Baden Baden – St. Petersburg

Schon seit Jahrhunderten bestehen enge Beziehungen zwischen St. Petersburg und Baden Baden.
Hier waren jedes Jahr der russische Hochadel und die Zarenfamilien zuhause, hier haben fast alle klassischen russischen Dichter gelebt und hier hat so mancher Russe auch sein persönliches Desaster erlebt – wie Dostoevskij.

Die Liste der Namen ist lang. Nur einige sollen hier genannt werden: Borodin, Dostoevskij, Elisabeth von Russland, Gogol, Gontscharow, Gortschakov, Rachmaninov, Rubinstein, Maria Romanow-Leuchtenberg, Tolstoj, Tschitscherin, Turgenev, Zhukowskij. (Mehr zu diesem speziellen Thema hier)
Und dankenswerter Weise haben die Beziehungen zwischen Baden Baden und St. Petersburg allen politischen Verwerfungen getrotzt.

Es ist inzwischen schon zur guten Gewohnheit geworden, dass das Petersburger Marinskij-Theater an den Sommerfestspielen in Baden Baden Baden teilnimmt. So auch dieses Jahr mit Verdis Don Carlo unter der Leitung von Valery Gergiev.

Don Carlos gilt nicht als Vorbild in Sachen kluger Heiratspolitik. Das haben die Österreicher weit besser verstanden. Don Carlos ist eher ein Leitfaden, wie Liebe zwischen die Räder von Macht und Politik geraten kann – Verdi komponierte das Werk in Paris; Valery Gergiev dirigiert es bei den Sommerfestspielen in Baden-Baden.

In den Worten von Alex Ross, dem Musikkritiker des New Yorker, ist er der einflussreichste Dirigent der Welt: Valery Gergiev, einer der wenigen wirklichen Superstars in der internationalen Klassikszene, der einst beim sowjetischen Allunionswettbewerb als Sieger hervorging und anschließend den Herbert-von-Karajan-Wettbewerb in Berlin gewann. Nur vier Musiker verließen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs das von ihm geleitete Orchester des Mariinsky-Theaters, dem er ungeachtet vieler Spitzenangebote aus dem Westen die Treue hielt. Kein Wunder, denn hier wirkten bereits große Namen aus der Musikwelt, neben Gustav Mahler und Peter Tschaikowsky auch Giuseppe Verdi.

Gleich nach dem Untergang der Sowjetunion kündigte Valery Gergiev an, wieder mehr Verdi zu spielen, um an die lange Verdi-Tradition des Hauses anzuknüpfen und sie weiter auszubauen. Das allerdings nicht in Klangkopie eines der großen Orchester aus dem Westen, sondern im Kontext der eigenen Aufführungsgeschichte und mit dem einzigartigen weichen und dunkel durchglühten Kirov-Mariinsky-Klang, den der Maestro über sämtliche geschichtliche Turbulenzen der letzten rund 35 Jahre hinweg bewahren konnte. Das Publikum, sagt er, soll „durchaus Spektakuläres“ geboten bekommen. „Das Wort Spektakel bedeutet auch Theater, daher muss man als Dirigent auch auf gewisse Weise theatralisch sein. Zudem über eine geistige Kraft verfügen, denn Herz alleine reicht nicht und dennoch muss man großzügig in seinen Emotionen sein.“

Im Baden-Badener Festspielhaus, mit dem Valery Gergiev seit der Eröffnung 1998 eine intensive Zusammenarbeit verbindet – nicht umsonst wurde es in den letzten Jahren zur Sommerresidenz des Mariinsky-Theaters – präsentiert der charismatische Dirigent nun eine der bekanntesten und beliebtesten Verdi-Opern in einer szenischen Produktion seines Theaters: Don Carlo nach dem gleichnamigen Trauerspiel von Friedrich Schiller, ein wahrlich spektakuläres Werk, in dem sich Verdi sowohl der eher intimen italienischen als auch der auf große Wirkung zielenden französischen Opernsprache bediente und das mit seiner brillant differenzierten Instrumentierung zu den Höhepunkten seines dramatischen Schaffens zählt.

In dem Drama steht die königliche Familie Spaniens bis zum Zerreißen unter Druck. Denn der Infant Don Carlo liebt Elisabeth von Valois, die sein Vater, König Philipp von Spanien, aus politischen Gründen heiratet. Anlässlich des Aufstandes der protestantischen Niederlande gegen die katholische spanische Fremdherrschaft rebelliert Don Carlo offen gegen den Vater und wird ausgerechnet von seinem besten Freund, dem Marquis von Posa, entwaffnet; eine Intrige der eifersüchtigen Prinzessin Eboli tut ihr übriges. Obwohl sich der Marquis von Posa am Ende für Don Carlo opfert, gibt es am Ende nur einen Sieger, nämlich den die Staatsräson verkörpernden katholischen Großinquisitor, dessen repressivem Schattenregime sich auch die Mitglieder der königlichen Familie beugen müssen.

Die Inszenierung von Verdis Meisterwerk, das in luxuriösen und historisch korrekten Kostümen von Cristian Taraborrelli und Angela Buscemi präsentiert wird, übernimmt der Italiener Giorgio Barberio Corsetti, der mit dem Europäischen Theaterpreis für „Neue Theaterrealitäten“ ausgezeichnet wurde und unter anderem Direktor des Theaterprogramms der Biennale Venedig war. Es singen Chor und Solisten des Mariinsky-Theaters, die ihre herausragende Qualität auch in Baden-Baden schon viele Male unter Beweis gestellt haben.

Weitere Informationen: www.festspielhaus.de
Informationen und Eintrittskarten: Tel. 07221 / 30 13 101

Donnerstag, 3. Juli 2014, 18 Uhr
Samstag, 5. Juli 2014, 18 Uhr

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