Deutsch-russischer Maschinenhandel stark rückläufig

Von Ullrich Umann – Moskau (gtai) – Die deutschen Maschinenlieferungen nach Russland brechen 2015 ein.

Wichtigster Grund dafür ist die eklatante Investitionsschwäche russischer Industriekunden. Liefermöglichkeiten Maschinen und Anlagen gibt es nur punktuell: in bestimmten Chemiesparten, der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelherstellung. Teilmodernisierungen führen auch Russlands Stahlkocher aus.

Für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau verschlechtert sich die Absatzsituation in Russland 2015 das zweite Jahr in Folge. Schätzungen zufolge dürfte der Rückgang 2015 bei -30% liegen. Bereits 2014 waren die deutschen Lieferungen von Maschinen und Anlagen um 17% gefallen.

Im 1. Halbjahr 2015 lagen die deutschen Lieferrückgänge zwischen 15,5% bei Antriebstechnik und 70,0% bei Bau- und Baustoffmaschinen. Dramatischer fiel die Lage lediglich im Krisenjahr 2009 aus, als die US-Immobilienkrise die komplette Weltwirtschaft in den Abwärtssog riss und Russland im Vorjahresvergleich um 45% weniger Maschinen und Anlagen aus Deutschland einführte. Im Unterschied zu 2009 hat es Russland aktuell aber ungleich schwerer der Rezession in absehbarer Zeit wieder zu entkommen. So fehlt dafür ein günstiges außenwirtschaftliches Umfeld, bedingt durch den sehr niedrigen Ölpreis und die westlichen Sanktionen.

Russische Kunden weniger kaufkräftig

Deutsche Maschinen- und Anlagenbauer treffen aktuell auf weniger zahlungsfähige russische Kunden als in der Vergangenheit. Russlands Unternehmen können sich westliche Technologie schlicht nicht mehr in dem Maße wie früher leisten. Gestiegene Importkosten durch die Rubelentwertung, hohe Kreditzinsen und Zugangsbarrieren zu Fremdfinanzierungen führen dazu. Außerdem ist die gesamte staatlich dominierte Industrie angehalten, Maschinen und Anlagen aus Ländern zu beziehen, die sich den westlichen Sanktionen nicht angeschlossen haben. Das sind vor allem Staaten in Asien, darunter die VR China, Korea (Rep.), Taiwan und Hongkong, aber auch die Schweiz.

Importabhängigkeit bei Maschinen bleibt hoch

Aufgrund der von der Regierung angeordneten Politik der Importsubstitution und Umorientierung der Außenwirtschaft nach Asien befinden sich russische Industriekapitäne in einer Zwickmühle. An eine rasche Senkung der Importabhängigkeit im Maschinen- und Anlagenbau ist nicht zu denken. Erst recht nicht in Zeiten der Rezession, sinkender staatlicher Zuschüsse und eingetrübter Entwicklungsaussichten.

Von westlichen Technologietransfers hängt jedoch ab, ob Russland in der Lage sein wird, die ehrgeizig hoch gelegte Messlatte bei der Importsubstitution bis 2020 überhaupt zu überspringen. Selbst nach Angaben des Ministeriums für Industrie und Handel muss derzeit 88% des Bedarfs an Werkzeugmaschinen über Importe gedeckt werden. Im Schwermaschinenbau schwankt die Einfuhrabhängigkeit zwischen 60 und 80% – je nach Warengruppe. Selbst elektronische Steuerungen für in Russland hergestellte Maschinen und Anlagen werden zu 80 bis 90% aus dem Ausland bezogen.

Das Unternehmen Stanexim verwendet für einen im August 2015 fertig entwickelten Automat für autogenes Brenn-Schweißen eine Steuereinheit von Siemens. Ebenfalls eine Steuereinheit von Siemens hat das Unternehmen Ural-Instrument-Pumori aus Perm in sein Bearbeitungszentrum UiP WF-400 eingebaut. Dieses ist seit 2013 gemeinsam mit den indischen Kooperationspartner Ace Manufactoring Systems entwickelt worden.

Erste Werkzeugmaschinen aus Asien

Ersatzmaschinen aus alternativen Herkunftsländern, darunter aus Asien, sind entweder aus Qualitätsgründen nicht besonders gut für die in Russland laufenden Produktionsprozesse geeignet oder müssen zeit- und kostenintensiv angepasst werden. Und auch für die Maschinenimporte aus Asien sind Rechnungen in US-Dollar zu bezahlen.

Vereinzelte Projekte werden aber schon realisiert. Der Stahlkonzern Severstal bezieht horizontale Revolverbohrmaschinen vom Hersteller Goodway Machine Corp (Taiwan). Bis 2020 will der Konzern bis zu 16 Stück dieser Maschinen ordern.

Kaum neue Projekte im Maschinenbau

Neue Projekte in Russlands Maschinen- und Anlagenbau sind 2015 rar geworden. Die Produktion wächst lediglich in der chemischen, petrochemischen und pharmazeutischen Industrie, der Nahrungsmittelherstellung und der Landwirtschaft. In diesen Branchen bestehen deshalb noch die besten Geschäftschancen für deutsche Maschinen- und Anlagenhersteller. Besonders die Chemieindustrie und teils die Eisen- und Stahlindustrie können aufgrund der Rubelabwertung im Ausland mit attraktiven Preisen aufwarten.

In der Metallbearbeitung werden neue Vorhaben, darunter Modernisierungen oder Kapazitätserweiterungen, nur punktuell angeschoben und auch nur in Betrieben, für die der Staat sowohl die Finanzierung als auch die Produktabnahme garantiert. Dazu gehören Projekte mit höchster Priorität in der Rüstungsindustrie, um ausgefallene Lieferungen von Komponenten aus dem westlichen Ausland und der Ukraine zu ersetzen, darunter Hubschraubermotoren und Schiffsantriebe.

Produktneuheiten vorrangig im Antriebsbau

Die Kazaner Produktionsvereinigung für den Motorenbau (KMPO) meldete am 12.8.2015, dass sie die Serienfertigung von Komponenten für den Hubschraubermotor WK-2500 aufgenommen hat. Dieser Motor wurde früher vom ukrainischen Hersteller Motor Sitsch bezogen. Die Endfertigung findet nun in der OAO Klimow in Sankt Petersburg statt. Der Motor WK-2500 wird in Hubschrauber der Serien Mi und Ka eingebaut. Die Serienfertigung des Flugzeugmotors PD-14 und des Raketenantriebs RD-191 wurde in den Werken OAO Aviadvigatel und OAO Permski Motorny Zawod im September 2015 angeschoben.

Im Motorenwerk Kolomenskoje wurde im Juni 2015 der erste Prototyp eines Dieselmotors mit 7500 kW Leistung gefertigt. Dieser wird für Korvetten der Baureihe 20385 benötigt. Ursprünglich war geplant, Schiffsantriebe von der deutschen MTU zu verwenden. Doch MTU hat die Lieferung eingestellt aufgrund der Sanktionen gegen Russland.

Ausländische Investoren beenden laufende Projekte, starten aber kaum neue

Ausländische Investoren starten kaum neue Projekte in Russland, führen jedoch zeitlich vor der aktuellen Krise beschlossene Kapazitätserweiterungen zu Ende. Dazu gehört das neue Werkzeugmaschinenwerk in Uljanowsk, das DMG Seiki Mori (Gildemeister) Ende September 2015 offiziell einweiht hat. Angestoßen wurde das Gesamtvorhaben bereits 2010. Ähnliches gilt für das Motorenwerk von Volkswagen, das Anfang September 2015 in Kaluga den Betrieb aufnahm. Ford eröffnete gleichfalls Anfang September sein Motorenwerk in der Sonderwirtschaftszone Alabuga in Tatarstan.

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