Einwanderer aus Deutschland

Sie erleichtern uns das Russisch Lernen ungemein. Zahlreich sind sie vertreten und führen dazu, dass man in vielen Fällen Russisch mühelos versteht, als ob es gar keine Fremdsprache wäre.

Nein, mit den Einwanderern aus Deutschland sind nicht die Russland lebenden deutschen Gastarbeiter und Geschäftsleute gemeint- mit denen kann man ja Deutsch sprechen- sondern die deutschen Lehnwörter: Штраф, гастарбайтер, фейерверк und ландшафт. Deutsche Lehnwörter gibt es in den unterschiedlichsten Bereichen.

Der бюстгальтер und der бухгалтер haben nur bedingt was zu tun miteinander, kommen jeder aus einer völlig anderen Ecke. Auch ein фельдмаршал sollte nicht allzu viel mit Büstenhaltern zu tun haben, ebensowenig wie mit einer Флейта oder einem форейтор.

Die Geschichte der massenhaften deutschen Einwanderung beginnt mit Peter I. Der von Europa begeisterte Zar unterzog Russland einer alles umkrempelnden Modernisierung, die einherging mit einer umfassenden Verwestlichung von Kultur, Gesellschaft und eben auch Sprache. Holland war damals das modernste Land Europas. So klingen denn viele ins Russische übernommene Fremdwörter für deutsche Ohren irgendwie vertraut, verständlich, ohne aber richtig deutsch zu sein:

Флагшток (Fahnenstange), флагман (Flaggschiff) und глинтвейн (Glühwein) haben was deutsches an sich, gleichzeitig gibt es auf deutsch weder einen Flagstock noch den Glintwein. Das liegt nicht nur daran, dass diese Lehnwörter mittlerweile 300 Jahre alt sind und uns daher etwas eigenartig daherkommen, sondern eben auch an ihrer ursprünglich holländischen Herkunft.

Da vor allem technische Neuerungen importiert wurden, ist es kein Zufall dass vor allem in der Schifffahrt, dem wichtigsten Industriezweig des 18. Jahrhunderts, die Fremdwörter gehäuft anzutreffen sind – vom юнга (Schiffsjungen) bis zum капитан.

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Peter I. selbst mischte munter Deutsch, Holländisch und Lateinisch mit Russisch und sprach in seinen Briefen den Empfänger mit ’’ мейн либен фрейнд’’ an.

Neben der Schifffahrt ist das Militärwesen die zweite Hochburg der deutschen Lehnwörter, als preussische Exportschlager jener Zeit schätzte Russland обер-полицмейстер, фельдфебель, штаб u.ä. Vor allem Pawel I., der von 1796 bis 1801 herrschte, war extrem von Deutschland begeistert und unterzog Russland einen regelrechten Verpreussung. Wen wundert’s, dass seine Untertanen vom ganzen Drill wenig begeistert waren und der ungeliebte Zar einer Palastrevolte unzufriedener Adliger zum Opfer fiel.

Später, im 20 Jahrhundert, kamen weitere traditionelle, typisch deutsche Begriffe wie гестапо, фюрер und люфтваффе dazu. Auf diese Sprachimporte hätte Russland wohl liebend gern verzichtet.

Die Lehnwörter werden allesamt ungeachtet ihrer ausländischen Wurzeln nach der russischen Grammatik dekliniert. So ist die Mehrzahl von курорт nicht курорте, wie auf Deutsch, sondern entsprechend den russischen Regeln курорты. Mit russischer Grammatik umwoben fügen sich die auf den ersten Blick so exotisch wirkenden, so quer in der Landschaft stehenden Lehnwörter schon viel besser ins russische Sprachgefüge ein: Два гастарбайтера с фельдмаршалом едут на курорты и пьют глинтвейн на брудершафт.

Dieser Text wurde uns von den Liden & Denz Sprachschulen für Russisch in St. Petersburg und Moskau zur Verfügung gestellt.

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