Duma will Minihotels und Hostels weitgehend verbieten

[Von Lothar Deeg] – In St. Petersburg, der „Hauptstadt der Minihotels“ geht die Panik um – zumindest unter den Betreibern der kleinen und günstigen Herbergen. Ein neues Gesetz soll das Anbieten von Unterkünften in Wohngebäuden untersagen.

Am Freitag verabschiedete die Duma einstimmig in erster Lesung eine gerade einmal 14 Worte lange Veränderung im russischen Wohnungsrecht. Sie verbietet die Unterbringung von Hotels oder die Gewährung von hotelartigen Dienstleistungen in Wohnräumen. Punkt.

Wohnungen sind – im Gegensatz zu Gewerbeflächen – zum Wohnen da. Ein Hotel oder Hostel ist aber ein Gewerbebetrieb – und mithin nicht legal, wenn dafür Räumlichkeiten genutzt werden, die nicht für eine gewerbliche Nutzung freigegeben wurden. Was für die Abgeordneten nach einer sauberen und logischen Lösung eines sich seit langem aufdrängenden Problems aussieht, könnte sich für die Tourismusbranche – vor allem in St. Petersburg – zu einer mittleren Katastrophe auswachsen.

Denn in der alten Zarenmetropole gibt es inzwischen (so genau weiß es niemand) zwischen 800 und 1500 kleiner Beherbergungsbetriebe – die meisten davon in der historischen Innenstadt. Nach Angaben der Stadtverwaltung entfallen 17 Prozent des Petersburger Bettenangebots auf Mini-Hotels und Hostels. Und die Zeitung „Kommersant“ schreibt, dass sich 80 bis 90 Prozent dieser Kleinherbergen in Wohnhäusern befinden.

Hostel-Nachbarn sind nicht zu beneiden

Befeuert wurde die Gesetzesinitiative durch viele durchaus berechtigte Klagen von Bürgern, deren Wohnungen sich in Häusern befinden, in denen andere Wohnungseigentümer die Geschäftsidee entwickelt haben, doch Touristen oder Gastarbeiter unterzubringen. In vielen Fällen mag dies harmlos sein – wenn die Wohnungen nicht groß sind und darin ein schickes Mini-Hotel für ruhebedürftige Geschäftsreisende oder Kulturtouristen eingerichtet wurde. Ein Minihotel kann aber auch ein jugendherbergsartiges Massenquartier mit Doppelstockbetten dicht an dicht sein – und das nicht unbedingt nur für budgetsensible Rucksacktraveller, sondern auch für Arbeitsmigranten, die sich ihre Koje erst als Taglöhner verdienen müssen.

So etwas bedeutet eine enorme Belastung für Infrastruktur eines Hauses wie auch für die Nerven der Bewohner: In den Treppenhäusern herrscht ein stetiges Kommen und Gehen, viel Müll fällt an, es wird immer wieder laut – und viele Hostelbetreiber pfeifen auf Vorschriften, die beispielsweise den Einbau von Duschen oder Küchen abseits der dafür ursprünglich vorgesehenen Räumlichkeiten verbieten. In der Petersburger Innenstadt gibt es schon Gebäude, in denen die Mehrheit der Wohneinheiten inzwischen auf diese Weise genutzt wird.

Tourismus-Business in Gefahr

Andersrum wird aber auch ein Schuh draus: Die Minihotels sind inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für St. Petersburg. Das gesamte Tourismusgeschäft könnte darunter leiden, wenn viele der günstigen Unterkunftsmöglichkeiten in zentraler Lage wegfallen würden. Deshalb setzte sich auch gleich der Beirat des Gouverneurs zur Entwicklung des Kleinunternehmertums zusammen und verfasste einen Appell an den Gesetzgeber, die Neuregelung nicht gar so schlicht zu formulieren. Ansonsten würde der ganze Gewerbezweig faktisch vernichtet.

Beiratsvorsitzende Jelena Zereteli erklärte gegenüber dem „Kommersant“, dass ohnehin im Vorfeld der Fußball-WM 2018 alle Petersburger Beherbergungsbetriebe einer Klassifikation unterzogen würden. Bei diesem General-Check mit einem Sterne-System würden ohnehin alle „zweifelhaften Unterkunftsvarianten ausgesiebt“. Das neue Gesetz würde die bisher geleistete Arbeit in diesem Bereich mit einem Federstrich zunichte machen.

Die vom Gesetzgeber als Ausweg angebotene Überführung von Wohnraum in Gewerbeflächen sei hingegen überaus kompliziert. „Wenn das so einfach wäre, hätte das der Löwenanteil der Unternehmern schon lange gemacht“, so Zereteli. Voraussetzung für die offizielle Nutzungsänderung sind zum einen bauliche Maßnahmen wie der Einbau von Alarmanlagen, Rauchmeldern, Lärmschutz und Fluchttüren – und die Grundregel, dass sich eine Gewerberäumlichkeit nicht über einer Wohneinheit befinden darf.

Smolny steht auf Seiten der Minihoteliers

Auch die Petersburger Stadtverwaltung steht auf der Seite der Minihoteliers – zumindest in Person des Chefs des Komitees für Tourismusentwicklung, Viktor Kononow: „In den letzten 20 Jahren wurde eine große Zahl von Kommunalwohnungen mit hoher Zimmerzahl von Unternehmern aufgekauft und in Minihotels und Hostels umgewandelt. Das darf man nicht zerstören, denn dies ist ein Stützpfeiler des günstigen Unterkunftsegments in der Innenstadt Petersburgs.“ Diese Art der Nutzung würde sogar dazu beitragen, den historischen Anblick der Innenstadt zu bewahren, sagt er.

Wie der „Kommersant“ hinweist, steht die Radikallösung der Duma auch in Widerspruch zu einer erst im Januar in Kraft getretenen staatlichen GOST-Norm zu Unterkunftsbetrieben. Demnach ist es statthaft, Hostels in Wohnräumlichkeiten zu betreiben. Allerdings sollten die Quartiergeber natürlich auch alle anderen Normen beachten – was Umbauten, nächtlichen Lärm und Rauchen auf den Treppen etc, angeht.

Aber die werden ja von den Behörden nicht gerade intensiv durchgesetzt. Viel leichter ist es, schnell noch ein weiteres Gesetz zu verabschieden, das – vor allem so knapp vor den nächsten Wahlen – dem einfachen Bürger richtig und lobenswert erscheint.

[Lothar Deeg/russland.RU]

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