Aktuelle Baukrise wird sich in Russland hinziehen

Von Ullrich Umann Moskau (GTAI) – Sinkende Realeinkommen und der weitgehend ausgetrocknete Kapitalmarkt wirken sich auf den russischen Wohnungsmarkt aus. Die Regierung steuert mit zinssubventionierten Hypothekenkrediten dagegen. Private Investoren irritieren die ungewissen Konjunkturaussichten und die fehlenden oder teuren Langzeitfinanzierungen. Developer konzentrieren sich nicht auf Neuvorhaben, sondern bauen aufgestaute Überkapazitäten bei Gewerbeflächen ab, etwa durch Nachlässe bei Miet- und Verkaufspreisen.

Die Föderalregierung begann am 1.3.15 mit der Gewährung staatlicher Zuschüsse in einer Gesamthöhe von 20 Mrd. Rubel (EZB-Wechselkurs Durchschnitt Juli 2016: 1 Euro = 71,24 Rubel) zur Subventionierung von Hypothekenzinsen. Ohne diese Maßnahme wäre der Bau von billigem Wohnraum in einigen Regionen komplett zusammengebrochen, denn bis zu 80% der Bauprojekte sind hypothekenfinanziert. Landesweit wurde 2015 der Bau von 48 Mio. qm Wohnfläche über zinssubventionierte Hypothekenkredite gefördert.

Aktuell steht eine Verlängerung der Zinssubventionierung um ein weiteres Jahr unter Finanzierungsvorbehalt. Sollte der Staat keine Mittel dafür ausschütten, könnte der Schaden groß ausfallen. Es kämen Anschlusskosten von mehr als 1 Billion Rubel auf die öffentliche Hand auf allen Verwaltungsebenen zu, so Fachleute. Andernfalls würde das Land mit brachliegenden Baustellen regelrecht überzogen.

Private Investoren gehen vorsichtig vor

Im Unterschied zur Subprimekrise des Jahres 2008, die praktisch über Nacht hereinplatzte und die Akteure auf dem russischen Immobilienmarkt unvorbereitet traf, hat sich die aktuelle Baukrise über einen längeren Zeitraum hinweg angekündigt. Die aktuelle Krise wird auch länger dauern als 2008/09. Wichtige Akteure können dieses Mal lediglich von ihren damals gemachten Erfahrungen profitieren.

Developer und Immobilienverwaltungen versuchen gegenwärtig – wenn überhaupt – nur Rubel-Kredite aufzunehmen. Die Rückzahlung in Landeswährung ist einfacher als in Fremdwährung wegen der starken Abwertung des Rubels und der hohen Volatilität des Wechselkurses. Noch 2008/09 waren Kredite in Devisen bevorzugt worden.

Auch gestaltet sich das Verhältnis zwischen der Bau- und Immobilienwirtschaft einerseits und den Banken andererseits besser als 2008/09. In der aktuellen Krise vermeiden es die Finanzinstitute beispielsweise, auf krisenbedingte Risikovergrößerungen sofort mit drastischen Zinserhöhungen zu reagieren.

Vielmehr sehen sich Banken und Kreditnehmer im Fall drohender Zahlungsschwierigkeiten einvernehmlicher als 2008/09 nach einer Lösung um. Denn Banken haben damals schnell feststellen müssen, dass sie nach dem Ziehen ihrer Sicherheiten Besitzer unfertiger Bauvorhaben wurden. Letzte ließen sich aber nur mit hohen Abschlägen weiterveräußern, wenn überhaupt.

Banken kommen Schuldnern entgegen

Aktuell versuchen Banken, sich mit den Bauherren gütlich zu einigen, um Totalausfälle zu vermeiden. Dazu gehören gestreckte Zahlungsziele oder Zwischenfinanzierungen. Developer und Immobilienverwaltungen achten auch stärker als früher auf die Senkung ihrer operativen Kosten. Neben Einschränkungen beim Personal gehört dazu die Kürzung des Fuhr- und Baumaschinenparks.

Um Einnahmeausfälle wenigstens teilweise zu kompensieren, werden zusätzliche Geschäftsfelder erschlossen. Beispielsweise bieten Architekturbüros Planungen für die Gestaltung der Innenarchitektur, einschließlich Kauf der Einrichtungen auf Rechnung des Endkunden, an. Bislang wurden Objekte nur von außen entworfen und nach Fertigstellung als Rohbau an die Nutzer übergeben.

Im Fall von Logistikzentren und Lagerflächen, bei denen noch vor wenigen Jahren hohe Knappheitsverhältnisse herrschten, ist der Leerstand inzwischen auf 12% angestiegen. Da 2016 weitere Objekte auf den Markt kommen, zeichnet sich bis Jahresende ein Leerstand von sogar 25% ab.

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