Die „Nachtwölfe“ zu Gast – Furcht in Berlin?

Ein Facebook-Beitrag unmittelbar nach der vermeintlichen Brandschatzung, die die russischen Biker der „Nachtwölfe“ laut den Medien über Berlin gelegt haben wollen, ließ uns aufhorchen. „Putins Rocker“ einmal ganz privat, ohne den üblichen negativen Pressenachhall, so einfach nur als Menschen – geht das überhaupt? Doch es geht, wie unser Gastbeitrag von Sandra Spehr beweist. Sie ging den mutigen Schritt, eine Lanze für die gefürchteten Motorradfahrer zu brechen.

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[Ein Gastbeitrag von Sandra Spehr] – Bei uns gibt es kein anderes Thema mehr; die „Nachtwölfe“ waren zu Gast bei uns! Nicht nur in unserer Gaststätte, nein im gesamten Umkreis wird getuschelt und sehr oft werde ich angesprochen, wie es denn nun wirklich war.

Natürlich gebe ich zu, dass das Team zunächst verunsichert war. Frei von Vorurteilen versuchte ich zu vermitteln, dass es Gäste wie Du und Ich sind. Aber ich sollte eines Besseren belehrt werden. Das gesamte Team wurde mehr als positiv überrascht von der Offenheit dieser großen Familie.

Hilfsbereitschaft, Fürsorge, Freude am Sein. Es ist eine einzigartige Truppe. Die Berichterstattung der Medien würde ich schon fast „Bizarr“ nennen. Schon kurz nach dem Eintreffen der „Nachtwölfe“ bei uns, hörte ich Kollegen sagen: „die sind doch ganz sympathisch“. Nachhaltig wurden von Dauercampern Stimmen laut, die sagten „Unsere russischen Freunde (…)“

Auf einem internationalen Campingplatz lernt man viele Menschen unterschiedlichster Herkunft, Mentalität etc. kennen, auch durch verschiedene Veranstaltungen erleben wir ständig Neues. Dennoch haben die Wölfe einen prägnanten Eindruck hinterlassen.

Ich kann versichern, dass das Personal an diesem Abend, die einzigen Leute waren, die Glasbruch verursacht haben. Ja, es gab in der Nacht ein kleines Feuerwerk, aber auch dies wurde nach Anmahnung sofort eingestellt. Und wenn wir mal ehrlich sind, wir sind alle keine Engel, die sich immerzu korrekt auf einer Feier benehmen.

Unser Fazit des Abends ist positiv und wir wehren jegliche negative Darstellung ab. Ich empfehle jedem, auf die altmodische Art, sich ein eigenes Bild zu schaffen, gerade in einer Zeit der digitalen Kommunikation und gesellschaftlichem Schubladendenken.

Wir würden uns sehr freuen, die „Nachtwölfe“ nächstes Jahr wieder begrüßen zu dürfen und bedanken uns für diese lehrreiche Erfahrung.

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Abschließend noch ein paar ergänzende Worte zu meinem Facebook-Post.

Über eine Beitragsreichweite von knapp 30.000 Usern bin ich erstaunt. Meine Beweggründe waren tatsächlich die Nachfragen und auch die Verärgerung über die Berichterstattung der Medien. Wie ich schon angedeutet habe, ist in der Ära der digitalen Kommunikation viel Manipulation und Verzerrung unterwegs. Attraktiv wird das durch die Neugier des Menschen, begünstigt durch die erheblich geringeren Informationswege. Die Zwischenmenschlichkeit bleibt dabei völlig auf der Strecke.

In meinem Beruf trete ich täglich an Menschen heran, ohne diese vorher googeln zu können. Allein dabei merkt man, dass selbst ein strenges Aussehen rein gar nichts über den Menschen an sich oder deren Charakter und Werte sagt. Oft treffen wir auf Menschen, mit denen wir keine gemeinsame Sprache sprechen und trotzdem ist eine Unterhaltung allein durch Gestik und Mimik möglich. Auch mit dieser Einstellung bin ich an die „Nachtwölfe“ herangetreten. Es ist schwer, diese Einstellung anderen zu übermitteln und ein verunsichertes Team zu motivieren.

Das Eis war schnell gebrochen. Jegliche Kommunikationsbarriere wurde durch deutsch – oder englischsprachige „Nachtwölfe“ überbrückt. Sie erkannten dabei selbst die Situation, baten sogar Hilfe bei den Aufräumarbeiten an. Schnell wurde das Gefühl von einer großen Familie verbreitet, was die Stimmung natürlich besonders positiv ankurbelte.

Ich distanziere mich völlig von einem politischen Statement. Mir geht es hierbei rein um diese liebenswerten Menschen, die wir als Team kennenlernen durften. Völlig zu Unrecht wurde ein negatives Bild in der Presse produziert und das trifft mich als Mensch, denn ich weiß, was ich selbst gesehen habe. Die Wölfe haben auf Ihrer Tour den gefallenen Menschen, Bekannten oder auch Familienmitgliedern angedacht, Blumenkränze niedergelegt sowie eine internationale Tour organisiert. Auch das zeichnet sich mit dem Bild ab, das ich habe.

Diese Menschen haben ihr Herz am richtigen Fleck und das sollte man akzeptieren und respektieren! Völlig egal was für einen Beruf jemand ausübt oder welcher Einstellung zum Leben er folgt. Diese Truppe verbindet ihre Leidenschaft und nichts anderes. Wenn das als negativ dargestellt wird, frage ich mich wann ein Anglerverein von Veganern angegangen wird.

In diesem Sinne, Vorsicht mit Vorurteilen, schaltet ab und versucht es mit einfacher zwischenmenschlicher Unterhaltung, man kann viel entdecken und erleben!

[Sandra Spehr/Restaurantleiterin Gasthaus am Krossinsee, Berlin]

Wir müssen zugeben, wir waren beeindruckt. Beeindruckt von soviel Unvoreingenommenheit gegenüber einer Motorradcrew, die per se in ganz Europa zum Staatsfeind Nummer Eins gestempelt wurde. Beeindruckt auch von der Offenheit, der breiten Öffentlichkeit ein völlig anderes Bild zu vermitteln als jenes, das sich unisono eingeprägt hat. Mag es anspornen, den „Nachtwölfen“ bei ihrer nächsten Tour quer durch Europa einen herzlicheren Empfang zu bereiten, als bisher geschehen. Verdient hätten sie es.

Ein Gästebucheintrag auf der Facebook-Seite, den wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen, bringt es noch einmal in aller Deutlichkeit auf den Punkt:

St. B… Wir bedanken uns im Namen der #Russischen Nachtwölfe für die Party am gestrigen Abend. Sollte es etwas lauter gewesen sein, entschuldigen wir uns auf diesem Wege. Gerne würden wir im nächsten Jahr wieder kommen.

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