Du hast aus Russland die Weiblichkeit mitgebracht

Wenn man Inna Thomas (36) vor elf Jahren gesagt hätte, sie würde ein Fashioninstitut in Deutschland gründen und leiten, hätte sie wahrscheinlich nur ungläubig gelacht. Eigentlich kam sie nach Deutschland, um Deutsch zu lernen. Danach wollte die ambitionierte Russin ihr Englisch in Amerika verbessern, um danach in ihre Heimatstadt Saratov zurück zu kehren. Doch dann traf sie ihren künftigen Mann Harald… und blieb.

Am Anfang hatte sie es sehr schwer, gesteht die großgewachsene junge Frau. Sie lebte in einem kleinen Städtchen und man zeigte buchstäblich mit dem Finger auf sie: „Da ist die Russin, die hinter einem deutschen Mann her ist“. Sie soll putzen gehen, denn sonst habe man ja für eine Russin keine Verwendung hier. Doch die studierte Historikerin und diplomierte Modedesignerin wollte nicht so schnell aufgeben. Sie wollte doch immer Mode machen. Schon als junges Mädchen hat die 1,85 Meter große Inna gemodelt. „Später habe ich gemerkt, dass es mir mehr Spaß macht, selbst Kleidung zu kreieren, als fremde Sachen zu tragen“. Ihr Mann hat ihr zuerst vorgeschlagen, BWL zu studieren. Aber das war ihr doch zu fremd.

Nach der Geburt ihres ersten Kindes kam die Entscheidung: sie wollte eine Modeschule gründen. „Ich hatte nichts zu verlieren“, lacht Inna. Denn sie saß sonst mit einem Kleinkind zuhause. Ohne ihren Mann hätte sie aber diesen Schritt nicht geschafft. Er unterstützte sie von Anfang an. Vor neun Jahren gründeten die beiden ein Fashion Designer Institut in Düsseldorf. An ihrer privaten Berufsschule, die heute als eine der innovativsten Bildungsstätten Deutschlands gilt, lernen 250 Studenten Modedesign und Modejournalismus. Inna ist dabei der kreative Kopf des Instituts und unterrichtet Geschichte des Kostüms und Design, Harald Thomas ist für das Geschäftliche zuständig.

Das Geheimnis ihres Erfolgs liegt vor allem daran, dass sie eine sehr praxisbezogene Ausbildung anbieten. „Talentierte und kreative Modedesigner gibt es genug, aber nicht viele wissen, wie man ein Hemd macht, dass auch industriell angefertigt werden kann“, erklärt Inna Thomas. Ihre „typisch russische“ Disziplin und Zielstrebigkeit haben ihr dabei sehr geholfen, meint sie. Bis heute kann sie nicht verstehen, dass es in Deutschland üblich ist, das Studienfach zu wechseln: „In Russland absolut undenkbar“. Man gibt sein Bestes und geht direkt zu seinem Ziel. Und sie mache alles mit Herz. So freut sie sich sehr über die Erfolge ihrer Absolventen, denn einige haben es bis in die italienische Vogue geschafft oder arbeiten bei Roberto Cavalli.

Ihren Traum von einem eigenen Modelabel hatte die zweifache Mutter auch nicht aufgegeben und gründete die Marke Sava Nald. Ihre Mode ist sehr feminin und eher klassisch als extravagant. „In meinen ersten Kollektionen gab es sogar keine Hosen, ich habe nur Kleider und Röcke entworfen“. Sie benutzt gern russische Motive und Elemente und verarbeitet sogar russische Geschichte in ihren Kollektionen. So hat sie sich zum Beispiel von der Epoche des Zaren Nikolaus des 2. Inspirieren lassen. Und wenn sie zu Beginn ihres Lebens mit vielen Klischees konfrontiert wurde, so wird ihre Herkunft in der Modewelt nur positiv gesehen. „Alle sagen, du hast aus Russland diese Weiblichkeit mitgebracht“, lacht Inna. Auch ihr Äußeres – stolzes Auftreten, hohe Wangenknochen und Katzenaugen – verbinden viele Menschen mit einem Bild von einer echten Russin. A propos, was macht eigentlich eine Russin aus? Es ist wirklich, wie der russische Dichter Nekrasow sagte: „Sie bringt ein Ross zum Stehen und kann in ein brennendes Haus gehen!“ Russische Frauen können irgendwie alles: gut und gepflegt aussehen, sich liebevoll um ihre Familie kümmern, berufstätig sein, Geld verdienen. Und sie sehen es als ihre Aufgabe, ihren Ehemännern zur Seite zu stehen, sie zu unterstützen. Auf der anderen Seite, stehen sie total unter Druck: sie denken, immer schön sein zu müssen und sehen sich schon mit 40 Jahren in Sachen Partnerschaft als chancenlos. Inna Thomas persönlich findet es schön, wie frei von diesem Druck sich die deutschen Frauen fühlen.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

 

 

COMMENTS