Festmüllverwertung mausert sich zum Geschäftsfeld in Russland

Von Ullrich Umann Moskau (gtai) – Umwelttechnik ist in Russland aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise nur schwer verkäuflich. Die Kunden – Regionen, Städte und Gemeinden – haben eklatante Finanzierungsprobleme. Unterdessen wachsen die Müllberge weiter. Mancherorts stellen sie eine ernsthafte Umweltbedrohung dar. Was die Ökonomie nicht schafft, erzwingt daher die Natur: Investitionen der öffentlichen Hand in die nachhaltige Festmüllentsorgung.

Die Festmüllverwertung wird vielleicht doch noch „Big Business“ in Russland. Nach Jahren des Stillstands in der Abfallbranche will das Moskauer Gebiet den Anfang machen. Im Laufe von fünf Jahren sollen 15 Wärmekraftwerke gebaut werden. Die Besonderheit bei diesen Anlagen besteht darin, dass sie zum Verfeuern von Festmüll geeignet sind. Im Ergebnis sollen 80% weniger Abfälle auf Deponien landen.

Eine entsprechende Absichtserklärung wurde im Juni 2015 zwischen dem Moskauer Gebiet und einem Joint Venture aus der Staatsholding Rostec und dem japanisch-schweizerischen Unternehmen Hitachi Zosen Inova unterzeichnet. Zur ausreichenden Versorgung der Kraftwerke mit Brennstoff ist vorgesehen, ein an die regionale Spezifik angepasstes System zum Sammeln und Transportieren von Abfällen zu entwickeln.

Hohe Kosten behindern Umweltprojekte

Dass es sich bei diesem Vorhaben der Region Moskau vorrangig um eine umweltpolitische und weniger um eine kommerzielle Entscheidung handelt, wird daraus ersichtlich, dass Hitachi Zosen Inova vor Ablauf aller Planungen nicht einmal in der Lage sein wird, die Kosten pro Anlage genau zu beziffern. Die Region hat sich dennoch auf Verhandlungen eingelassen.

Vorerst wird der Wert aller 15 Anlagen vorsichtig auf 400 Mrd. Rubel (5,81 Mrd. Euro, 1 Euro = 68,79 Rubel, Stand: 23.10.2015) geschätzt. Für die finanzielle Belastung des Regionalbudgets ist mittel- bis langfristig ebenfalls einzukalkulieren, dass es beim derzeitigen Stand der Technik auf eine Subventionierung der Elektro- und Wärmeenergie hinausläuft, die aus der Müllverbrennung gewonnen wird. Bislang fallen bei der Energieerzeugung aus Festmüll nämlich höhere

Gestehungskosten an als bei herkömmlichen Energieträgern. Der Einspeisungspreis ins Netz könnte dadurch höher ausfallen als die derzeit geltenden Strom- und Wärmegebühren, die der Endverbaucher zu bezahlen hat.

Dem Beispiel des Moskauer Gebiets werden andere Regionen trotz Mehrkosten folgen. Denn die vorhandenen ingenieurtechnischen Einrichtungen zur Festmüllbeseitigung sind schon lange an ihre Belastungsgrenzen gestoßen. Nach Angaben der Umweltbehörde Rosprirodnadzor liegt die Zahl der Unternehmen zum Transportieren, Sortieren und Verwerten von Abfällen landesweit bei unter 400. Es existieren offiziell 1.092 Deponien. Das reicht aber nicht aus, um der Müllberge Herr zu werden. Die Ausweitung wilder Deponien lässt sich ohne Investitionen nicht mehr eindämmen.

Industrie zur Müllverwertung unterentwickelt

Nur maximal 5% der Festabfälle werden industriell verwertet, so Rosprirodnadzor. Ein Tiefstwert, der auf Dauer nicht hinnehmbar sei. Das Föderale Zentrum für Projektfinanzierung (FCPF), ein Tochterunternehmen der Außenwirtschaftsbank VEB speziell für Kommunalprojekte, schlägt deshalb vor, in stärkerem Maße private Investoren in Umweltprojekte der Städte und Gemeinden, darunter zur Abfallverwertung, einzubeziehen.

Bislang waren private Initiativen in Kommunalprojekten entweder schon im Ansatz gescheitert oder sie konzentrierten sich vornehmlich auf das Einsammeln und Trennen von Festmüll. Zumindest die Verwertung von Rohstoffen nach der ersten Abfalltrennung versprach einen relativ schnellen Rücklauf der investierten Mittel.

Investoren warten auf neue Regularien

Bislang scheiterte der Bau von Anlagen zur Müllentsorgung durch private Investoren in der Regel an nicht gegebenen Garantien zur Mindestmenge für angelieferten Müll. Auch gibt es bis heute keine Dienstleistungstarife zur Müllverbrennung. Ein solches Tarifwerk soll erst noch geschaffen werden. Hinzu kommt, dass die Duma trotz jahrelanger Diskussion immer noch kein föderales Gesetz für Public Private Partnerships verabschiedet hat. Bis regulative Besserungen eintreten, beschränken potenzielle Brancheninvestoren ihre Aktivitäten daher auf die Sondierung des Markts.

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