Ban Ki-Moon und Jean-Claude Juncker mit Kritik und Angebot zum Dialog

[Hartmut Hübner] Das diesjährige St. Petersburger Internationale Wirtschaftsforum findet genau genommen gar nicht in St. Petersburg statt, sondern in einem neuen Kongress- und Ausstellungszentrum in der Nähe des Flughafens Pulkowo. Mit dem Flugzeug gut zu erreichen, mit dem Auto braucht man vom Hotel in der Innenstadt fast eine Stunde. Aber in der so genannten nördlichen Hauptstadt lässt sich wohl kaum ein anderer Platz finden, in dem über 7000 Menschen aus rund 100 Ländern und etwa 200 Veranstaltungen an zweieinhalb Tagen logistisch in den Griff zu bekommen sind.

Zur Eröffnungsveranstaltung waren wohl 2000 Teilnehmer des Forums in den Konferenzsaal gekommen, um aus den Ansprachen von UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Hinweise für den weiteren Umgang mit Russland herauszuhören.

Der höchste Beauftragte der Weltgemeinschaft machte deutlich, dass trotz aller Gefahren und Konflikte auf der Welt auch Positives erreicht wurde, wie die im vergangenen Jahr in Paris von fast allen Ländern unterzeichneten Klimaschutzvereinbarungen. Die Russische Föderation habe  an dem Zustandekommen großen Anteil. Nun komme es aber darauf an, diese Dokumente zu ratifizieren und umzusetzen, mahnte Ban.

Das beinhalte auch eine Diversifizierung der Energiegewinnung und er sei erfreut zu sehen, dass sich auch russische Ingenieure mit der Erschließung alternativer Energiequellen befassen, unabhängig von dem riesigen Vorrat an Erdöl und Erdgas. Dazu passe auch die Sonderveranstaltung auf dem Forum „Die Welt nach dem Erdöl“. Russland habe sich auch der weltweiten Bewegung für alternatives Bauen angeschlossen, lobte der UN-Generalsekretär.

Auch die Bemühungen Russlands zur Schaffung der Euroasiatischen Wirtschaftsunion zeige, dass es selbst in dieser schwierigen Zeit möglich sei, zum gegenseitigen Nutzen Zäune einzureißen, anstatt neue Mauern zu errichten, wie dies gegenwärtig in Europa geschehe. Wenn  die europäischen Staaten ihre Verpflichtung ernst nehmen, bis 2030 Nachhaltigkeit in allen Sphären zu erreichen, dann betreffe das auch die Form des Zusammenlebens mit anderen Völkern, betonte er.

In einem zweiten Schwerpunkt seiner Ausführungen wiederholte er den Standpunkt der UNO, die Ursachen des internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Deshalb unterstütze man in Syrien die gemäßigte Opposition, die sowohl gegen den Terrorismus von außen, wie auch gegen die ihn begünstigenden Faktoren im Inneren kämpfen.

Abschließend kritisierte er, ohne konkret zu werden, dass vielerorts in der Welt der Druck auf die Zivilgesellschaften zunehme, Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt würden. Die russische Regierung forderte er auf, im Zuge der geplanten Wirtschaftsreformen die Zivilgesellschaft stärker einzubeziehen. Er rief dazu auf, jede Krise als Chance zu verstehen und gestärkt daraus hervorzugehen.

Nicht nur über, sondern mit Russland reden

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, das Petersburger Wirtschaftsforum sei in den bislang zwanzig Jahren seiner Ausrichtung immer ein Treffpunkt von Wirtschaft und Politik gewesen. Er habe für seine Entscheidung, zu dieser Veranstaltung zu fahren, Zustimmung und Kritik zu hören bekommen.

„Aber wir haben in den vergangen Wochen und Monaten viel über Russland geredet, aber ich meine, man muss jede Gelegenheit nutzen, auch mit Russland, seiner Führung, zu reden.“ Er habe sich auch schon als luxemburgischer Regierungschef für den Dialog eingesetzt und diesen Kurs verfolge er jetzt weiter. Kein Land könne die aktuellen Herausforderungen allein lösen.

Die Beziehungen mit Russland hätten sich in den letzten beiden Jahren deutlich verschlechtert, weil Russland durch die Annexion der Krim und seine Mitwirkung bei dem Konflikt in der Ost-Ukraine einige internationale Normen verletzt habe, meinte Juncker. Aber auch schon  vor diesen Ereignissen waren die Beziehungen zwischen der  EU und Russland nicht einfach.

Es fehlte das gegenseitige Vertrauen. „Aber wir müssen den Dialog fortsetzen, trotz der Sanktionen“, sagte er. „Dass ich hierher gekommen bin, zeugt davon, dass ich bereit bin diese Brücken aufzubauen. Ich kenne den Präsidenten gut und lange und wir sprechen ganz offen miteinander.“ Russland sollte seine Ressourcen nutzen, um weiter mit der EU zusammenzuarbeiten. Bleibe Russland weiter außen vor, wäre dies ein zu hoher Preis.

Die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen seien der einzige Weg, um die Sanktionen gegen Russland zu lockern oder aufzuheben, stellte er klar. Eine demokratische Entwicklung in der Ukraine wäre letztlich auch um Interesse Russlands. Er setzte sich für den Ausbau aller gemeinsamen Bildungsinitiativen in Europa, wie des Erasmus-Programms, ein.

„Die EU hat viele Krisen überwunden und noch zu bestehen, aber wir bleiben ein zuverlässiger Partner, auch für Russland“, fasste er zusammen.

Im Laufe des Tages sprachen beide Politiker mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin.
(Hartmut Hübner/russland.news)

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