„Die Krim ist unser – der Donbass nicht“ …?

Die selbsternannten Donezker und Lugansker Volksrepubliken könnten ab 2019 offiziell keine Mittel mehr aus dem russischen Haushalts erhalten. Das Geld soll vielmehr in den Bau und die Modernisierung der Infrastruktur der Krim und der Region Kaliningrad gehen. Das meldet die Agentur RBC unter Verweis auf regierungsnahe Quellen. Das russische Finanzministerium wurde demzufolge beauftragt, „aus dem Haushaltsentwurf für 2018 sowie für den Zeitraum 2019 und 2020 die gesamten Ausgaben für die humanitäre Hilfe für einzelne Gebiete in den Jahren 2019-2020 auszuschließen“. Das war, laut Protokoll, das Ergebnis einer Beratung beim stellvertretenden Ministerpräsident Dmitrij Kosak.

In den veröffentlichten Dokumenten zum russischen Etat lässt sich, RBC zufolge, kein Posten zu „humanitärer Unterstützung für einzelne Gebiete“ oder etwas Ähnliches finden – womit die Hilfe für die selbsternannten Republiken im Donbass stets umschrieben wird.

In Moskau, Donezk und Lugansk wurden Kommentare zu dieser Meldung abgelehnt.

Vorrangige Projekte in Russland

Das Protokoll des Treffens bei Kosak besagt, dass Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew im vergangenen Sommer beauftragt wurde, die „bedingungslose Umsetzung“ von Maßnahmen zur sozioökonomischen Entwicklung sowie zur Verkehrs- und Informationssicherheit der Krim, von Sewastopol und der Region Kaliningrad zu gewährleisten.

Wie weiter aus dem Protokoll der genannten Sitzung hervorgeht, muss die russische Regierung in den Jahren 2018-2020 weitere 85 Milliarden Rubel für die Krim und Sewastopol aufbringen, davon 61,6 Milliarden Rubel in den Jahren 2019-2020.

Das Geld ist bestimmt für Gesundheitseinrichtungen, das Bauwesen und die allgemeine Bildung, wie auch für die Rekonstruktion der Wasserleitung Feodossija – Sudak, den Bau von Kläranlagen in der Hauptstadt Simferopol, die Sanierung der Straße Alushta – Feodossija, Zuschüsse für die örtlichen Stromanbieter auf der Krim als Kompensation für verlorene Einnahmen aufgrund der niedrigen Tarife für die Stromversorgung. Hinzukommen u.a. eine Glasfaserverbindung über die Ostsee nach Kaliningrad, der Bau von drei Schiffen für die Eisenbahn-Fährverbindung Ust-Luga-Baltiysk (Gebiet Kaliningrad), so dass in den nächsten drei Jahren für diese Projekte etwa 165 Milliarden Rubel bereitgestellt werden müssen.

„Die Krim als russisches Territorium braucht enorme Hilfe vom Staat. Wenn in den nächsten zwei Jahren kein deutlicher Durchbruch in der Entwicklung der Halbinsel gelingt, werden sich alle fragen, warum die Krim beigetreten ist“, sagt Oleg Bondarenko, Direktor der Progressive Policy Foundation.

Ihm zufolge ist die Entwicklung der Krim und Sewastopols für das Land eine Frage der Reputation. Wie Kaliningrad sollen sie nach dem Willen der russischen Führung zum „Schaufenster“ für den Westen gemacht werden. „Es gibt Territorien von Russland, die aktive Unterstützung brauchen, aber die selbst proklamierten Republiken sind kein russisches Territorium“, argumentiert Bondarenko. Allerdings wisse er nichts von einer Verringerung der Ausgaben für die DNR und die LNR, sagt der Experte.

Die Haushaltsmittel gehen vor allem in diejenigen Regionen, die Russland in keinem Fall abgeben wird, aber der künftige Status der Donbass-Republiken sei nicht sicher, meint auch der Erste Vizepräsident des Zentrums für politische Technologien, Alexej Makarkin.

Die mögliche Ausgrenzung der „humanitären Unterstützung“ für den Donbass aus dem Budget ist allerdings nur eine der vorgeschlagenen Quellen für eine zusätzliche Finanzierung der Krim und Kaliningrads, neben einer möglichen Erhöhung der Verbrauchsteuer auf Benzin, der Verringerung der Subventionen für die Eisenbahn und einer Reihe weiterer Maßnahmen, deren finanzieller Effekt in dem Papier nicht angegeben ist.

Daher ist es unmöglich, abzuschätzen, wie viel aus dem Haushalt für die „humanitäre Unterstützung“ der Volksrepubliken Donezk und Lugansk ausgegeben wird. Aber selbst wenn die Behörden beschlossen haben, die Ausgaben für die „humanitäre Unterstützung“ des Donbass einzustellen, bedeutet dies nicht, dass die finanzielle Hilfe für die selbst proklamierten Republiken aufhören wird, gibt RBC die Meinung seiner Informanten aus der Duma und der Regierung wieder. Die Finanzierung von DNR und LNR laufe auch über geheime Regierungsaufträge und versteckte Finanzlinien im Etat. Es sei deshalb nicht klar, was mit den Kosten der „humanitären Unterstützung“ gemeint ist, aber höchstwahrscheinlich sei dies nur einer von mehreren Kanälen für die Finanzierung der Donbass-Republiken.

Der Donbass bleibt nicht außen vor

Bereits zu Beginn des Konflikts im Osten der Ukraine genehmigte die russische Regierung gezielte Subventionen für die Wiederherstellung der beschädigten Energie- und Verkehrsinfrastruktur im Donbass, den Bau von Häusern – in einem geheimen Regierungsdekret wurden diese Subventionen als humanitäre Hilfe für bestimmte Gebiete der Ukraine bezeichnet. Insidern zufolge kamen diese Gelder aus dem Reserve-Fonds der Regierung. Möglicherweise geht es um die Abschaffung dieser gezielten Subventionen für die Wiederherstellung der Infrastruktur von Donbass, glaubt der Gesprächspartner von RBC.

„Die humanitäre Unterstützung bei der Wiederherstellung der lebenswichtigen Systeme für die betroffenen Gebiete“ wurde von der Regierung als eine der Hauptfunktionen der Behörden übergreifenden Kommission bezeichnet, die Ende 2014 eingerichtet wurde, um den betroffenen Gebiete der südöstlichen Bezirke der Gebiete Donezk und Lugansk der Ukraine zu helfen.

Russland leistet humanitäre Hilfe für die DNR und die LNR, aber es ist falsch zu sagen, dass es sie „unterhält“, sagte Präsidentensprecher Dmitrij Peskow, im Januar dieses Jahres. „Aber um welche Beträge es geht, kann ich nicht sagen“, fügte er hinzu. Auf die Frage nach einer möglichen Reduzierung der Unterstützung antwortete der Kreml-Sprecher nicht.

In der Presse wurden nur selten Zahlen zur russischen Hilfe für die nicht anerkannten Republiken im Donbass genannt. Bloomberg berichtete mit Bezug auf Quellen in den selbsternannten Republiken, dass Russland monatlich 2,5 Milliarden Rubel für Rentenzahlungen an die DNR überweist, wobei das russische Finanzministerium postwendend dementierte, dass solche Zahlungen im der russischen Haushalt vorgesehen sind. Im Februar 2017 behauptete der ukrainische Geheimdienst, dass das Budget der LNR im ersten Quartal dieses Jahres Einnahmen in Höhe von mehr als 11 Milliarden Rubel vorsieht, davon etwa 9 Milliarden Rubel angebliche Hilfe von der russischen Regierung.

Nach Informationen des Zivilschutzministeriums wurden seit August 2014 insgesamt 68 Konvois mit 70.000 Tonnen humanitärer Fracht in den Donbass geschickt. „Bei der Verteilung der humanitären Hilfssendungen leistet das Ministerium logistische Unterstützung, finanziert aber nicht die Güter“, heißt es dazu aus dem Ministerium.

Im April 2017 bestätigte ROSRESERV, dass es den Metallurgie-Unternehmen im Donbass aus den Reserven der Agentur „humanitäre Unterstützung“ leistet.

Darüber hinaus liefert Russland, wieder im Rahmen der „humanitären Unterstützung“, Strom in die LNR. Das Budget der DNR sieht „humanitäre Hilfe“ als eine Quelle der Einnahmen vor, wie Daten des Finanzministeriums zeigen, aber die Budgets der nicht anerkannten Republik wurden nie veröffentlicht.

[Hartmut Hübner/russland.NEWS]

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