Aus zwei mach drei – die Zukunft deutsch-russischer StädtepartnerschaftenFriedendfest Vossenack 2019 bild © huebner

Aus zwei mach drei – die Zukunft deutsch-russischer Städtepartnerschaften

Mir, Spokoj, Shalom, peace – in mehr als 20 Sprachen stand das Wort für Frieden auf den weißen Plakaten geschrieben, mit denen die rund 600 Schülerinnen und Schüler des Franziskus-Gymnasiums Vossenack im Kreis Düren Teilnehmer an der deutsch-russischen Konferenz der Partnerstädte begrüßten, die in der Kreisstadt getagt hatte. In einem hervorragend gestalteten pantomimischen Spiel zeigten die Schülerinnen und Schüler, wie unter dem Wirken der Kräfte des guten Willens die Schrecken von Krieg wie auch extremistischer Gewalt dem friedlichen Miteinander weichen müssen. Der Schulleiter Dr. Peter Cordes erinnerte denn auch an das Wort von Franz von Assisi, dem Begründer des Franziskanerordens, wonach alle Menschen Anspruch auf „Pax et bonum“ – Frieden und Glück – haben. Danach machen sich die Teilnehmer des Friedensfestes auf den Weg zur nahen Kriegsgräberstätte Vossenack, wo über 2300 deutsche Soldaten beerdigt sind. Sie waren vor allem in den Tagen der Ardennen-Offensive um den Jahreswechsel 1944/1945 im nahen Hürtgenwald umgekommen, mit der Hitler verzweifelt wie erfolglos versuchte, den Vormarsch der Alliierten aufzuhalten. Damals starben auf beiden Seiten insgesamt über 17.000 Soldaten.

Gerade als sich der Zug von Schülern, Lehrern und Gästen Bewegung setzte, raste ein NATO-Kampfjet im Tiefflug über den Soldatenfriedhof…

Dort stiegen dann im Gedenken an die Gefallenen und als Zeichen für den Frieden Hunderte Luftballons in den blauen Himmel über dem ehemaligen Schlachtfeld.

Drei Tage lang hatten zuvor rund 300 Vertreter von Partnerstädten aus Deutschland und Russland bei der vom Deutsch-Russischen Forum, der Stiftung West-Östliche Begegnungen und dem Bundesverband der Deutschen Ost-West-Gesellschaften bei der inzwischen 15. Deutsch-Russischen Städtepartner-Konferenz, diesmal „im westlichsten Ende unseres Landes“, wie der Ministerpräsident  von Nordrhein-Westfalen , Erwin Laschet, bei der Eröffnung, kundtat. Er lobte die vielseitigen gemeinsamen Aktivitäten des Kreises Düren mit seinen Partnerstädten wozu auch Mytitschtsche bei Moskau gehört, in Kultur Sport, Kommunalpolitik oder regionaler Wirtschaft.

Auch die Vertreter der Berliner Politik, Dirk Wiese als Beauftragter der Bundesregierung für die zivilgesellschaftlichen Kontakte mit Russland, Zentralasien und den Ländern der östlichen Partnerschaft und Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswärtigen Amt versicherten durchaus glaubhaft ihre Sympathie für die Entwicklung der Kontakte zwischen den Menschen in beiden Ländern. Deutlich wurde aber auch, dass ihre Möglichkeiten der unmittelbaren Unterstützung begrenzt sind. Zwar wurden Gelder für verschiedene Projekte bewilligt, aber so ist es bisher nicht gelungen, jungen Leuten aus Russland bis 26 Jahre die visafreie Einreise nach Deutschland und die EU zu ermöglichen, obwohl sich Wiese und Müntefering dafür eingesetzt hatten. Zumindest ist aber nun wohl, wie der Ostbeauftragte auf der Konferenz mitteilte, die elektronische Beantragung eines Visums im Gespräch, um weite Anfahrtswege zur Einreichung der Unterlagen zu verweisen. Auch sollte die Vergabe von längerfristige Mehrfachvisa an Teilnehmer von Vorhaben im Rahmen der zivilgesellschaftlichen Kontakte großzügig gehandhabt werden.

Ganz konkret wurde es aber in den Arbeitsgruppen Dort wurde über Themen, wie energieeffiziente und nachhaltige Entwicklung von Städten, Gemeinden und Regionen, die digitale Stadt, die verbindende Rolle von Sprache Kultur und Wissenschaft, Inklusion und Teilhabe, Die Möglichkeiten von Städtepartnerschaften bei der Sicherung des Friedens sowie die medizinisch-wissenschaftliche und humanitäre Zusammenarbeit diskutiert.

Im Ergebnis wurden u.a. gegen die geplante Abschaffung des Faches Russisch an der Leipziger Universität protestiert, die Notwendigkeit eine engere Zusammenarbeit zwischen den Kommunen bei der Abfallwirtschaft in Aussicht gestellt oder auch angeregt, von den bilateralen Formen der Städtepartnerschaften zur drei und mehrseitigen Zusammenarbeit überzugehen. Dafür warben auch der ehemalige Vorsitzende der US-Assoziation der Partnerstädte, Bill Boerum, und Abdul Salim Khan, Councillor der englischen Stadt Coventry, die bereits 1944 mit Stalingrad das erste Partnerschaftsabkommen geschlossen und damit die Bewegung der Partnerstädte begründet hatte.

Die Arbeitsgruppe Medizin verfasste einen Brief an den deutschen Außenminister Heiko Maas mit der Bitte, in diesem lebenswichtigen Bereich zu den in der 2008 getroffenen Vereinbarung zur Gestaltung der Modernisierungspartnerschaft zurückzukehren. An Erfolg versprechenden Objekten mangele es nicht.

Es sei sehr erfreulich, dass in den Themengruppen derart viele konkrete bestehende und neue Projekte besprochen wurden, stellte Jelena Hoffmann, Vorsitzende der Stiftung West-Östliche Begegnungen fest. In diesem Zusammenhang dankte sie allen Ehrenamtlichen, die dafür sorgten, „dass in den nicht einfachen politischen Verhältnissen zwischen Deutschland und Russland das Wort Dialog nicht nur gesprochen, sondern gelebt wird.“

Auch im Jugendforum der Partnerstädte, das wesentlicher Teil des Konferenzprogramms war, wurde über riesige Müllberge in den Städten, Chancen und Risiken bei der Nutzung sozialer Medien, die Teilhabe behinderter Jugendlicher am gesellschaftlichen Leben und die Notwendigkeit einer stärkeren Mitwirkung von Vertretern der jungen Generation in der Kommunalpolitik gesprochen.

Einig war man sich, dass es beim Jugendaustausch noch viel Luft nach oben gibt. Gefragt seien interessante Angebote.

Bei seinem Resümee der Konferenz bezeichnete Matthias Platzek, Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, die Städtepartnerschaften als Kern der der „Volksdiplomatie“. „Um so mehr, wie sie sich hier in Düren auf einem außerordentlich hohen Niveau präsentierten, das erst durch die hervorragende Arbeit der Gastgeber um Landrat Spelthahn möglich wurde. So hoch, wie hier die Messlatte gehängt wurde, möchte ich nicht der nächste Ausrichter sein.“

Vielleicht war das ein Grund, warum nicht, wie eigentlich erwartet, die Stadt oder die Region genannt wurde, die in zwei Jahren Gastgeber der nächsten Deutsch-Russischen Städtepartner-Konferenz sein wird.

[Hartmut Hübner/russland.NEWS]

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