Die geplatzte Pipeline

Die Einstellung des Pipelineprojekts South Stream durch Moskau sorgt in Berlin und Brüssel für eine gewisse Unruhe. Man wolle über die Pipeline, die in wenigen Jahren 63 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich nach Europa hätte transportieren sollen, weiter verhandeln, äußern EU-Stellen und Regierungspolitiker von EU-Mitgliedstaaten: Man hoffe noch auf Klärungschancen.

Zuvor hatte Brüssel geglaubt, über Verzögerungen bei dem Projekt Druck auf die russische Regierung ausüben zu können; diese jedoch lässt sich das nicht länger bieten und hat am Montag angekündigt, auf South Stream zu verzichten. Einer der Verlierer ist die Bundesrepublik, die über die BASF-Tochter Wintershall an der Pipeline beteiligt wäre und ihren Einfluss auf die europäische Erdgasversorgung hätte ausdehnen können. Gewinnerin ist die Türkei, über die Russland nun vermutlich das für South Stream vorgesehene Gas exportieren wird. Sie könnte vom loyalen Transitland für die EU zur einflussreichen Erdgas-Drehscheibe aufsteigen – das zu einem Zeitpunkt, zu dem die Spannungen zwischen Berlin und Brüssel auf der einen und Ankara auf der anderen Seite zunehmen.

Zum Vorteil Deutschlands
Die Erdgaspipeline South Stream ist ursprünglich als südliches Gegenstück zu Nord Stream, der sogenannten Ostsee-Pipeline, geplant gewesen. Beide Projekte hatten einen doppelten Hintergrund. Zum einen ging es darum, die Lieferkapazitäten auszuweiten, um den kontinuierlich steigenden Gasbedarf in der EU decken zu können. Zum anderen sollten die neuen Röhren die Abhängigkeit vom Transitland Ukraine verringern, mit dem es immer wieder Schwierigkeiten bei der Durchleitung des Rohstoffs gegeben hatte. Nord Stream ist faktisch als deutsch-russisches Projekt realisiert worden, an dem neben Gazprom (51 Prozent) auf deutscher Seite E.ON und Wintershall mit zur Zeit je 15,5 Prozent beteiligt sind. Eingebunden wurden letztlich noch die Gasunie (Niederlande, 9 Prozent) und GDF Suez (Frankreich, 9 Prozent). South Stream (Gazprom: 50 Prozent) hat einen Italien-Schwerpunkt – Eni ist mit 20 Prozent beteiligt; allerdings ist auch hier neben der französischen EDF (15 Prozent) die deutsche Wintershall (15 Prozent) involviert. Und wie mit Gerhard Schröder ein Deutscher dem Nord Stream-Aktionärsausschuss vorsitzt, so leitet mit Henning Voscherau ebenfalls ein Deutscher den South Stream-Aufsichtsrat. Die Realisierung des Vorhabens hätte den deutschen Einfluss auf die europäische Erdgasversorgung also weiter gesteigert.

Durchs Schwarze Meer
Konkret sollte South Stream über eine Entfernung von insgesamt rund 2.380 Kilometern Russland und Österreich verbinden. Geplant war eine Streckenführung, die im russischen Anapa am Ufer des Schwarzen Meeres begann und zunächst in einer Tiefe von bis zu 2.250 Metern auf dem Meeresboden ins bulgarische Varna führte. Von dort aus sollte die Pipeline durch Serbien und Ungarn nach Österreich führen; Abzweigungen einerseits über Slowenien nach Italien, andererseits nach Kroatien waren fest eingeplant. Erste Teillieferungen sollten schon 2015 erfolgen; 2019 wollte man dann die volle Transportkapazität von 63 Milliarden Kubikmetern pro Jahr erreichen. Die Kosten wurden zuletzt mit 25 Milliarden US-Dollar beziffert. Russland hat bereits hohe Summen in das Projekt investiert; genannt wird ein Betrag von mehr als 4,5 Milliarden US-Dollar. Die Arbeiten liefen letzte Woche noch auf vollen Touren: Am 24. November kündigte ein zuständiger Gazprom-Abteilungsleiter an, man werde im Dezember mit dem Bau des Seeabschnitts beginnen.[1]

Brüssel gegen Sofia
Am Montag hat nun der russische Präsident Wladimir Putin die sofortige Einstellung des Projekts bekanntgegeben. Unmittelbarer Auslöser war, dass Bulgarien im Juni alle Arbeiten für die Pipeline eingestellt hat und sich nicht überzeugen ließ, sie wieder aufzunehmen. Offiziell heißt es, die EU-Kommission bestehe darauf, dass nach EU-Normen eine Trennung zwischen Gasproduzent und Pipelinebetreiber durchgesetzt werden müsse, was jedoch mit Gazprom nicht zu machen sei.

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