Strategien – wie weiter im Donbass?

 Wie soll es nun nach der Eroberung der kleineren Zentren der Separatisten militärisch weiter gehen? Von Waffenstillstand spricht keiner mehr, gefragt sind auch unter ostukrainischen Onlinemedien mehr Militär- und Taktikexperten, oft aus Russland. Wir stellen hier vor, was diese in verschiedenen Artikeln ostukrainischer Onlinezeitungen von sich geben.

Separatisten: Von Rebellen zur Guerilla?

Bei den Rebellen ist eine Konzentration ihrer größeren Kräfte auf Donezk und Lugansk sowie die Gegenden von dort zur russischen Grenze schon durchgeführt worden. Nur so konnte nach Ansicht von Militärexperten verhindert werden, dass ihre „regulären“ und weit unterlegenen Einheiten bereits schon jetzt unter der Wucht der Regierungsoffensive zusammen brechen. Doch auch bei einem verlustreichen Einmarsch von Armee und Nationalgarde rechnet man nicht mit einem Ende der separatistischen Bewegung.

Es liegen schon Planungen vor, dann voll auf die Taktik von Guerilla – oder traditioneller ausgedrückt – Partisanen zurückzugreifen. In den von der Armee bereits eroberten Gebieten ist das schon Realität, wie immer wieder aufflammende Kämpfe bei Mariupol oder Slawjansk oder auch mehrfache Brückensprengungen an Nachschubrouten der Armee zeigen. Die Voraussetzungen für diese Art der Kriegsführung ist im Donbass ideal, verfügen die Separatisten doch über ein großes Unterstützerumfeld in der örtlichen Bevölkerung, aus der die Mehrheit der dann untergetauchten Kämpfer selbst stammt. Auch Tradition hat diese Art des Kampfes hier vor Ort aus dem Zweiten Weltkrieg. Anders als damals könnte eine Guerillabewegung jedoch auch in großen Metropolen entstehen („Stadtguerilla“), denn auch die Separatisten kennen diese moderne Form der Untergrundarmee, die es beispielsweise in verschiedenen lateinamerikanischen Staaten im späten 20. Jahrhundert über Jahrzehnte gegeben hat.

Regierung: Totaler Sieg statt Waffenstillstand

 Vor allem bei den radikalen regierungstreuen Milizen und der Nationalgarde ist klar, dass sie den aktuellen Vormarsch bis zum totalen militärischen Sieg durchhalten will. Manche Experten zweifeln daran, dass bei einem erneuten Waffenstillstand dieser überhaupt von solchen Truppen eingehalten werden würde. Das war auch bei dem befristeten Waffenstillstand von vor einigen Wochen nicht der Fall.

Militärexperten rechnen mit einer Belagerung, Einkesselung und einem Einmarsch der Regierungstruppen in Donezk und Lugansk. Dies ist ein Prozess der sich, wie im Falle von Slawjansk über Wochen oder gar Monate hinziehen kann, aber auch an Fahrt gewinnen – je nachdem wie viel die ukrainische Regierung bereit ist an Menschenleben zu opfern und wie effektiv der Widerstand der Separatisten sich formiert. Bereits während der Belagerung wird damit gerechnet, dass man vomn Seiten der Regierungstruppen versucht, Donezk und Lugansk voneinander und von der russischen Grenze abzuschneiden. Sollte man sich die Zähne an der Einnahme der Städte ausbeißen – erst dann könnte auch für die Regierungstruppen ein Waffenstillstand wieder ein gangbarer Weg sein.

Falsche Feindeinschätzung

Einen Spaziergang wird es jedoch für die voraussichtlichen Sieger keinesfalls geben. Denn anders als in Tagesschau-Kommentaren (die hier genau gleich zu ukrainischen Regierungsmedien sind) handelt es sich bei den Separatisten nicht mehrheitlich um „Kriminelle“ und „Söldner“, sondern um Männer mit aktiver Militärerfahrung und Überzeugungstäter – russlandortienter Nationalisten (um das einmal betont neutral auszudrücken). Genau die Art von Kämpfern, die auch in einer scheinbar ausweglosen Lage Widerstand noch taktisch koordiniert fortführt. Da wird es in den kommenden Monaten für die Tagesschau noch einiges zu verheimlichen geben, damit das in Zusammenarbeit mit den Euromaidanern gelieferte Fernsehbild keine logischen Risse bekommt.

Doch eine falsche Feindeinschätzung gibt es nicht nur bei der Regierung. Auch die Rebellen beschäftigen sich viel mit der schlechten Kampfmoral der regulären ukrainischen Armee, vor allem von Rekruten, die häufig aus dem russischsprachigen Landesteil stammen und von denen bereits einige übergelaufen sind. Sie übersehen dabei jedoch die wachsende Beteiligung von Milizen an den Kämpfen auch auf Regierungsseite, wo sowohl überzeugte Neofaschsiten als auch von privater Seite gut ausgestattete und finanzierte Kämpfer im Donbass aktiv sind, die nicht widerwillig hart gegen Separatisten und ihre Sympathisanten vorgehen werden.

Roland Bathon – russland.RU

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