Der 8. März ist in Russland ein ultimatives Frauenfest

[von Dr. Daria Boll-Palievskaya] Es ist ein nicht mehr wegzudenkendes Ritual, das sich Jahr für Jahr wiederholt – der 8. März in Russland. Man kann diesen Tag wahrscheinlich mit der „fünften Jahreszeit“ im Rheinland vergleichen: die Regeln des Alltags werden außer Kraft gesetzt. Man kann in gewissem Sinne auch über Verkleidung reden. Denn die schlimmsten Grobiane verwandeln sich in Kavaliere, alle Männer laufen mit gehetztem Gesichtsausdruck und Blumensträußen durch die Gegend. Frauen schminken sich besonders sorgfältig und ziehen ihre schönsten Kleider an. Politiker übertreffen sich in Lobgesängen auf die russische Frau, und der Präsident zeichnet die besten davon mit Orden aus.  Das ist der internationale Frauentag auf Russisch.

Interessant, dass das in Russland so beliebte Fest auf Initiative einer Deutschen zurückgeht.  1910 auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz schlug Sozialistin Clara Zetkin vor, einen internationalen Frauentag einzuführen. An diesem Tag sollten Frauen auf die Straßen gehen, um für ihre Rechte zu demonstrieren und die Welt auf ihre Probleme aufmerksam zu machen.  In der Sowjetunion wurde der 8. März per Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets 1966 zu einem offizieller Feiertag erklärt. Obwohl man seit dem immer wieder versucht, die politische Bedeutung des Festes zu betonen, ist es inzwischen zu einer Mischung aus Mutter- und Valentinstag mutiert.

Können Sie sich ein Deutschland ohne Weihnachten vorstellen? Genau so ist weder die Sowjetunion, noch modernes Russland ohne den internationalen Frauentag vorstellbar.  „Tag des Frühlings, Tag der Schönheit, Tag der Blumen, Tag der Freude, Tag der Liebe, Tag unserer großartigen Frauen“, so betitelt man den 8. März. Dieser Tag ist längst zu einem Fest für alle Frauen geworden. Der Präsident trifft sich anlässlich des Tages jährlich mit bedeutenden Frauen des Landes und spricht medienwirksam über die Wichtigkeit der Rolle der Frauen in der Gesellschaft.  Jeder männliche Prominente hält es für seine Pflicht, Frauen per Medien zu gratulieren.  Im Fernsehen laufen Konzerte und Filme für Frauen. Die Polizei wird instruiert, sich an diesem Tag besonders höfflich Frauen gegenüber zu zeigen und bei kleineren Verkehrsdelikten sogar ein Auge zu zudrücken!

Schon zu der Sowjetzeit war es ein absolutes Muss, zu diesem Anlass Frauen mit Pralinen und Blumen zu beschenken. Dabei ging es bereits in der Schule los. Die armen Jungs mussten sich jährlich fieberhaft überlegen, was sie Ihren Mitschülerinnen schenken sollten. Im Volksmund nannte man den Frauentag „Tag der Rache für alle Socken und After shaves“. Man muss wissen, dass der 23. Februar in der Sowjetunion „Tag der sowjetischen Armee“ war (heute ist das „Tag des Heimatverteidigers“). Und so „rächen“ sich die Männer für schlechte Geschenke am kurz darauf kommenden 8. März. A propos, Geschenke. Was schenkt man eigentlich einer Frau zum 8. März ? Schon Monate vor dem Feiertag läuft in allen Medien massive Werbung für Parfüm, Schmuck oder… Autos – angeblich die besten Geschenke für die geliebte Frau. Jährlich müssen sich die Männer den Kopf zerbrechen, womit sie ihre Frauen glücklich machen können. Ganze Internetforen widmen sich der Frage, was das beste Geschenk für den internationalen Frauentag ist. Die armen russischen Männer sind verzweifelt: in sozialen Netzen wird darüber diskutiert, ob man Frauen einfach Geld schenken soll.

Der 8. März ist der Lieblingstag des Handels. Laut einer Statistik, haben die Russen (besser gesagt die russischen Männer) ca. 15 Mrd. Rubel für Geschenke ausgegeben. 44% davon ging für den Kauf der Blumen. Kein Wunder, denn die Blumenpreise schießen in diesen Tagen ins Astronomische. Ein Witz zum Thema. „Schatz, was wünschst Du dir zum 8. März?“, fragt ein Mann seine  Frau. „Ach, Liebling, das weiß ich selbst noch nicht so genau“, antwortet die Frau unentschlossen. „Ist nicht weiter schlimm, Du hast genau noch ein Jahr Zeit, bis zum nächsten Fest zu überlegen“.

Obwohl der 8. März zu einem absolut kommerzialisierten Feiertag geworden ist, wollen viele Russinnen auf dieses Fest nicht verzichten. Zumindest an diesem Tag können sie sich mal ganz als Frau fühlen, Komplimente, Gratulationen und Geschenke entgegennehmen.

Für die meisten Frauen bedeutet das aber auch, dass sie schon wieder am Herd stehen müssen, nach dem sie all die Geschenke von ihren Ehemännern, Söhnen, Arbeitskollegen und sogar Chefs erhalten haben. Vielleicht deswegen lässt die Beliebtheit vom 8.März vom Jahr zu Jahr nach. Laut der aktuellen Befragung vom Lewada-Zentrum, ist der Internationale Frauentag nur für 16% der Russen das wichtigste Fest des Jahres (im Jahre 2002 waren es 27%).

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

COMMENTS