Donbass: Russlands Glaubwürdigkeitsproblem

Auf das Thema „sind reguläre russische Soldaten im Donbass“ hat sich die deutsche Mainstream-Presse nun eingeschossen. Hier ist am ehesten mit einem „Punktsieg“ über die unseligen „Russlandversteher“, die für solche Journalisten immer gleichzeitig Putin-Fans sind, zu rechnen. Und die Diskussion eignet sich prächtig zur weiteren Vernebelung der Tatsache, dass die Zivilisten im Donbass sowohl mehrheitlich Opfer der Regierungstruppen sind als auch die Rebellen ideell unterstützen.

Aktuell steht die These des Westens über reguläre russische Truppen in der Ostukraine – mal spricht man von 1.000, mal von 3.000 Soldaten – gegen die russische These von Veteranen und Urlaubern, die von Moskau und den Rebellen verbreitet wird. Schon alleine mit den „Urlaubern“ ist das so eine Sache, wie wir schon in unserem gestrigen „Fakt oder Fake“ festgestellt haben. Denn wenn es wirklich eine große Anzahl davon gibt, sei es nur im dreistelligen Bereich, ist es sehr unglaubwürdig, dass sie sich nicht im Geheimauftrag oder zumindest mit Duldung der russischen Regierung im Land befinden. Denn mit einem „Urlaub“ im Ausland ohne Genehmigung ihrer Vorgesetzten machen sie sich nicht nur strafbar – wer verbringt auch schon seinen Urlaub in einem Kriegsgebiet, selbst wenn er, wie mehr als drei Viertel der russischen Bevölkerung, mit den Separatisten sympathisiert? Hunderte von Soldaten kaum.

Erfahrungen der „Krim-Phase“

Nicht nur deswegen hat Russland mit seinen Aussagen ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn auch bekennenden Russlandverstehern fällt da leider gleich der März 2014 ein, als „kleine grüne Männer“ profilaktisch auf der Krim auftauchten, um deren organisierte Sezession von der Ukraine militärisch abzusichern. Auch diese wurden aus Moskau bestritten und erst örtliche Journalisten – nicht westliche – zeigten die Wahrheit. Dieses zu diesem Zeitpunkt noch von der Ukraine militärisch unprovozierte „heimliche“ Eingreifen war ein entscheidender Fehler, der die Glaubwürdigkeit der Putin-Administration dauerhaft beschädigte. Denn es war eben nicht wie im Georgienkrieg, als die Georgier als erste Aggressoren Südossetien militärisch überfielen und dann von den russischen Truppen zurecht wieder heraus geworfen wurden.

Auf der Krim war unzweifelhaft Russland als erstes militärisch aktiv für den Preis eines „reibungslosen“ Übergangs der Halbinsel nach Russland. Innenpolitisch kann man diese Entscheidung angesichts der Tatsache, wie es jetzt im Donbass ausschaut und wie friedlich auf der Krim, gut verkaufen. Außenpolitisch war diese Entscheidung jedoch ein Desaster, das noch auf Jahre wirken wird. Anders wäre es gewesen, wenn die Ukrainer zuerst die Sezession der Krim hätten gewaltsam verhindern wollen – ein angesichts der heutigen Politik in Kiew ein sehr wahrscheinliches Szenario und man hätte dann eingegriffen. Der Westen wäre trotzdem „empört“ gewesen und hätte Propaganda betrieben, aber ähnlich wie beim Georgienkrieg hätte man irgendwann die Wahrheit kleinlaut eingestehen müssen – dass der erste Aggressor die Euromaidan-Regierung ist.

Dem Putin-Fan, der entgegnet, die „grünen Männchen“ hätten ja erst den weitgehend gewaltfreien Übergang der Krim nach dem Willen der dortigen Bevölkerungsmehrheit ermöglicht, muss entgegen zusätzlich gehalten werden, dass man die Konflikte auf der Krim und im Donbass nicht voneinander trennen kann. Der „reibungslose“, militärisch abgesicherte Übergang der Krim animierte ja gerade im Donbass Abspaltungswillige dazu, diesen „Militärmodus“ auch zu versuchen. Dann kam als Antwort die Militärmaschinerie der Westukrainer mit ihren freiwilligen Nazi-Einheiten in Gang und das Ergebnis ist ein nun schon mehrmonatiger Bürgerkrieg.

Vorteil für die Mainstream-Propaganda

Ein verdeckter Einsatz einer großen Anzahl von russischen Soldaten im Donbass auf Befehl – egal ob im gefakten „Urlaub“ oder mit ihren Einheiten – ist ein ähnlicher Fehler und die gleichzeitig beste Munition für die Propagandamaschine des westlichen Mainstreams. Denn dieser arbeitet mit dem gezielten „Aufblasen“ der einen und Weglassen der anderen Wahrheit. Der Flugzeugabsturz MH17 war so lange in den Schlagzeilen, so lange man glaubte, die Story vom „praktisch sicheren“ Abschuss durch Separatisten oder Russen verkaufen zu können. Sie verhalf ohne Beweise dem Westen zur Rechtfertigung einer neuen Sanktionswelle. Auch am Boden wurden tote Zivilisten nur dann zur Hauptschlagzeile, wenn mutmaßlich die Rebellen die Schützen war – und wurden unter den Tisch gekehrt, wenn sie, wie in der großen Mehrheit der Fälle Opfer des großflächigen Beschusses durch Regierungstruppen waren. Die große Beteiligung und Zustimmung der Donbass-Bevölkerung beim Referendum für eine Unabhängigkeit war keine Silbe wert, da man zu sehr mit der „Legitimation“ der Abstimmung beschäftigt war.

Das gilt auch in dieser Woche: Die Erfolge der Rebellen bei ihrer Offensive seit dem Wochenende produzierten beim deutschen Mainstream entgegen der Gepflogenheit bei (notfalls erfundenen) ukrainischen Erfolgen keine einzige Zeile Berichterstattung, bis man aus Kiew Material für die Propagandaschlacht „Die Russen sind im Donbass“ (da waren sie natürlich eigentlich schon immer) lieferte. Jede russische Entscheidung für ein direktes Eingreifen hilft bei diesem Propagandakrieg, denn man muss dann nicht einmal etwas „aufblasen“ oder gar erfinden, wenn es real negatives für die eigene Scheuklappen-Auswahl zu berichten gibt. Und wenn man dann an sich zuvor unglaubwürdige Szenarien erfindet, wie die ukrainische Regierung eine offene Invasion aus Russland, wird es außer der schmalen Equipe der besser informierten wohl jeder glauben.

Die eigentlichen Opfer

Wer ist nun der Leidtragende eine Entwicklung wie dieser? Gleich vorweg: Putin-Fans „zu Fall“ bringen, wie das der Spiegel heute in einem Artikel hofft, würde auch ein massiver Einsatz russischen Militärs nicht, denn in diesem Milieu ist bereits jetzt die offene Zustimmung zu diesem Schritt spürbar, bevor die Rebellen militärisch unterliegen. Auch in der weit mehrheitlich proseparatistisch gesinnten Bevölkerung Russlands wird es dadurch keine Verwerfungen geben. Allenfalls kann man gemäßigtere „Russlandversteher“ nun wieder mit neuer Munition in die Defensive bringen, die unverschämterweise für eine europäisch-russische Verständigung eintreten ohne auch davor das Regime Putin aktiv unterstützt zu haben.

Die wirklichen Leidtragenden jeder militärischen Eskalation sind jedoch vor allem die Zivilisten vor Ort. Denn mehr Militär bedeutet immer mehr Kämpfe, mehr Zerstörung. Und es sind Zivilisten, die mehrheitlich – was auch immer ARD und ZDF berichten mögen – prorussisch eingestellt sind. Also die eigenen Leute, die keine Waffe in der Hand haben, sofern sie vor der Waffengewalt der Euromaidan-Truppen noch nicht meist nach Russland geflohen sind – noch eine Sache, die Westmedien jetzt noch besser kaschieren können.

Roland Bathon – russland.RU; Foto: Anna News, Creative Commons

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