Die wahren Helden von Sotschi [Tag 16]

Noch einmal schlafen, dann sind auch die XXII. Olympischen Winterspiele in Sotschi Geschichte. Wollen wir uns doch heute einmal dem Begriff Entfernung nähern. Schon bald reisen sie alle wieder ab und der profane, ja gar unolymische Alltag wird wieder beginnen. Noch ein bisschen Zeit für uns, die wahren Helden von Sotschi zu ehren. Denn Sie wissen doch: Dabei sein ist alles!

Der Unterschied, zum Beispiel bei Matthias Mayer aus Österreich und dem Norweger Kjetil Jansrud, betrug im alpinen Abfahren der Herren genau 00:00:10 Minuten. Das ist nicht viel werden Sie jetzt sagen. Wir auch, und trotzdem entschieden diese zehn Hundertstel über Gold und Bronze. Der Marc Oliveras, der kommt aus Andorra und brauchte für die gleiche Distanz sich den steilen Hang in Krasnaja Poljana hinabzustürzen gerade mal 6,53 Sekunden länger wie Mayer. Das ist jetzt auch nicht wirklich viel vertane Zeit. Und trotzdem noch genug, um den Ersten vom Vierzigsten zu trennen. Aber, um bei Oliveras zu bleiben. Möchten Sie sich vorstellen, die Distanz von etwa 3,5 Kilometern, bei einem Höhenunterschied von 1075 Metern, auf zwei schmalen Skiern mit mehr als einhundert Stundenkilometern herunter zu brettern? Sie sehen, da sind die wahren Helden von Sotschi.

Entfernung – ja, manchmal sind es nur hundertstel Sekunden. Manchmal aber auch eine Reise um die halbe Welt. Die Georgier etwa, die sehen das jetzt nicht so eng. Die haben gerade einmal 30 Kilometer Anreise ab der Grenze zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi gehabt. Die hätten quasi auch hinlaufen können. Anders bei den Neuseeländern mit ihrer Delegation. Sie mussten erst einmal 16.357 Kilometer Entfernung von ihrer Heimat bis ans Schwarze Mehr zurücklegen. Dreißig Stunden hat das mit dem Flugzeug gedauert. Gut, drei Mal mussten sie umsteigen. Nichtsdestotrotz, heim fliegen müssen sie ja auch alle wieder. Dann mal gute Reise.

Um das Wort Entfernung nun aber mal so richtig zu würdigen, lassen Sie uns ein wenig philosophischer werden, um der eigentlichen Distanz ein bisschen näher zu kommen. So irgendwie für innen drin und so, Sie wissen schon. Der 19-Jährige Skirennfahrer Yohan Goutt Goncalves nämlich stammt von der Pazifikinsel Osttimor. Ist auch verdammt weit weg, stimmt. Und tropisch dazu. Und Schnee gibt es auch keinen. Deshalb sah seine Muttersprache auch gar keine Notwendigkeit, ein Wort für „Skifahren“ zu ersinnen. Er wurde allerdings auch nicht Erster.

Gedanklich etwas weiter entfernt scheint die Crew der „USS Taylor“, die ursprünglich, von der US-Navy mit Raketen bestückt, ausgesandt wurde, um Terroristen am Schwarzen Meer davon abzuhalten, „Putins Spiele“ zu stören. Der amerikanischen Volksseele hätte das sicherlich gut getan. Nur zu dumm, dass der Stolz der Navy zur Rettung der Spiele pünktlich zu Beginn der Spiele auf eine Sandbank aufgelaufen war. Wer hat nun die Schuld, wer den Sand da hingeschafft? NSA, Al-Kaida oder gar Putin selbst, um die selbsternannte Weltpolizei bloßzustellen.?

Und jetzt aber endlich ab in den Kosmos, das fehlte uns heute noch! Jetzt haben wir sie wirklich, die wahre Entfernung. In mehr als 400 Kilometern Höhe empfangen die drei russischen Kosmonaten, die auf der internationalen Raumstation ISS den blauen Planeten umkreisen, jeden Tag ihre Videoclips zu den Olympischen Spielen von der Erde zugesandt. Im Entferntesten sind wir daher geneigt, ein kleines Treppchen für einen gewissen Jules Verne zu bauen. Dem Vater aller gedanklichen Distanzen…

(Michael Barth/russland.RU)

 

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