Deutsche Bärendienste für Frieden mit Russland

Eine neue prorussische Allianz hat sich gebildet in Deutschland. Mit von der Partie  ein paar Linke, ein paar mehr Rechte, als Sprachrohr Russia Today deutsch und ein paar, die zu – wie man noch am harmlosesten sagen könnte – verschroben sind, um sie überhaupt politisch einzusortieren. Sie erweisen der Sache Russlands in Mitteleuropa einen Bärendienst, indem sie antirussischen Hetzern aus dem Mainstream das billigste Feindbild abgeben, das die sich nur wünschen können.

Friedensdemo mit merkwürdigen Headlinern

Friedensdemo in Berlin an diesem Wochenende, 4.000 Teilnehmer, prorussische und meist friedensliebende Parolen. Eigentlich eine Situation, die sich jeder Freund Russlands wünschen würde. Doch man kann sich nicht immer aussuchen wer da ruft und was genau gerufen wird. Auch die Onlinezeitung Telepolis, einer der letzten Horte einer unabhängigen und ausgewogenen Russland-Berichterstattung in Deutschland, kann nicht verschweigen, dass hier mit Personen zusammengearbeitet wird, „die Verschwörungstheorien verbreiten“ und Leuten mit eindeutig rechtsradikalem Hintergrund. Und mehr noch. Reden durfte beim „Friedenswinter“, wie der Event wegen der Jahreszeit hieß, sogar ein Vertreter der Uralt-Theorie von den Illuminati als Weltregierung. Als ob wir keine aktuellen, echten Probleme hätten.

Welche Statements in der deutschen Diskussion um den Umgang mit Russland haben den NATO-Hetzern und Kriegsschreibern von Bild-Zeitung bis zum Spiegel am meisten geschadet? Es waren Äußerungen von unangreifbaren Kapazitäten der deutschen Außenpolitik – Helmut Schmidt oder Hans-Dietrich Genscher. Oder von russischer Seite der (nur) in Deutschland fast unangreifbare Michail Gorbatschow. Wie sehr mussten sich die Schmierfinken von Focus bis zur Zeit Mühe geben, einen Friedensaufruf von 60 angesehen Persönlichkeiten ins Negative zu ziehen, ja sogar einen Gegenaufruf produzieren, der trotz viel PR dem Friedensaufruf nur wenig entgegenzusetzen hatte.

Die rechte Putin-Fanfront als billiges Feindbild

Da sind die Anführer der Putin-Fanfront aus dem Sumpf von rechts bis merkwürdig doch ein viel schönerer Gegner – das krasse Gegenteil. Nur wenig journalistisches Können gehört dazu, Chemtrails-Gläubigen, Illuminati-Beschwörern und „anderen Wirrköpfen“ (Zitat Tagesspiegel) nachzuweisen, dass ihre Ansichten nicht ganz richtig im Kopf sind. Und bis zum Schluss, dass dann wohl alle „Prorussen“ „Wirrköpfe“ sein müssen, ist es nur ein ganz kleiner Schritt, der billig ausargumentiert werden kann – nachvollziehbar für die Bevölkerungsmehrheit, die man eigentlich von einem anderen Russlandkurs überzeugen müsste, um ihn dann auch real zu ändern.

Verschwiegen wird von den Mainstreamern, die so etwas schreiben natürlich, dass auf diesem und anderen Events auch viele Leute gewesen sind, die schon noch richtig im Kopf sind, keiner radikalen Strömung angehören und sich ernsthafte und berechtigte Sorgen um die Zukunft Europas machen. Denen manch Gesicht in der ersten Reihe vielleicht auch nicht behagt hat – oder die viele dieser Gesichter einfach nicht kennen, denn so bekannt, wie Elsässer, Jebsen und Co. sich wähnen, sind sie in der breiten Bevölkerung nun wieder nicht. Aber mit der üblichen Methode der Meinungsmanipulation „greife nur das heraus, was zur Unterstützung Deiner Meinung passt“, lässt sich bei so viel Meinungsmüll in einem Demonstrationszug die berechtigte Sorgen in vielen vernünftigen Gesichtern billig kaschieren, wenn man als versierter Mainstream-Journalist die Wahrheit aus seinem eigenen Kopf beim Gesehenen „herausfiltert“.

Das nicht-radikale Sprachrohr fehlt

Was ist das Problem? Das Problem ist, dass der normale, besorgte Bürger, der die Situation mit Russland entschärfen will, außerhalb der Linkspartei fast nur diese merkwürdigen Radikalinskis findet, die offen dazu stehen, dass in der Mainstream-Presse im Bezug auf Russland oder seine Verbündete auch gerne mal die Wahrheit verdreht wird, wenn nicht gleich richtig gelogen (Beispiel 1, Beispiel 2, Beispiel 3, u.v.a.). Obwohl es leider stimmt – jenseits aller Verschwörungstheorie. Nur wenige Meinungsführer außerhalb dieses radikalen Milieus, die unter 90 Jahre alt sind, stehen auf und sagen offen ihre Meinung wie ein Herrn Platzeck von der SPD – und wer es wagt, wird gleich von den eigenen Genossen und Koalitionspartnern nieder gemacht – obwohl er aus einer echten und empfundenen Verbindung mit Russland und seinen Menschen heraus argumentiert. Aus einem an sich unangreifbaren Willen zum Frieden mit einem Volk, das man gut kennt. Ein Platzeck oder ein de Meziére stehen in ihren Parteien allein gelassen und eine Lobby für eine vernünftige Russlandpolitik scheint dort kaum noch zu existieren – obwohl die Alternative dazu bis zu kriegerischen Zuständen führt. Aber Putin ist ja böse, da schreibt der aufgeklärte Journalist auch mal für den Krieg.

So bleiben als Meinungsführer für Nachdenklichere nur noch die übrig, die zwar gegen das Gleiche kämpfen, wie man selbst, aber für was sie kämpfen – dafür muss man entweder die Augen verschließen oder sich der Zusammenarbeit verweigern. Denn irgendwo ist die Grenze immer erreicht und sie befindet sich auf jeden Fall diesseits von Rechtsradikalen – denn wie will man denn bitte sonst glaubwürdig ähnliche Kooperationen in der Euromaidanischen Ukraine kritisieren?

Russische Steuergelder für merkwürdige Zwecke

Interessant ist jedoch, dass sich der vom russischen Staat finanzierte und sich selbst als „Anti-Mainstream“ in Szene setzende Sender „Russia Today deutsch“ als Sprachrohr an die Spitze dieser Leute stellt, die wohl auch die Bevölkerungsmehrheit in Russland als „Wirrköpfe“ bezeichnen würde. Anstatt, dass man sich einfach dazu bekennt, das Sprachrohr der russischen Regierung zu sein – was ohnehin jedem klar ist und was man durchaus entdämonisieren könnte – denn die Deutsche Welle oder Stimme Amerikas ist ja nichts anderes. Jeder, der Russland und seine Staatsmedien auch nur ein wenig kennt, weiß, wie lächerlich ein Repräsentant aus diesem Bereich – egal von welchem Staat angestellt – als „Anti-Mainstream“ ist.

Gerade die Funktion als offizielles Sprachrohr Russlands im deutschsprachen Raum lässt es sehr merkwürdig erscheinen, warum deutsche Nationalisten und Menschen mit einer mutmaßlichen paranoiden Persönlichkeitsstörung als „Freunde Russlands“ auf Kosten des russischen Steuerzahlers gefördert werden. Man sollte sich eben auch als russisches Staatsmedium nicht nur überlegen, wer sich gerade gegen die gleichen Dinge wie man selbst engagiert. Man muss sich auch Gedanken darüber machen, wofür diese Mitstreiter stehen und was sie dann mit einem Sieg über die „Macht der Westmedien“ anfangen würden. Nichts zum Nutzen Russlands und nichts zum Nutzen der deutsch-russischen Verständigung.

Roland Bathon, russland.RU; Foto: Friedenstaube Drat, Kondensstreifen Prashanta, beide Creative Commons

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