Confed-Cup 2017: Abschied ohne Tränen

Gleich nach der Landung in Sotschi setzt er die Sonnenbrille auf und reißt sich das Sakko vom Leib – verdammt cool gibt er sich, der Bundes-Jogi, filmreif. Er sieht das Ganze ohnehin nicht allzu wichtig, ist ja „nur“ der Confed-Cup. Der Kaiser Franz schon. Aber der sagt eh zu allem Ja und Amen, solange es Geld dafür gibt. Auch Team-Manager Oliver Bierhoff hat seine neue Passion entdeckt. Er will als Undercover-Agent bei den Russen ganz genau hinter die Kulissen blicken. Was er da zu finden hofft, ließ er vorerst noch offen – der kleine Spanner. Und wenn wir schon gerade bei den Sittenwächtern des Deutschen Fußball-Bundes sind: Präsident Reinhard Grindel wird sich um die Pressefreiheit und die Sicherheitsbelange kümmern. Ja wenn wir den im wilden Russland nicht dabei hätten.

Und die Spieler selbst, was sagen die eigentlich zu dem ganzen Nicht-Rummel um den Pott? „Jaa … ääh … ich sach ma‘ so … unser Bestes geben … eine Ehre für jeden von uns … Schweiß Ehre Vaterland …“ – sie müssen ja was sagen, schließlich wollen alle nächstes Jahr wieder hierher kommen, um Weltmeister zu werden. Gerade die Azubis beim DFB stammeln sich par excelence um Kopf und Kragen. Weitaus abgebrühter die Südamerikaner. „Wenn wir schon mal hier sind, holen wir uns halt den Titel“, das ist Ansage, das hat Stil. So wollen wir ihn sehen, den überbezahlten Profi auf dem grünen Kunstrasen. Haben wir eigentlich schon erwähnt, dass es für Jogis Buben ab dem Halbfinale 50.000 Euro für jeden zu holen gibt? Die FIFA legt pro Team noch einmal 1,6 Millionen Dollar als Antrittsgeld darauf und der Turniergewinner erhält 4,1 Millionen Dollar. Ganz schön viel Kohle für eine Veranstaltung ohne Wert finden wir.

Außerdem soll der Confed-Cup ja sowieso bald eingemottet werden, weil sich niemand wirklich dafür zu interessieren scheint. Die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern. Wir pfeifen auf die Spatzen und machen einfach das Beste daraus. Business (fast) as usual.

Schon der Vorverkauf für die Tickets lief teigig zäh. Durch das aufwendig personalisierte Sicherheitsverfahren sollen besonders die Schwarzhändler ins Schwarze schauen. Die fallen schon mal weg. Angeblich sei das Interesse bei ausländischen Touristen dann doch noch gestiegen, behauptet man zumindest kleinlaut von offizieller Seite. Die Reise-Suchmaschine Momondo klotzt mit Zahlen, die schwindelerregend sind. Ginge es danach, wäre Russland geradezu überschwemmt mit Touristen aus aller Welt. Aber es ist nur eine Suchmaschine und fragen kostet ja noch nichts. Die Russen selbst weilen zur Zeit ohnehin auf ihren Datschas. Und die haben dort selbst noch im letzten Dorf alle ein Fernsehgerät.

Überhaupt – die Russen. Gastgeben können sie, halt wenn sie wollen. Wodka, Gürkchen, Kasatschok. Der tiefe Griff in die Klischeekiste, kommt immer gut, wenn man beim Schreiben grad mal einen Hänger hat. Ach so, es geht um Sport? Na gut: Doping, Doping, Doping. Gibt’s noch etwas Erwähnenswertes? Am 1. Juli 1912 hatten sie ihr erstes Länderspiel. Gegen das deutsche Kaiserreich. Zar gegen Kaiser, das gab es bis dato das letzte mal hundert Jahre vorher bei Austerlitz, war aber ein ganz anderer Kaiser. Die Equipe Wilhelms II. kofferte die Mannen um Kollegen Nikolaus II. mit 16:0 aber so was von ab, dass es schon nicht mehr heilig war. Aber der russische Bär vergisst nicht. Die Rache über diese Schmach, 33 Jahre später, hat sich gewaschen. Ein paar Russen wurden dann 1960 zusammen mit Ukrainern, Georgiern und Weißrussen Europameister. Da gab es aber auch noch kein Farbfernsehen.

Ob das jetzt vom Hocker haut oder auch nicht. Keine Fußball-Großveranstaltung kommt mehr ohne tierischen Beistand aus. Beim Confed-Cup soll’s diesmal eine Katze richten. Die ist zwar taub, hat aber von der zuständigen Tierärztin Anna Kondratjewa eine ausgezeichnete Stressresistenz bescheinigt bekommen. Wie es heißt, hört der Kater auf den Namen Achilles und kommt gut mit vielen Menschen klar. Achilles gibt ab Samstag den Oktopus und soll die Spielergebnisse orakeln. Wie patriotisch man ihn gedrillt hat, wird sich erst noch zeigen. Im richtigen Leben hat Achilles eigentlich einen Bombenjob. Er ist Killer im Auftrag der Eremitage, im Ernst das gibt’s. Zusammen mit rund siebzig Kollegen und Kolleginnen hat Special-Agent Achilles in den staubigen Archiven des Kunstpalastes die Lizenz zum Mäuse- und Rattentöten.

Im unerreichten Doppelpassspiel mit Alexander Kazakow wird russland.NEWS nun allen Unkenrufen zum Trotz dem ungeliebten Cup die letzte Ehre erweisen. Freuen Sie sich auf zwei Wochen Spiel, Spaß und Unterhaltung. Das Turnier kann hiermit angepfiffen werden…

[Michael Barth/russland.NEWS]

 

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