Deutsche Unternehmen: Wir bleiben länger als die Krise

Nachdem bereits im vergangenen Jahr auf dem Moskauer Wirtschaftsforum deutsche Manager über ihre Erfahrungen bei der Tätigkeit ihrer Unternehmen in Russland berichtet hatten, gab es diesmal vor dem Hintergrund von Sanktionen, Gegensanktionen und Wirtschaftskrise in Russland eine Fortsetzung.

Bei einer Podiumsdiskussion versicherten denn auch die deutschen Unternehmensführer, dass Russland nach wie vor ein wichtiger Markt für sie ist, ungeachtet der aktuellen politischen und ökonomischen Probleme.

Wie auf einer Achterbahn

In der 110jährigen Arbeit des Unternehmens in Russland, unterbrochen nur durch die beiden Weltkriege, sei es mitunter zugegangen, wie auf einer Achterbahn, erklärte der Präsident der Bosch-Gruppe in Russland, der GUS und Georgien, aber der wirtschaftliche Erfolg sei Grund genug, am Engagement in dieser Region festzuhalten. So erwirtschafteten die 5500 Mitarbeiter des Konzerns hier im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund drei Milliarden Euro, während es 2012 noch eine Milliarde Euro und etwa 3000 Beschäftigte waren. Mit der Inbetriebnahme eines neuen Betriebes für Kraftfahrzeugtechnik in Samara und einer Produktionsstätte für Thermotechnik am traditionellen Standort in Engels, Gebiet Saratow, ist Bosch mit seinen vier Unternehmensbereichen Kraftfahrzeugtechnik, Industrietechnik, Konsumgüter sowie Energie- und Gebäudetechnik in Russland vertreten. „Dabei die die Marktlage ganz unterschiedlich“, stellte Pfeifer fest. „Im Automobilbereich verzeichnen wir bereits etwa seit seit drei Jahren einen deutlichen Rückgang, der natürlich nicht unseren Erwartungen entspricht, nachdem wir 2012 ein Investitionsprogramm über 250 Millionen Euro beschlossen hatten. Ganz anders sieht es dagegen bei unseren hochwertigen und preisintensiven Haushaltsgeräten aus, wo die Nachfrage, trotz deutlicher Aufschläge, sogar weiter steigt.“ Bei seiner Orientierung auf die Entwicklung der Produktion in Russland habe Bosch allerdings das Problem, dass es, anders als in Deutschland, gerade in der Kraftfahrzeugtechnik an Mittelstandsunternehmen als dringend benötigte Zulieferer fehle. „Weniger als fünf Prozent aller in Frage kommenden russischen Autoteilehersteller entsprechen dem internationalen Standard“, bemängelte er. „Dabei sind wir bereit, potenziellen Partnern jede mögliche Unterstützung zu gewähren. Hier sehen wir einen großen Markt und auch eine Herausforderung für die Lokalisierung der Produktion.“, zeigte er sich überzeugt.

Auch die Rpräsentantin des Freistaates Thüringen in Russland, Gusel Schaichullina, konstatierte, dass es russischen Unternehmen als möglichen Kooperationspartnern für deutsche Firmen mitunter an der notwendigen Flexibilität fehle, ungeachtet der Hilfsangebote durch den Investor. „Viele halten ihre Produktion für den lokalen Markt für ausreichend.“ Ein zweites Problem bei Zulieferungen sei, dass selbst einfache Erzeugnisse, wie Rohre, in Russland teuer sind als ein Import aus Deutschland. einschließlich Transport. Aus diesen Gründen hätten gerade jetzt ausländische Zulieferer eine gute Chance, eine Produktion in Russland aufzubauen. Für alle Interessenten gebe es seit zwei Jahren bei der deutsch-russischen Außenhandelskammer in Moskau eine Zulieferer-Kontaktbörse,informierte sie.

In Russland läuft viel über persönliche Kontakte

Der persönliche Kontakt zu den russischen Geschäftspartnern hat in Russland einen höheren Stellenwert als anderswo, weiß Uwe Leuschner, Vizepräsident für Russland, die GUS und Zentralasien beim Logistikunternehmen DB Schenker und seit über zwanzig Jahren in Moskau. „Die wertvollste Währung in Russland ist gegenseitiges Vertrauen. Damit lassen sich auch Krisen überstehen.“ Vielleicht wächst auch deshalb sein Geschäft selbst in dieser Krisenzeit weiter. Seit Jahresbeginn habe sich mit dem Inkrafttreten der Euroasiatischen Wirtschaftsunion (EEU) das ohnehin riesige Potenzial für Logistik-Dienstleistungen über die Grenzen Russlands hinaus erweitert. Wenn auch der Warenaustausch mit dem westlichen Ausland verringert habe, legte der Binnen-Güterverkehr innerhalb des letzten Jahres um 20 Prozent zu. „Gegenwärtig erweitern wir den Korridor zwischen Europa und China. Dafür haben wir gerade mit unseren russischen Partnern vier umfangreiche Verträge abgeschlossen.“ Die EEU sei bislang nur eine Chance, die man aber nutzen müsse.

Keine Angst mehr vor Banditen

Ebenfalls vor über 20 Jahren kam Achim Lutter nach Russland, um im Erdölhandel zu arbeiten. Als ihm das zu eintönig wurde, eröffnete er in den „wilden“ 1990er Jahren mit Partnern eine Fabrik für Kupferfolie, die ihm nur kurze Zeit später von der Mafia mit Hilfe bestochener Gericht abgenommen wurde. Er begann wieder bei Null leitet heute als Miteigentümer das Unternehmen Bautex, ein mittelständiges Unternehmen in Gus-Chrustalnij, Gebiet Wladimir, mit 500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von zwei Milliarden Rubel, das sich auf die Herstellung von technischem Gewebe aus Glas-, Kohle- und Mineralfaser für Fassaden, Wände, Straßen, Kraftfahrzeuge oder auch Konsumgüter, wie Duschtassen und Tapeten, spezialisiert hat. Ein Drittel der Produktion geht heute nach Europa. „Vor den hemdsärmeligen Banditen von damals muss ich mich nicht mehr fürchten. Ihre Nachfolger tragen heute Krawatten und gehen subtiler vor. Etwa, als man uns ein Grundstück für eine Betriebserweiterung streitig machen wollte. Aber dank der Moskauer Kanzlei Beiten Burkhard und einem Recht sprechenden Gericht gewannen wir den Prozess. Auch Schwarzimporte aus China, die früher eine Produktion in Russland unrentabel machten, seien heute durch eine schärfere Gesetzgebung und Kontrolle keine Gefahr für das Business mehr. Allerdings gebe es immer noch Tricksereien bei der Deklarierung der eingeführten Waren, was natürlich ein Nachteil sei für die ehrlich Steuern und Löhne zahlenden Unternehmen. „Dem können wir nur mit höchster Effektivität begegnen.“ Ein mindestens genau so großes Ärgernis sei die unlautere Konkurrenz durch Branchenneulinge – finanziert durch mit dem Geld von Erdöl- und Erdgasfirmen als Form der Geldanlage. „Sie müssen nicht auf die Ausgaben achten und machen mit Dumpingpreisen den Wettbewerb kaputt“, klagte Lutter. Heftige kritik übte der deutsch-russische Mittelständler auch an der aktuellen Politik der Zentralbank, deren hoher Leitzins neue Kredite nahezu unerschwinglich mache. Noch vor zwei Jahren habe sein Unternehmen eine sehr vorteilhafte Finanzierung erhalten, weil er seine Geschäftstätigkeit transparent darstellen konnte.

Günstigere Geschäftsbedingungen in Russland

Alles in allem haben sich aber die Bedingungen für die Geschäftstätigkeit in Russland verbessert, erklärte Rechtsanwalt Falk Tischendorf von der Kanzlei Beiten Burkhard Moskau. Er verwies auf den jüngsten Doing-Business-Report der Weltbank, demzufolge Russland bei der Unternehmerfreundlichkeit im vergangenen Jahr vom 128. auf den 62. Platz vorrückte. So wurden das Verfahren zur Firmengründung und -registrierung entschlackt und beschleunigt und auch die Eigentumsübertragung vereinfacht. Problematisch seien aber nach wie vor das Erhalten einer Baugenehmigung, die überdurchschnittliche Bearbeitungsdauer für einen Anschluss ans Stromnetz sowie bei Ein- und Ausfuhren. Die lange Verweildauer von Projektunterlagen bei den Behörden führe nicht selten dazu, dass in der Zwischenzeit neue gesetzliche Regelungen wirksam werden, die dann aufs Neue berücksichtigt werden müssen und zu neuen Kosten bei den Unternehmen führen, bestätigte auch Gusel Schaichullina. Hinzu komme oft noch eine ungerechtfertigt lange Abfertigung durch den Zoll wegen mangelnder Kompetenz der Mitarbeiter.

Ein anderes Dauerthema der vergangenen zweieinhalb Jahrzehnte – die Steuergesetzgebung in Russland – verliert nach Einschätzung der deutschen Manager allmählich an Schrecken. „Gemessen an anderen Ländern ist die Besteuerung für Unternehmen und beim Einkommen günstig“, bestätigte Bosch-Vertreter Pfeifer. „Allerdings nerven die häufigen Änderungen in der Steuergesetzgebung, bei denen manche schon überholt sind, bevor sie in Kraft treten.“ Bemerkenswert sei, dass inzwischen auch die Regionen mit finanziellen Vergünstigungen um Investoren werben. „Unter unseren rund 200 Kriterien, die vor einer Standortentscheidung geprüft werden, spielen diese Faktoren natürlich keine untergeordnete Rolle“, gab er zu. Die Bemühungen um Geldgeber hätten auch deshalb zugenommen, erläuterte Thüringen-Repräsentantin Schaichullina, weil inzwischen auch die Arbeit der Gouverneure an der Attraktivität ihres Regierungsbereiches für Investitionen gemessen werde.

Hinzu komme, dass durch den niedrigen Ölpreis die Haushaltsgelder auf allen Ebenen spärlicher fließen und sich die regionalen Behörden Gedanken über zusätzliche Einnahmen machen müssten, ergänzte Bautex-Chef Lutter.

„Ja, es gibt Probleme und Krisen in Russland, aber die Erfahrung vieler deutscher Unternehmen zeigt, dass die Tätigkeit in diesem Markt strategisch eine sinnvolle Entscheidung sein kann“, schloss Moderator Tischendorf.

Hartmut Hübner/russland.RU

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