte als Sicherheitspersonal für die potentiell Schwerkriminellen abgestellt worden, während in russischen Gerichten üblicherweise sehr streng auf Sicherheit geachtet wird – wo in vielen Prozessen Angeklagte mit weit weniger Gefährdungspotential während der Verhandlung in Käfigen oder hinter Glas sitzen müssen? Wurden die Getöteten am Ende sogar bewusst aus dem Weg geräumt, um unliebsame Machenschaften und Verstrickungen der Behörden im Keim zu ersticken? Die Wahrheit, sofern sie je ans Licht kommt, dürfte irgendwo dazwischen liegen.

[Michael Barth und Hans-Ulrich Berger/russland.NEWS]

 

 

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