Der „Goldene Ball“ fliegt an Manuel Neuer vorbei – Zeit, sich an Lew Jaschin zu erinnern

Bei der Verleihung des „Ballon d`or“ ist der deutsche Nationaltorhüter Manuel Neuer nur Dritter geworden – nach Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Neuer hätte es verdient, mit der höchsten Auszeichnung im Weltfußball versehen zu werden. Aber so ist das Schicksal der Schlussmänner eben. Erst einmal in der langen Geschichte des „Goldenen Balls“ hat ihn ein Torhüter bekommen – 1963 wurde der Titel dem sowjetischen Nationaltorhüter und Dynamo-Moskau-Keeper Lew Jaschin verliehen. Ein Grund dazu, sich an diesen außergewöhnlichen Mann zu erinnern.

„Die Jury des Ballon d’Or hat die falsche Wahl getroffen. Dabei wäre es an der Zeit gewesen, den außergewöhnlichen Mut von Manuel Neuer zu würdigen“, heißt es auf der ARD-Seite. Richtig! Denn Neuer steht in der Tradition eines Mannes, der Fußballgeschichte geschrieben hat. Immer die Ruhe bewahren und den Ball abfangen, egal in welche Ecke des Tores er flog, und sich, wenn nötig, mitten ins Getümmel zu werfen – diese Eigenschaften hatte Jaschin bereits in den 1950er Jahren bewiesen. Auch mit seinem gekonnten Spiel jenseits des Strafraums war Jaschin damals revolutionär, Neuer mit seinem Libero bis über die Mittellinie ist es heute. In dem Sinne sind die beiden durchaus vergleichbar.

Die Legende vom „schwarzen Panther“

Lew Jaschin, genannt „schwarze Spinne“ oder „schwarzer Panther“ – für seine katzengleiche Elastizität beim Hechten nach dem Ball –, war mit Dynamo fünfmal sowjetischer Meister und holte dreimal den Landespokal. Ab 1954 spielte er in der Nationalmannschaft, für die er 78 Mal antrat. 1956 wurde er Olympiasieger in Melbourne, 1960 holte er mit der Sbornaja die Europameisterschaft. Er nahm an drei Weltmeisterschaften teil. 1929 in Moskau geboren, hatte er eine lange Karriere – 1971 spielte er sein letztes Spiel. Eine Biografie wie aus dem Bilderbuch, sollte man meinen, aber mittendrin gab es eine bittere Phase, an der Jaschin, der bis heute als bester Tormann aller Zeiten gilt, fast zerbrochen wäre.

Nach dem Gewinn der Europameisterschaft 1960 erwartete das Land nichts anderes als den Titel bei der WM 1962 in Chile. Überraschend war das Turnier für die Sowjetunion aber bereits mit dem Viertelfinale (1:2 gegen die Gastgeber) beendet – und die Schuld für das Ausscheiden schob man Jaschin in die Schuhe. Sogar die Fans zuhause bei Dynamo empfingen ihn von nun an mit Pfeifkonzerten und wüsten Beschimpfungen. Jaschin, zuvor der Liebling des Publikums und auf dem Höhepunkt seiner Karriere, war kurz davor, die Brocken hinzuwerfen.

Das Blatt wendete sich, als er 1963 eingeladen wurde, in Wembley für eine Weltauswahl gegen die englische Nationalelf anzutreten – Anlass war das 100. Jubiläum des englischen Fußballs. In diesem Spiel glänzte er wie in alten Zeiten und riss die Zuschauer im Stadion und an den Bildschirmen in der ganzen Welt zu Begeisterungsstürmen hin. 1963 bekam er denn auch den „Goldenen Ball“, der Neuer nun entgangen ist. Lew Jaschin starb 1990 in Moskau.

[sb/russland.RU]

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